Frühere Studien berichten über unterschiedliche Weitstellungen des Mesopharynx im Wachzustand und in Sedierung.
Fragestellung
Lässt sich der mesopharyngeale Isthmus im Wachzustand und in Sedierung durch bestimmte Manöver beeinflussen?
Material und Methoden
Bei 50 gesunden Probanden (18 m, 32 w) wurde der mesopharyngeale Isthmus im Wachzustand und in Sedierung endoskopisch untersucht und der intraorale Unterdruck mit einem Vakuumaktivator kontrolliert. Folgende Manöver wurden durchgeführt und dabei der Isthmus bildlich dokumentiert: Spontanatmung mit anteriorem Lippenschluss (SA), Unterkieferprotrusion (UP), Zungenrepositionsmanöver (ZRM), Unterkieferprotrusion mit ZRM (UP, ZRM). Während des ZRM ist – bei geschlossenen Lippen – die Zunge an den Zahnreihen, den Hartgaumen und an das Velum angelagert.
Ergebnisse
Im Wachzustand wurden 123 Bilder analysiert, davon 35 mit SA, 34 mit UP, 35 mit ZRM, 19 mit ZRM und UP. In Sedierung waren es 125, davon 35 mit SA, 32 mit UP, 34 mit ZRM, 24 mit ZRM und UP. Die Resultate zeigen, dass in Sedierung das ZRM einen signifikant erweiternden Effekt auf die Weite des mesopharyngealen Isthmus im Vergleich zur sedierten SA ohne ZRM (p < 0,05) hatte. Das kombinierte Manöver mit ZRM und UP hatte im Vergleich zur sedierten SA einen additiven Effekt auf die Weitstellung des mesopharyngealen Isthmus (p < 0,05).
Schlussfolgerung
In Sedierung wird mittels ZRM und kombiniertem Manöver mit UP und ZRM der mesopharyngeale Isthmus durch Vorverlagerung der Zunge aus dem Pharynxraum mit enger Zungengaumenkontaktposition sowie durch Anlagerung des Velums am Zungenrücken stabilisiert.
Die propofolinduzierte Somnoendoskopie wird angewendet, um den Bereich des oberen Luftwegkollapses zu identifizieren [1] und um gleichzeitig den Effekt der Unterkieferprotrusion auf den Rachen im Schlaf zu überprüfen [2]. Es gibt derzeitig keine Studien, die über die Weichteilstabilisation von Zunge, Weichgaumen und Rachenseitenwänden durch ein sogenanntes Zungenrepositionsmanöver (ZRM) im medikamentös induzierten Schlaf berichten. Ein additiver Effekt in der Erweiterung des mesopharyngealen Isthmus, der Engstelle des Mesopharynx, durch Stabilisierung dieser Weichteile mittels ZRM und Esmarch-Manöver in Kombination wird vermutet.
Der mesopharyngeale Isthmus als Engstelle der Luftwegpassage des mittleren Rachenabschnittes gehört zur anatomisch-funktionellen Einheit des velopharyngealen Sphinkters. In der Literatur wird diese mittlere Rachenregion auch als Velopharynx [3] oder retropalatinale Region des Oropharynx [4] bezeichnet, wobei der Begriff Oropharynx sich klinisch auf die Projektion dieser anatomischen Region auf das Cavum oris bezieht. Dieser Begriff ist jedoch problematisch, da es funktionsabhängig zu einer kulissenförmigen Verschiebung von dorsaler Zunge und dem Velum palatinum in der Vertikalen kommt, die dazu führt, dass das Velum in Ruheposition dorsal des freien Zungenkörpers angeordnet ist, die Mundhöhle von der Zunge ausgefüllt wird und daher als Namensgeber des daran angrenzenden Pharynx funktionell ungeeignet ist. Daher ist der Mesopharynx als der kollapsfähige Abschnitt des Pharynx zwischen dorsaler Begrenzung des harten Gaumens kranial und der Spitze der Epiglottis kaudal in Respirationslage definiert. Der mesopharyngeale Isthmus und die begrenzenden anatomischen Komponenten dieser Engstelle können wegen fehlender knöcherner Unterstützung kollabieren [5]. Dies erfolgt während des Schlafes und der Anästhesie durch Verlust des Muskeltonus. Der Velopharynx als Teil des mittleren Rachenabschnitt ist demnach – als besonders enger Rachenabschnitt – vornehmlich prädisponiert zur Obstruktion im Schlaf und während der Anästhesie [6]. Dieser Rachenabschnitt wurde bereits weitgehend untersucht, so zeigten Abstandsmessungen im Rachenbereich mittels der Magnetresonanztomographie (MRT) bei gesunden, sedierten Patienten im Vergleich zu wachen Patienten kleinere Werte für den Weichgaumen als für den Zungenbereich [7]. Durch weitere Untersuchungen mittels MRT [8] und durch Röntgenseitenaufnahmen mit gesunden Probanden [9, 10] wurde festgestellt, dass bei der propofolanästhesierten Atmung – im Vergleich zur wachen Ruheatmung – eine Weichgaumenrückverlagerung an die hintere Rachenwand eintrat.
