Pneumologie 2004; 58(5): 365-366
DOI: 10.1055/s-2004-818424
Konsenspapier
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit infolge einer IgE-vermittelten Allergie mit Organmanifestation an Haut und Atemwegen

Konsenspapier der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie, der Arbeitsgemeinschaft Berufsdermatologie in der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Arbeitsmedizin und Umweltmedizin e. V.Reduced earning capacity due to IgE-mediated skin and airway allergy. Consensus paperD.  Nowak1 , T.  L.  Diepgen1 , H.  Drexler1
  • 1Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin, Klinikum der Universität München - Innenstadt
Diese Arbeit wird zeitgleich publiziert in „Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin” und in „Dermatologie in Beruf und Umwelt”
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Publication Date:
26 May 2004 (online)

Einleitung

In der unfallversicherungsrechtlichen Zusammenhangsbegutachtung ist es Aufgabe des medizinischen Sachverständigen, den Vollbeweis für das medizinische Krankheitsbild zu sichern und sich zur haftungsausfüllenden Kausalität zu äußern. Darüber hinaus ist regelmäßig eine Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) gefordert.

Als Pneumologe orientiert man sich an einschlägigen Empfehlungen, die vorrangig das Ausmaß der Funktionsbeeinträchtigung widerspiegeln. Streng genommen ist die MdE durch die Einschränkungen bedingt, sich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt einen Erwerb zu verschaffen. Neben der vom Pneumologen relativ leicht beurteilbaren funktionellen Einschränkung beinhaltet der MdE-Begriff somit eine Aussage über den allgemeinen Arbeitsmarkt. Hierfür sind wir eigentlich nicht ausreichend sachverständig, dennoch wird von uns eine Antwort verlangt.

Bei den berufsbedingten allergischen Erkrankungen besteht neben dem genannten - grundsätzlichen - Problem jeder unfallversicherungsrechtlichen MdE-Beurteilung ein weiterer Bruch in der Systematik zwischen zwei verschiedenen Zielorganen: Allergische Berufskrankheiten der Lunge werden gutachterlich nach systematisch anders aufgebauten Kriterien beurteilt als allergische Berufskrankheiten der Haut: Während in die einschlägigen MdE-Empfehlungen für allergische obstruktive Atemwegserkrankungen nur das Ausmaß der Organschädigung eingeht, benutzen die Dermatologen seit Jahren zwei Kriterien: Neben dem Ausmaß der Organschädigung wird die Auswirkung der Allergie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berücksichtigt. Faktisch bedeutet dies, dass wir einem Patienten mit einem abgeklungenen Latex-Asthma, CAP-Klasse 2 auf Latex, normaler Lungenfunktion und vielleicht noch diskret erhöhter unspezifischer Atemwegsempfindlichkeit in der Regel eine MdE von unter 20 v. H. (0 oder meist 10 v. H.) zuerkennen würden. Die Dermatologen hingegen würden bei einem Patienten mit einer abgeklungenen Latex-Dermatitis, CAP-Klasse 2 und erscheinungsfreier Haut durchaus eine MdE von 20 v. H. konstatieren. Das bedeutet in praxi, dass die abgeklungene Dermatitis vielfach mit einer Rentenzahlung einhergeht, das abgeklungene Asthma jedoch nicht.

Bei vordergründiger Betrachtung erscheint die dermatologische Sichtweise, welche die Auswirkung der Allergie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt berücksichtigt, der Legaldefinition der MdE besser zu entsprechen als die pneumologische Betrachtungsweise, welche praktisch allein den Funktionsschaden beschreibt. Allerdings besteht das Kernproblem der dermatologischen Empfehlungen darin, dass keine Daten zur Verbreitung von Typ I-Allergenen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vorliegen, somit die Auswirkung der Allergie gar nicht quantifiziert werden kann. Für einige Typ IV-Allergien liegen entsprechende Daten vor, nicht jedoch für Typ I-Allergene.

Es ist das Anliegen des nachfolgend abgedruckten Konsenspapiers, auf diese Problematik aufmerksam zu machen und wissenschaftliche Untersuchungen zu fordern, die eine fundiertere MdE-Einschätzung erlauben. Letztlich soll es dazu dienen, die Begutachtung auch organübergreifend gerechter zu gestalten.

Prof. Dr. med. Dennis Nowak

Institut und Poliklinik für Arbeits- und Umweltmedizin · Klinikum der Universität München - Innenstadt

Ziemssenstr. 1

80336 München

Email: Dennis.Nowak@med.uni-muenchen.de

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