Erschienen in:
01.08.2016 | Kopfschmerzen | Schwerpunkt
Alltagsdeutungen und medizinische Deutungen von Kopfschmerzen und Migräne
Untersuchung bei Angehörigen von Produktions- und Dienstleistungsberufen
verfasst von:
Dr. S. Dreßke
Erschienen in:
Der Schmerz
|
Ausgabe 4/2016
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Zusammenfassung
Hintergrund
Jedes berufliche Segment hat seine typischen Belastungsanforderungen, aus denen sich für die Angehörigen Körpervorstellungen und Schmerzdeutungen ergeben. Durch das Ertragen von typischen Belastungen werden Identität und Status zugewiesen sowie die Mitgliedschaften in Bezugsgruppen aktualisiert. Aus soziologischer Perspektive wird Schmerz als ein Medium für Vergesellschaftungsprozesse in Belastungskollektiven untersucht.
Ziel der Arbeit
Untersucht werden kulturelle Deutungsformen von Kopfschmerzen und Migräne bei Angehörigen von Produktions- und Dienstleistungsberufen sowie von Patienten in der schmerzmedizinischen Versorgung.
Patienten und Methoden
Durchgeführt wurden qualitative biographische Interviews mit 49 Personen mit Kopfschmerzen und Migräne aus der ambulanten Normalversorgung sowie der spezialistischen stationären Schmerzversorgung.
Ergebnisse
Für Angehörige der Produktionsberufe mit körperbetont-mechanischen Belastungsformen und dominierend maskulinen Einstellungen sind Kopfschmerzen eine untypische Abweichung, die als Körperschmerzen kontextualisiert werden. Für Angehörige der Dienstleistungsberufe mit kommunikativ-emotionalen Belastungsformen sind Kopfschmerzen eine typische und akzeptierte Abweichung. Beide Schmerzverständnisse repräsentieren dominierende Körpernormen und kollektive Verpflichtungen in den beiden Gruppen. Dieses Alltagsverständnis von Schmerz wird in der spezialisierten Schmerzmedizin zunehmend durch medizinische Deutungen überspielt, mit denen der Alltag neu arrangiert und veränderte soziale Identität zugewiesen wird.
Schlussfolgerung
Der Erfolg der Kopfschmerzversorgung hängt z. T. auch davon ab, ob es den Patienten gelingt, einen medizinisch regulierten Lebensstil gegenüber ihren signifikanten Anderen durchzusetzen. Damit gehen allerdings auch Konflikte mit den Anforderungen des täglichen Lebens einher.