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Vorangegangene Luftweguntersuchungen über den Effekt der Unterkieferprotrusion auf den mittleren Rachenbereich führten insgesamt zu unterschiedlichen Ergebnissen: Die endoskopische Untersuchung bei sedierten Schnarchern mit vorverlagertem Unterkiefer zeigte keine Veränderung in der retropalatinalen Region [11], dagegen wurde bei gesunden anästhesierten Personen endoskopisch eine signifikante Zunahme des Luftweges im Velopharynx durch Unterkiefervorverlagerung beobachtet [12]. Weiterhin wird die Unterkiefervorverlagerung mit Kopfüberstreckung und Nachbeugung bei anästhesierten Patienten, wie sie bei Anwendung des Esmarch-Heiberg-Manövers eintritt, um eine Luftwegobstruktion im Bereich des Weichgaumens zu verhindern, u. a. als das effektivste Manöver zur Luftwegerweiterung beschrieben [13]. Dagegen zeigten endoskopische Untersuchungen bei Probanden im Wachzustand mit maximaler Unterkieferprotrusion im Vergleich zur wachen Ruheatmung ohne Vorverlagerung des Unterkiefers keine signifikanten Vergrößerungen der Querschnittsfläche im Velopharynx [14]. Demnach führt die Unterkiefervorverlagerung offensichtlich zu unterschiedlichen Ergebnissen der Luftwegbeeinflussung im Bereich des Mesopharynx.
Das Verfahren der medikamentös induzierten Schlafendoskopie (drug induced sleep endoscopy, DISE) wird heutzutage im Rahmen der Schlafdiagnostik angewendet, um zum einen den Bereich des oberen Luftwegkollapses zu identifizieren [15] und zum anderen den Effekt der Unterkieferprotrusion und der Esmarch-Schiene auf den Rachen im Schlaf nachzuahmen [2]. Ein partielles Wiederöffnen des oberen Luftweges konnte hierbei auf dem Niveau des Weichgaumens mit dem sogenannten Kinn-Lift-Manöver durch manuelle Unterkieferanhebung mit Positionierung der Finger lingual der Inzisiven gezeigt werden [2].
Ein anderes klinisches Manöver, das sogenannte Zungenrepositionsmanöver (ZRM), ermöglicht mittels intraoralem Unterdruck Weichgaumen und Zunge in Kontakt zu stellen – das ZRM führt zu einer anterioren und superioren Volumenverschiebung der Zunge aus dem Pharynx in die Mundhöhle [17]. Dabei kann das ZRM bei geschlossener Mundhöhle, einem negativen Druck im Gaumengewölbe und einer dazu engen Zungengaumenkontaktposition zu einer Erweiterung des Mesopharynx führen [16]. Das ZRM ist unabhängig von der Kieferrelation zu sehen und führt zu einer Anlagerung des Zungenvolumens an den harten Gaumen unabhängig von der Position des Unterkiefers. Das Ausmaß der Volumenverlagerung in Abhängigkeit von der Kieferlage ist bisher nicht untersucht worden. Weiterhin ist die okklusale Situation für die Durchführung des ZRM nachrangig, da die Ventilbildung des subpalatinalen Kompartiments mit der Kieferbasis und nicht mit der Zahnreihe erfolgt.
