Erschienen in:
01.02.2016 | Übersicht
„Intention to treat“ oder „treatment as received“ – Umgang mit Abbrechern in der Forschung zur Straftäterbehandlung
Methodische Überlegungen und Beispiele aktueller Studien
verfasst von:
Dr. Johann Endres, Dr. Maike M. Breuer, Prof. Dr. Mark Stemmler
Erschienen in:
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie
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Ausgabe 1/2016
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Zusammenfassung
Viele Studien zur Straftäterbehandlung sind dem Vorwurf fehlender internaler Validität ausgesetzt, denn experimentelle Studien mit randomisierter Zuweisung sind schwer zu realisieren, und die Vergleichsgruppen in quasiexperimentellen Studien sind meist nicht völlig äquivalent. Deswegen werden häufig spezielle Matching-Prozeduren angewandt, oder ein potenzieller „selection bias“ durch Einflüsse von Störvariablen wird kontrolliert, indem diese als Kovariaten behandelt werden. Ein weiteres Problem ergibt sich jedoch durch hohe Abbruchraten, denn die Merkmale, die zum Behandlungsabbruch führen, sind häufig zugleich Risikofaktoren für einen kriminellen Rückfall. Es wird argumentiert, dass das Weglassen der Abbrecher in einem „Treatment-as-received“(TR)-Ansatz dazu führen kann, dass echte Behandlungseffekte durch Stichprobeneffekte überlagert werden. Erhöhte Rückfallraten bei Abbrechern können auf negative Wirkungen des Abbruchs selbst (z. B. Stigmatisierung) zurückgehen, sind aber wohl häufiger darauf zurückzuführen, dass Abbrecher von vorneherein ein höheres Rückfallrisiko aufweisen. Am Beispiel einiger neuerer Studien wird gezeigt, dass scheinbare Behandlungseffekte oft verschwinden, wenn der adäquatere „Intention-to-treat“(ITT)-Ansatz verwendet wird, bei dem die Abbrecher weiterhin der Behandlung zugerechnet werden.