Erschienen in:
01.11.2015 | Übersichten
Asbest
Kampf um effektiven Arbeitsschutz, Verwendungsverbot und Kompensation der Opfer
verfasst von:
Prof. Dr. X. Baur
Erschienen in:
Zentralblatt für Arbeitsmedizin, Arbeitsschutz und Ergonomie
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Ausgabe 6/2015
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Zusammenfassung
Hintergrund
Asbestbedingte Erkrankungen haben in den Industriestaaten und Schwellenländern ein pandemisches Ausmaß angenommen. Dies wäre durch ein frühzeitiges Asbestverbot und den konsequenten Einsatz geeigneter Arbeitsschutzmaßnahmen weitestgehend zu verhindern gewesen. Denn Erkenntnisse über die von Asbestfaserstaub ausgehenden, oftmals tödlichen Gesundheitsgefahren liegen seit über 100 Jahren vor.
Ergebnisse
Geschickt gelang es der Asbestindustrie, durch eine gezielte Verharmlosung der Gefahren überfällige Maßnahmen des Gesundheitsschutzes und das Asbestverbot jahrzehntelang zu verzögern. Einflussreiche Wissenschaftler trugen hierzu bei. Mithilfe äußerst subtiler Taktiken, obsoleter diagnostischer Verfahren und fehlerhafter wissenschaftlicher Interpretationen werden bis heute bei einer Vielzahl begründeter Berufskrankheiten Entschädigungen abgelehnt. Zentral in dieser Strategie ist, dass ein entscheidender Sachverhalt ignoriert wird: die nur sehr kurze Halbwertszeit des zu 94 % verwendeten Weißasbests (Chrysotil) in der Lunge. Dennoch verlangen hohe, im Widerspruch zur wissenschaftlichen Datenlage stehende Beweisanforderungen nach wie vor den Nachweis einer bestimmten Anzahl von Asbestkörpern oder -fasern. Oftmals ignoriert dieser geforderte „Vollbeweis“, der zur Voraussetzung für die Anerkennung bestimmter Berufskrankheiten gemacht wurde, die arbeitsanamnestisch und sicherheitstechnisch obligatorisch zu verifizierende berufliche Asbestbelastung. Entgegen klarer Vorgaben wird Letztere vielfach gar nicht erst zu Lebzeiten erhoben.
Schlussfolgerungen
Die seit Jahrzehnten auf derart gravierenden Fehlinterpretationen basierenden gutachterlich negativen Beurteilungen in Berufskrankheitenverfahren bedürfen sozialpolitisch und sozialrechtlich vordringlich der Überprüfung und Korrektur.