Über den kombinierten Effekt der Unterkieferprotrusion mit ZRM zur Erweiterung des mesopharyngealen Isthmus ist derzeitig wenig bekannt. Nur vereinzelt wurde bisher über ein kombiniertes Manöver der Unterkieferprotrusion bei gleichzeitigem Zungenweichgaumenkontakt berichtet. Eine Zungenvorverlagerung durch Unterkieferprotrusion führte in der Konsequenz zur synchronen Vorwärtsplatzierung des Weichgaumens im Sinne einer gemeinsamen Einheit [18].
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Die oben genannten Studien berichten vorwiegend über Auswirkungen der Unterkieferprotrusion auf den oberen Luftweg zur Luftwegerweiterung im Schlaf, jedoch werden keine Angaben zur Weichteilstabilisation von Zunge, Weichgaumen und Rachenseitenwänden über ein sogenanntes Zungenrepositionsmanöver (ZRM) gemacht. Bei der vorliegenden Untersuchung stand deshalb die endoskopische Verifizierung des ZRM im Vordergrund, welches mit dem Esmarch-Manöver kombiniert wurde, mit dem Versuch diese Weichteile zu stabilisieren. Darüber hinaus wurde ein additiver Effekt in der Erweiterung der Engstelle des Mesopharynx vermutet.
Das Ziel dieser Studie war es, den Öffnungszustand des mesopharyngealen Isthmus bei Spontanatmung, beim Zungenrepositionsmanöver (ZRM), beim Esmarch-Manöver und beim kombinierten Manöver der Zungenreposition (ZRM) mit Unterkiefervorverlagerung im Wachzustand und in propofolinduzierter Sedierung bei ausschließlich gesunden Probanden, die keine Pro- oder Retrognathie im Ruhebiss aufwiesen, quantitativ auszuwerten.
Methodik
Probanden
Das Probandenkollektiv von 50 Freiwilligen (32 Frauen, 18 Männer) im Alter von 23–57 Jahren befand sich zum Zeitpunkt der Untersuchung in der Betreuung der Abteilungen Zahnärztliche Chirurgie, Mund-, Kiefer-, Gesichtschirurgie, Dermatologie, Gynäkologie und Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde (HNO) und hatte sich elektiv einer Operation in Intubationsnarkose (ITN) unterzogen. Ausschlusskriterien waren eine zu erwartende schwierige Intubation und/oder Maskenbeatmung, eine nicht erteilte Einwilligung im Rahmen der Patientenaufklärung, Muskelerkrankungen, periphere Nervenerkrankungen sowie ein schwerwiegendes Krankheitsleiden in der Kopf-Hals-Region.
Untersuchungsgeräte
Videoendoskop
Zur Videoendoskopie wurde ein flexibles Nasopharyngoskop (Storz 1110 1RP2, Tuttlingen, Germany) verwendet. Die Endoskopkamera war gekoppelt mit einer Kaltlichtquelle (Storz 300 W Xenon, Tuttlingen, Germany). Alle endoskopischen Aufnahmen wurden mit einem Videorekorder und einem Mikrofon für simultane Tonaufzeichnungen dokumentiert.
Vakuumaktivator
Ein Vakuumaktivator (Silencos, Bredent, Senden, Germany) (Abb. 1) diente zur Kontrolle einer geschlossenen Ruhelage mit Anlagerung der Zunge an den harten Gaumen und Bildung eines velolingualen Verschlusses. Das Mundgerät bestand aus einem elastischen Mundvorhofschild mit Silikon und einem Trichter mit einer Einmallatexmembran, welches bei geschlossenen Lippen einen ventilartigen Verschluss zum äußeren, atmosphärischen Luftdruck bildete. Zwei innere Öffnungen standen im Kontakt zum Zahnbogen mit Verbindung zum interokklusalen Raum. Ein zu den Lippen in Kontakt gesetzter Adapter stellte die Verbindung zwischen dem Interokklusalraum und dem äußeren Luftdruck her. Die Einmallatexmembran zeigte bei einwärtsgerichteter Bewegung einen intraoralen Unterdruck von mehr als 10 mbar an. Die zweite Öffnung trug einen Adapter zur Aufnahme eines Kunststoffschlauches der Saugpumpe (max. −0,7 bar).
×
Bissblock
Bei unbezahnten Probanden diente zur Imitation der verlorenen Zahnbögen ein aus Silikon hergestellter Aufbissblock, der zum Vakuumaktivator in den Mund des zahnlosen Probanden eingegliedert wurde (Abb. 2). Eine bogenförmige Perforation innerhalb des Aufbissblockes stellte eine Verbindung in der Mundhöhle zwischen Ober- und Unterkiefer zur verbesserten Luftabsaugung über die Saugpumpe im Zustand der Sedierung her.
