Gesundheitswesen 2008; 70 - A163
DOI: 10.1055/s-0028-1086388

Rauchen und Beruf: Ergebnisse des Mikrozensus zu „typischen“ Risikoberufen und Bedarf an berufszentrierten Tabakentwöhnungsangeboten

M Schüßler 1, C Wolf 2, S Schneider 1
  • 1Mannheimer Institut für Public Health, Sozial- und Präventivmedizin, Medizinische Fakultät Mannheim der Universität Heidelberg
  • 2Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen (GESIS-ZUMA), Mannheim

Einleitung/Fragestellung: In der Tabakprävention werden u.a. von der WHO und der BZgA zunehmend setting- und zielgruppenspezifische Präventions- und Interventionsmaßnahmen gefordert. Angesichts der regelmäßig am Arbeitsplatz verbrachten Zeit stellen berufsspezifische und betriebliche Settings einen wichtigen therapeutischen Zugang dar. Die hier vorgestellte Studie liefert erstmals auf Basis des Mikrozensus 2005 aktuelle und für die Bundesrepublik repräsentative Daten zum Rauchverhalten und dessen Aufrechterhaltung innerhalb einzelner Berufsgruppen. Methoden: Mittels einer amtlichen, bevölkerungsbasierten Zufallsstichprobe i.H.v. n=166.216 (Mikrozensus2005) wurden für die 80 verbreitetsten Berufsgruppen Raucher-, Exraucher- und Nieraucher-Prävalenzen für alle Erwerbstätigen im Alter von 25 bis 65 Jahren entlang der Standard-Klassifikation der Berufe (KldB92) ermittelt. Wegen des in Deutschland geschlechtstypisch stark polarisierten Arbeitsmarktes und wegen geschlechtsspezifisch erheblicher Prävalenzunterschiede erfolgten alle Analysen im Sinne des Gender Mainstreaming für Männer und Frauen getrennt. Ergebnisse: Obgleich die absoluten Raucherzahlen in den letzten Jahrzehnten rückläufig waren, verblieben relativ die Distanzen unter den Berufsgruppen konstant. So zeigen sich im Jahr 2005 bei einfachen Dienstleistungs- und Industrieberufen, bei Bauberufen sowie bei Verarbeitungsberufen mit manueller, repetitiver Tätigkeit und geringen Bildungsanforderungen die höchsten Prävalenzen. Dagegen rauchen Erwerbstätige des tertiären Sektors (z.B. Lehre, Ärzte und Wissenschaftler) am seltensten. Darüber hinaus schwankt die Nieraucherquote bei weiblichen Erwerbstätigen stark zwischen Werten von 18% und 53%, während die Nieraucherquote bei Männern über alle Berufsgruppen relativ einheitlich bei etwa 20% liegt. Schlussfolgerung: Alleinstellungsmerkmal dieser Studie ist die erstmalige Ermittlung berufsspezifischer Rauchprävalenzen auf Basis eines derart großen und qualitativ hochwertigen Datensatzes. Die letzten vergleichbaren, deutschen Studien hierzu stammen aus den Jahren 1988 und 1998. Insgesamt legen unsere Analysen arbeitsplatznahe/berufsgruppenspezifische Entwöhnungsangebote insbesondere für die Hochrisikogruppen nahe, u.a. weil die relative Position der Berufsgruppen konstant verblieb. Gerade innerhalb dieser Risikoberufe dürften die hohen Raucheranteile der unmittelbaren Kollegen zusätzlich zu einer Stabilisierung des Rauchverhaltens und zu einem ansteigenden Abhängigkeitsrisiko führen. Künftige Interventions- und Therapieangebote sollten das betriebliche Setting, wie Kollegschafts- und Pausenstrukturen sowie Anforderungen, Ermüdungsmuster und Stressexposition, berücksichtigen.

Literatur:

[1] Borgers D. Rauchen und Beruf: Rauchverhalten bei 125 ausgewählten Berufen. Prävention 1988; 1: 12–15

[2] Helmert U. Rauchen und Beruf. Eine Analyse von 100 000 Befragten des Mikrozensus 1995. Bundesgesundheitsblatt 1998; 41: 102–107

[3] Schüßler MN. Soziale Determinanten des Rauchverhaltens – Rauchen und Beruf. Diplomarbeit Universität Mannheim. Lehrstuhl für Statistik und sozialwissenschaftliche Methodenlehre, 2008