Erschienen in:
13.09.2019 | Allergologie in der HNO-Heilkunde | Übersicht
Verbraucherschutz und Risikobewertung — allergieauslösende Substanzen in Verbraucherprodukten
verfasst von:
PD Dr. Hermann-Josef Thierse, Prof. Dr. Dr. Andreas Luch
Erschienen in:
Allergo Journal
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Ausgabe 6/2019
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Zusammenfassung
Hintergrund
Das humane Immunsystem ist täglich einer chemisch großen Vielfalt an potenziell sensibilisierenden Substanzen ausgesetzt. Hautsensibilisierende Substanzen finden sich unter anderem in zahlreichen Verbraucherprodukten wie Kosmetika, Schmuck und Piercings, Spielzeug, Textilien, Leder, weiteren Bedarfsgegenständen und gegebenenfalls auch Tattoos. Dabei kann es sich um ausgewählte Duftstoffe, Konservierungsmittel, sensibilisierende Farbstoffe oder sonstige Produktzusätze handeln. Um eine hohe Verbrauchersicherheit zu gewährleisten, bedarf es daher einer entsprechenden gesetzlichen Regulation und Risikobewertung, welche die jeweilig mögliche humane Exposition eines Stoffs oder Stoffgemisches in dem jeweiligen Produkt berücksichtigt.
Methoden
In diesem Übersichtsartikel werden Hintergründe und Wege aufgezeigt, wie es international zur gesetzlichen Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien und damit auch von potenziell hautsensibilisierenden Substanzen gekommen ist, und wie diese aktuell angewendet werden. Dazu gehören die Anwendung des Global harmonisierten Systems zur Einstufung und Kennzeichnung von Chemikalien (GHS), die Verordnung über die Einstufung, Kennzeichnung und Verpackung von Stoffen und Gemischen (CLP), die europäische Verordnung zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH) und zum Beispiel die Verordnung über kosmetische Mittel des europäischen Parlamentes und des Rates, neben weiteren nationalen Gesetzen und Verordnungen. Bewertungsgrundlage einer Einstufung bilden in der Regel In-vitro- und In-vivo-Testverfahren, aber auch In-silico-Ansätze, die durch die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) validiert wurden, inklusive Humandaten.
Ergebnisse
In der Einstufung und Kennzeichnung von hautsensibilisierenden Substanzen nach Kategorie 1, Unterkategorie 1A oder 1B spiegelt sich die neue Gesetzgebung der Chemikalien- und Produktsicherheit wider. Dazu gehören regulierte Grenzwert-Konzentrationen von zum Beispiel p-Phenylendiamin in Haarfärbemitteln, Nickel in Ohrsteckern, Chrom VI in Leder oder Methylisothiazolinon in Kosmetika. In Kombination mit neuen In-vitro-Ansätzen sowie neuen (immuno)toxikologischen Konzepten sollen Expositionsanalysen und Risikobewertungen des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) und zum Beispiel auch des Wissenschaftlichen Ausschusses für Verbrauchersicherheit (SCCS) bei der Europäischen Kommission dazu beitragen, die Risiken einer humanen Kontaktallergie in Verbraucherprodukten zu minimieren. Zu diesen neuen Konzepten gehört zum Beispiel die mechanistische Sichtweise auf biologische (Abfolge-)Prozesse, mit Schlüsselereignissen, die nach Exposition eines Stoffes beispielsweise zu einem bestimmten klinischen Effekt oder toxikologischen Endpunkt führen können (AOP), oder von der OECD näher definierte integrierende Vorgehensweisen bei der Testung und Bewertung von Stoffen basierend auf einem AOP (IATA). Im Vergleich zu Kosmetika sind Textilien und ihre Inhaltsstoffe nur gering reguliert. Um substanzspezifische, komplexe molekulare Mechanismen der Allergieauslösung besser zu verstehen, und gegebenenfalls neue substanzspezifische Schwellenwerte zu definieren, bedarf es zukünftig weiterer größerer Forschungsanstrengungen, wie sie das BfR bei Duftstoffen beispielsweise bereits vor über zehn Jahren angemahnt hatte.
Schlussfolgerung
Hautsensibilisierende Substanzen können heute gesetzlich eingestuft, gekennzeichnet und je nach Exposition gegebenenfalls in Produkten minimiert oder verboten werden. Zusätzlich tragen Risikobewertungen potenziell allergener Substanzen dazu bei, Verbraucherprodukte sicherer zu machen. Das betrifft insbesondere Kosmetika und in geringem Ausmaß Textilien und andere Produkte, die weniger gesetzlich geregelt sind. Weitere Forschungsansätze sind dringend notwendig, um den gesundheitlichen Verbraucherschutz im Bereich der Allergie zu verbessern.