×
Untersuchungsablauf
In horizontaler Körperposition erfolgte die endoskopische Untersuchung des mesopharyngealen Isthmus in 2 Phasen: 1. Im Wachzustand erfolgte vor dem Einführen des Nasopharyngoskopes durch den mittleren Nasengang zur Schmerzausschaltung eine oberflächliche Anästhesie im Bereich des Naseneinganges mit 10 %igem Xylocainpumpspray. Das Nasopharyngoskop (Storz 1110 1RP2, Tuttlingen, Germany) wurde anschließend im Epipharynx mit vertikaler Aufsicht auf den Isthmus positioniert und die endoskopische Aufnahme am Bildmonitor kontrolliert. Untersucht wurden die Öffnungszustände während der wachen Spontanatmung. Anschließend führte der Proband die Unterkieferprotrusion durch. Im Anschluss wurde der Vakuumaktivator in den Patientenmund eingesetzt und das Zungenrepositionsmanöver (ZRM) zur Einstellung eines subatmosphärischen Druckes zwischen Zungenoberfläche und Gaumengewölbe sowie zur Ausbildung eines velolingualen Verschlusses durchgeführt. Anschließend führte der Proband aktiv gleichzeitig beide Manöver durch.
Nach fraktionierter Gabe von Propofol i.v. sowie nach darauffolgender Gabe von Propofol per continuitatem mit 1–2 mg/kgKG/h erfolgte die Überführung des Patienten in die Sedierung, deren Tiefe so gesteuert wurde, dass eine passive Unterkieferprotrusion bei gleichzeitigem Erhalt der Spontanatmung toleriert wurde. Die endoskopische Untersuchung erfolgte methodentechnisch wie im Wachzustand. Während der sedierten Spontanatmung wurde die Unterkieferprotrusion mittels Esmarch-Handgriff durchgeführt. Die Ausführung des Zungenrepositionsmanövers erfolgte zusammen mit dem im Probandenmund eingesetzten Vakuumaktivator und einer Saugpumpe, welche über einen Saugschlauch und eine Öffnung am Mundschild verbunden wurden (Abb. 3). Das kombinierte Manöver der Zungenreposition mit Esmarch-Handgriff wurde der Reihenfolge nach als letztes durchgeführt. Bissregistrate zur Reproduzierbarkeit des Ruhebisses oder der Unterkieferprotrusion wurden nicht hergestellt. Die Ruhebisssituation erfolgte durch den Probanden rein habituell okklusal durch Kieferschluss in die IKP (= Interkuspidation).
×
Der mesopharyngeale Isthmus wurde als Fläche in Pixeln ermittelt. Es ergaben sich dafür folgende 8 Zustände:
1.
Spontanatmung wach,
2.
Protrusion wach,
3.
Zungenrepositionsmanöver wach (ZRM wach),
4.
Protrusion + ZRM wach,
5.
Spontanatmung sed.,
6.
Protrusion sed.,
7.
Zungenrepositionsmanöver sed. (ZRM sed.),
8.
Protrusion + ZRM sed..
Bestimmte Öffnungszustände mit dem jeweils einflussnehmenden Manöver wurden hinsichtlich ihrer Resultate direkt gegenübergestellt. Die erhobenen Daten zur Auswertung ergaben sich aus den Vergleichen folgender Zustände:
1.
Spontanatmung sed. vs. Protrusion sed.,
2.
Spontanatmung sed. vs. ZRM sed.,
3.
Protrusion sed. vs. Protrusion + ZRM sed.,
4.
Spontanatmung sed. vs. Spontanatmung wach,
5.
Protrusion sed. vs. Protrusion wach,
6.
ZRM sed. vs. ZRM wach,
7.
