Schwerpunkt II
Ärztliche Behandlungsfehler im strafrechtlichen ErmittlungsverfahrenMedical Malpractice and Preliminary Criminal Proceedings

https://doi.org/10.1016/j.zefq.2008.09.011Get rights and content

Zusammenfassung

Die immer wieder geäußerte Sorge, dass Ärzte mit einem Fuß im Gefängnis stehen, scheint nicht der Realität zu entsprechen. Eine empirische Untersuchung bei Staatsanwaltschaften hat ergeben, dass Fälle, in denen Ärzten Behandlungsfehler vorgeworfen werden, überwiegend eingestellt werden. Wenn zwischen Verfahrenseinleitung und Verfahrenseinstellung ein längerer Zeitraum liegt, hängt das oft damit zusammen, dass die Fachkollegen, die die notwendigen Gutachten erstellen, hierfür überdurchschnittlich lange Zeit benötigen. In den meisten Fällen sind die fachärztlichen Gutachten ausschlaggebend für den Verfahrensausgang.

Summary

Repeatedly expressed worries that doctors are at risk for malpractice suits and for ending up in prison do not really reflect reality. An empirical study on public prosecutors’ offices demonstrated that malpractice proceedings where doctors were blamed for treatment errors had predominantly been closed. If a long time passes between the opening and the closing proceedings this is often due to the colleagues who take more than average time to state their expert opinion as requested. In most cases these expert medical opinions are decisive in the outcome of these proceedings.

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Die Dogmatische Kontroverse

Ausgangspunkt der Untersuchung1, 2

Der Stein des Anstoßes

Der Stein des Anstoßes liegt seit jeher in der Frage, ob die lege artis, aber eigenmächtige, also das Selbstbestimmungsrecht des Patienten verletzende Heilbehandlung, durch Körperverletzungsdelikte erfasst sein kann. Das Schrifttum hatte einfach und treffend argumentiert, dass durch den gelingenden Heileingriff der Körperzustand ja nicht verschlechtert, sondern bewahrt bzw. gebessert wird und es für die Rechtsgutsverletzung nicht auf den Einzelakt, sondern auf das Gesamtergebnis ankommt. In den

Tatsächliche Um- und Mißstände

Die tatsächlichen Missstände der Verfahrenswirklichkeit des Arztstrafrechts beziehen sich somit auf den Bereich des Behandlungsfehlers. Dabei ist vorab bemerkenswert, dass das Strafrecht für Patienten und Hinterbliebene mit rund 1.000 Strafanzeigen jährlich quantitativ eine nur geringe Bedeutung hat15

Entkriminalisierung

Im Vordergrund rechtspolitischer Erwägungen zum Rechtsgüterschutz von Patienten muss auch aus strafrechtlicher Perspektive die Beherrschung der mit der ärztlichen Praxis verbundenen Risiken und deren Analyse zur Fehlervermeidung stehen34. Wegen den komplexen Zusammenhängen zwischen der medizinischen Praxis und Wissenschaft, der Gesundheitsbehörden, Berufskammern und Justiz ist dazu ein übergreifendes und konzertiertes Verhältnis zwischen diesen Bereichen

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