Protrusion + ZRM sed. vs. Protrusion + ZRM wach
Datenauswertung
Zur planimetrischen Vermessung der mesopharyngealen Öffnungszustände wurde das Bildverarbeitungsprogramm ImageJ 1.45s (Rasband, National Institutes of Health, Bethesda, USA) verwendet. Zur Querschnittsflächenanalyse wurde die ausgewählte Bildsequenz aus der videoendoskopischen Aufnahme mit dem Programm Screenshot Captor v2.102.02 (DonationCoder, Reichler, Champaign, Illinois, Maryland, USA) in eine JPEG-Datei überführt und in das Programm ImageJ eingefügt. Die zu vermessende Querschnittsfläche ergab durch Markierung einen Zahlenwert an Pixeln als Maß des mesopharyngealen Öffnungszustandes. Pixel gleicher Helligkeit wurden als Isolinie markiert. Es wurde berücksichtigt, dass sich alle eingegrenzten Bildpunkte angenähert in einer Ebene befanden und der größtmögliche Öffnungszustand Grundlage jeder Messung war. Dadurch wurde gewährleistet, dass ein repräsentativer Öffnungsquerschnitt als Polygon in die Auswertung einging (Abb. 4). Es gingen nur diejenigen Querschnittsflächen in die Auswertung ein, die im endoskopischen Bild als Luftwegöffnung deutlich zu erkennen waren.
×
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Helligkeitsabstufungen im endoskopischen Bild bewirken das Gefühl für räumliche Tiefe. Die Ebenen gleicher Tiefe, und damit Ebenen der speziellen Öffnungsweite des Mesopharynx, konnten darum softwareunterstützt markiert werden. Dabei kam besonders der Vorteil der Bildqualität durch die hohe Bildauflösung zum Tragen, die durch die Vielzahl der Lichtleitfasern des flexiblen Glasfaserendoskopes erzeugt wird.
Alle erhobenen Daten wurden mittels Statistica Version 10 (Fa. StatSoft GmbH, Hamburg, Germany) ausgewertet. Für die metrischen Daten wurde ein T‑Test für abhängige Stichproben herangezogen. Das Signifikanzniveau betrug in allen Analysen 5 %. Zur Korrektur von Fehleranalysen bei signifikanten Paarvergleichen wurde die Bonferroni-Methode angewendet.
Ergebnisse
Untersucht wurden 50 Probanden. Für den Wachzustand wurden insgesamt 123 Bilder analysiert, für die Sedierung 125.
Gründe für nicht auswertbare Querschnittsflächen waren:
nicht durchführbare Manöver am Probanden,
keine eindeutige Markierungsmöglichkeit der Querschnittsfläche im digitalen Bild wegen eines Speichelsees,
der Verlust der vertikalen Aufsicht auf die mesopharyngeale Querschnittsfläche.
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Die Auswertung aus den Vergleichen der jeweiligen Zustände ist in Tab. 1) dargestellt. Es handelt sich dabei um gültige Messergebnisse aus existierenden Messwerten statistischer Vergleiche der Zustände.
Tab. 1
Statistische Vergleiche im Überblick
Untersuchung
Parameter
Anzahl
Median (Pixel)
Q25 (Pixel)
Q75 (Pixel)
p-Wert
Signifikanz
1
Spontanatmung sed.
32
2398
722
5446
< 0,001
*
Protrusion sed.
15775
2954
29967
2
Spontanatmung sed.
34
2398
722
5446
0,010082
*
ZRM sed.
6961
1205
21633
3
Protrusion sed.
23
15775
2954
29967
0,008143
*
Protrusion + ZRM sed.
30690,5
7888
41767
4
Spontanatmung sed.
35
2398
722
5446
0,003552
*
Spontanatmung wach
5630
2452
18105
5
Protrusion sed.
32
15775
2954
29967
0,007497
*
Protrusion wach
3582
651
9202
6
ZRM sed.
34
6961
1205
21633
0,007088
*
ZRM wach
767
−2412
8616
7
Protrusion + ZRM sed.
14
30690
7888
41767
0,006319
*
Protrusion + ZRM wach
5187
74
13568
* Signifikanz, – fehlende Signifikanz
Im Folgenden werden intraindividuelle Ergebnisse der analysierten Öffnungszustände mit signifikantem Unterschied aus den durchgeführten Untersuchungen dargestellt (Abb. 5 und 6):
×
×
Diskussion
Gezielte Untersuchungen über die Dimension der oberen Luftwegpassage im Bereich des Mesopharynx als kollapsfähigem Segment des Rachens im Wach- und Schlafzustand sind notwendig, um Informationen über den Öffnungszustand im Fall der verminderten Rachenmuskelaktivität zu erhalten. Dabei sollten sowohl dem qualitativen als auch dem quantitativen Charakter von Ergebnisdaten aus Untersuchungen der Luftwegdimensionen eine angemessene Bedeutung zukommen. Croft und Pringle [15] benutzten die Schlafendoskopie zur Evaluation des oberen Luftweges und lieferten damit wertvolle Informationen in der Beurteilung des Schnarchens und der obstruktiven Schlafapnoe beim schlafenden Patienten. In der vorliegenden Untersuchung kommt gerade dem Aspekt der Beschreibung der bewusstseinsabhängigen Veränderung der Luftwegweite des mesopharyngealen Isthmus unter Einfluss der Unterkieferprotrusion und des Zungenrepositionsmanövers (ZRM) eine hohe Bedeutung zu. Durch die Kombination dieser beiden Manöver in Verbindung mit der videoendoskopischen Auswertung liefert die vorliegende Studie erstmalig neue Erkenntnisse über den alleinigen Einfluss des ZRM und der Unterkieferprotrusion auf die bewusstseinsabhängige Weitstellung des Mesopharynx.
Die Anwendung der Isolinie gleicher Pixelhelligkeiten lässt – mit ausreichender Sicherheit – auf eine gleiche Pharynxebene schließen: Im endoskopischen Bild wird das Gefühl für räumliche Tiefe durch Helligkeitsabstufungen erzeugt. Diese zeigen zugleich Ebenen gleicher Tiefe und damit Ebenen einer speziellen Öffnungsweite. Die Helligkeitsabstufungen in vergleichbaren Ebenen haben in dieser Untersuchung eine besondere Bedeutung. Vergleichbare Flächenvermessungen von Luftwegquerschnitten im Rachen anhand endoskopisch generierter Bilder wurden bereits durchgeführt [14, 19]. Eine andere Untersuchung zur Bestimmung von Querschnittsflächen des Velopharynx mit einer doppelt durchgeführten Vermessung berichtet über einen geringen Koeffizienten der Variation von 3,8 % [14], wobei nur Bilder ausgewertet wurden, welche die gesamte Luftwegöffnung darstellten. Der Vorteil des Einsatzes des flexiblen Glasfaserendoskops liegt zum größten Teil in der Bildqualität mit hoher Bildauflösung. Da die Bildauflösung in Form von Pixeln erfolgt, lassen sich zugehörige Flächen markieren, deren Größe maßgeblich für die zu vergleichenden Zustände, Wachzustand und Sedierung, ist. Mittels sorgfältiger Vermessung mit der Bildverarbeitungssoftware ImageJ ist es möglich – wie auch andere Studien zeigen [20, 21, 22] – verlässliche Ergebnisse zu erzielen.
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Die vorliegenden Studiendaten stammen aus videoendoskopischen Untersuchungen von ausschließlich gesunden Erwachsenen. Für den Vergleich Spontanatmung sed. vs. Protrusion sed. ergaben sich in Sedierung mit eingestellter Unterkieferprotrusion größere Werte als bei der Spontanatmung in Sedierung. Als Grund hierfür kann die mechanische Koppelung zwischen Unterkiefer und Zunge angeführt werden. Es kommt während des Vorschubes des Unterkiefers zur Zungenvorverlagerung, gleichzeitig wird der Weichgaumen über den Arcus palatoglossus stabilisiert. Eine Anteriorverlagerung des Weichgaumens ist dabei möglich. Gleiches wurde durch Hillman et al. [6] und Isono et al. [12] nachgewiesen. Neben vergrößerten Querschnitten wurden vereinzelt auch konstant bleibende Öffnungsgrade des mesopharyngealen Isthmus festgestellt. Dies blieb allerdings die Ausnahme und stellte nur vereinzelte individuelle Verhaltensmuster in dieser Untersuchung dar.
Der Vergleich Spontanatmung sed. vs. ZRM sed. zeigte, dass sich in Sedierung mit eingestelltem ZRM größere Werte in den meisten Untersuchungsfällen ergaben als bei der Spontanatmung in Sedierung. Dies könnte aus dem Beitrag des posterior gebildeten Mundschlusses unter Bildung einer velolingualen Abdichtung zur Mundhöhle mit flächenhafter Adaptation der Zunge am Weichgaumen resultieren. Der angestiegene flächenhafte adaptive Kontakt des Weichgaumens zum Zungenrücken verhindert den Weichgaumenrückfall. Diese Beobachtung stimmt mit denen von Engelke et al. [22] überein, die einen Anstieg in der Länge der velolingualen Kontaktzone während des ZRM beschrieben. Außerdem wird eine Zungenvorverlagerung durch das ZRM vermutet, das Velum erfährt durch den Weichteilzug einen zusätzlichen stabilisierenden Effekt. Dieser Beitrag dürfte im sedierten Zustand allerdings gering ausfallen und lässt sich derzeitig nicht durch Beschreibungen anderer Autoren bestätigen oder widerlegen. Die Untersuchung stellt insofern erstmalig Ergebnisse zur Verfügung.
Zur eigenen Methodenkritik lässt sich bemerken, dass das ZRM im Wachzustand sowie das passiv durchgeführte ZRM in Sedierung methodisch identisch sind, aber mit verändertem Muskeltonus die Funktionswirkung des Vakuumaktivators unterschiedlich ausfällt. Die Stabilisierung des intraoralen Unterdrucks zwischen Gaumengewölbe und Zunge in Sedierung konnte nur mit zusätzlicher Anwendung der Saugpumpe erreicht werden.
Der Vergleich von Protrusion sed. vs. Protrusion + ZRM sed. zeigte, dass in Sedierung die Kombination aus Protrusion mit ZRM – im Vergleich zur alleinigen Protrusion – einen resultierenden additiven Effekt auf die Weitstellung des mesopharyngealen Isthmus hatte. Für das kombinierte Manöver ergeben sich signifikant größere Werte. Ergebnisse aus vergleichbaren Studien gibt es nicht. Somit stellt diese Untersuchung erstmalig Ergebnisse zur Unterkieferprotrusion mit ZRM bereit. Andere Autoren berichten in diesem Zusammenhang über einen normal vorhandenen posterioren Mundschluss zwischen Weichgaumen und Zunge. Die Zungenvorverlagerung mittels Unterkieferprotrusion ist demnach von einer synchronen Vorwärtsplatzierung des Weichgaumens begleitet [18]. Folglich könnte das ZRM ein zusätzliches Hilfsmittel zur effektiveren Luftwegerweiterung in Kombination mit der Unterkieferprotrusion darstellen. Um die Sinnhaftigkeit und Effektivität des kombinierten Manövers zu beurteilen, wären Ergebnisse aus Schlafuntersuchungen mit OSA(obstruktive Schlafapnoe)-Patienten zwingend erforderlich.
Der mesopharyngeale Isthmus als Luftwegpassage wird durch die Rückseite des Velums, nach links und rechts durch die Rachenseitenwände sowie dorsal durch die Rachenhinterwand begrenzt. Der Vergleich Spontanatmung sed. vs. Spontanatmung wach zeigte, dass der Isthmus sich bei der Spontanatmung vom Wachzustand in die Sedierung verkleinerte, was auf die Tonusabnahme der Rachenmuskulatur zurückzuführen ist. Wie Trudo et al. [23] berichteten kommt es zur zunehmenden Verdickung der seitlichen Rachenwände und des Weichgaumens. Darüber hinaus konnten wir beobachten, dass bei fehlendem velolingualem Verschluss ohne ZRM eine Rückverlagerung des Weichgaumens möglich ist und sich hierdurch der mesopharyngeale Isthmus zu lateralen Orifizien verkleinern kann.
Der Vergleich Protrusion sed. vs. Protrusion wach zeigte bei der Protrusion in Sedierung in nahezu allen Fällen größere Werte. Gründe hierfür sind wegen schwieriger Studienlage nur zu vermuten und bedürfen weiterer wissenschaftlicher Analysen. Andere Autoren [18, 24, 25] können nur bedingt in die Erörterung der Frage, ob der Effekt der Protrusion im Wachzustand durch andere Faktoren maskiert worden ist, miteinbezogen werden. Wissenschaftliche Studien, die den Einfluss der Unterkieferprotrusion auf den mesopharyngealen Isthmus im Wachzustand und in der Sedierung miteinander vergleichen und beschreiben, fehlen. Diese Untersuchung zeigt hierfür erstmalig Ergebnisse auf. Es sollte erwähnt werden, dass zukünftige Untersuchungen zur Unterkieferprotrusion durch Erhebungen von zahnärztlichen Parametern ergänzt werden sollten, bspw. durch das Messen der Schneidekantendistanz in der Sagittalen, um die effektive Kieferprotrusion zur Luftwegstabilisierung im Mesopharynx zahlenmäßig zu erfassen.
Der Vergleich ZRM sed. vs. ZRM wach zeigte größere Öffnungsgrade im Wachzustand. Durch das ZRM wurden die Weichteile von Zunge, Velum und Rachenseitenwände in Sedierung mit vermindertem Rachenmuskeltonus stabilisiert, eine Verkleinerung trat nicht ein. Vergleichbare Studien, die den Einfluss des ZRM im Wachzustand und in Sedierung auf den oberen Luftweg beschreiben, gibt es nicht. Hierdurch eröffnen sich dem Fach der Schlafmedizin neue Aspekte im Hinblick auf bisher noch ungeklärte Fragestellungen, die die kritische Überprüfung der Effektivität des ZRM als Möglichkeit der myofunktionellen Therapie für die mesopharyngeale Luftwegerweiterung im Schlaf betreffen. Kritisch anzumerken ist, dass innerhalb dieser Untersuchung in Sedierung der subpalatinale Unterdruck zur Durchführung des ZRM über eine Saugpumpe erzielt worden ist und nicht selbst von den Probanden erzeugt wurde.
Bei der Gegenüberstellung der Ergebnisse für den Vergleich Protrusion + ZRM sed. vs. Protrusion + ZRM wach zeigten sich bei der Mehrheit der untersuchten Probanden in Sedierung größere Werte. Beide Manöver in Kombination haben sowohl im Wachzustand als auch in Sedierung einen additiven Effekt auf die Weitstellung des mesopharyngealen Isthmus im Vergleich zur alleinigen Protrusion – dieser fällt in Sedierung offensichtlich unter Anwendung der Saugpumpe tendenziell größer aus. Studien, die das kombinierte Manöver untersucht haben, gibt es nicht. Diese Untersuchung stellt somit auch in diesem Punkt erstmalig Ergebnisse zur Verfügung. Weiterführende Analysen sind dennoch erforderlich, um repräsentative Aussagen zu diesem klinischen Manöver anführen zu können. Schließlich könnten Therapiemöglichkeiten zur Behandlung der obstruktiven SAS, mit dem Ziel der Stabilisierung von Rachenweichteilen des Mesopharynx, in der Konsequenz unserer Ergebnisse um ein bedeutendes klinisches Manöver ergänzt werden.
Fazit
Unter Anwendung der beschriebenen Manöver konnte eine Querschnittsflächenvergrößerung der mesopharyngealen Luftwegpassage nachgewiesen werden.
Es bestehen interindividuelle Unterschiede im Ansprechen auf die untersuchten Manöver.
Die kombinierte Anwendung der Unterkieferprotrusion mit dem Zungenrepositionsmanöver zeigt einen additiven Effekt und führt zu einer größeren Weitstellung des mesopharyngealen Isthmus als das Protrusionsmanöver allein.
Die Forschungsergebnisse bilden somit eine wertvolle Grundlage für weiterführende Untersuchungen zur Klärung der klinischen Bedeutung der kombinierten Anwendung beider Manöver.
Der Einfluss des ZRM ist bisher nicht endoskopisch in Relation zum Effekt des Esmarch-Manövers quantifiziert worden. Hier setzt die vorliegende Untersuchung an.
Danksagung
Ich danke Herrn Prof. Dr. Dr. Engelke für die persönliche Anteilnahme und wissenschaftliche Begleitung meiner Dissertation sowie Herrn PD Dr. Dr. Ludwig als Förderer und Unterstützer für die Realisierung der Publikation.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
S. Scharfe, A. Ludwig, S.G. Russo, P. Klapsing und W. Engelke geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle im vorliegenden Manuskript beschriebenen Untersuchungen am Menschen wurden mit Zustimmung der Ethikkommission der medizinischen Fakultät der Universität Göttingen, im Einklag mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt.
Open Access. This article is distributed under the terms of the Creative Commons Attribution 4.0 International License (http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/), which permits unrestricted use, distribution, and reproduction in any medium, provided you give appropriate credit to the original author(s) and the source, provide a link to the Creative Commons license, and indicate if changes were made.
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