Rehabilitation (Stuttg) 2008; 47(6): 324-333
DOI: 10.1055/s-0028-1102951
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Rehabilitation aus der Sicht kleiner und mittlerer Unternehmen: Wissen, Wertschätzung und Kooperationsmöglichkeiten – Ergebnisse des KoRB-Projektes

Rehabilitation in the View of Small and Midsized Enterprises: Knowledge, Appreciation and Possibilities to Cooperate – Results of the KoRB-ProjectB. Hesse 1 , J. Heuer 1 , E. Gebauer 1 , 2
  • 1Institut für Rehabilitationsforschung Norderney, Abteilung Sozialmedizin, Münster
  • 2Deutsche Rentenversicherung Westfalen, Münster
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Publication Date:
15 December 2008 (online)

Zusammenfassung

Die KoRB-Studie (KoRB steht für Kooperation Rehabilitation und Betrieb) erfasste erstmals die Erfahrungen kleiner und mittlerer Betriebe (KMU) mit der Rehabilitation und die Möglichkeiten einer zielgerichteten Kooperation der Rentenversicherung mit diesen Betrieben. Aufbauend auf explorativen Leitfadeninterviews wurden Arbeitgeber, Betriebsärzte, Betriebsräte und Arbeitnehmer aus Westfalen zum Image und zur Wertschätzung der Rehabilitation im betrieblichen Kontext befragt. Sowohl die Erfahrungen mit Rehabilitation, der Grad der Informiertheit über Rehabilitation als auch die Kompatibilität von Rehabilitation mit betrieblichen Abläufen wurden erhoben und die Möglichkeiten einer frühzeitigen Erkennung von Rehabilitationsbedarf und Ansätze für eine konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten untersucht. Außerdem wurden Rehabilitationskliniken zu ihren Kooperationserfahrungen befragt. Es nahmen 697 Arbeitgeber aus Betrieben mit weniger als 250 Beschäftigten, 458 Betriebsräte, 73 Betriebsärzte, 47 Reha-Kliniken und 3 509 Arbeitnehmer, die bei der Deutschen Rentenversicherung Westfalen versichert sind, an der Befragung teil.

Ergebnisse: Insbesondere die Arbeitgeber hatten eine positive Wahrnehmung der Rehabilitation und konnten von guten Erfahrungen berichten. Von den Arbeitnehmern zeigten diejenigen die größte Wertschätzung, die bereits Rehabilitationserfahrung hatten. Eher zurückhaltend urteilten die Betriebsärzte, die zum Teil eine unzureichende Nachhaltigkeit der Rehabilitationsleistungen bemängelten. Die Untersuchungspopulationen waren unterschiedlich gut über das Thema Rehabilitation informiert – am besten die Betriebsärzte, am schlechtesten die Arbeitnehmer. Allen Gruppen gleich war der Wunsch nach mehr, bei Bedarf abrufbaren, Informationen. Rehabilitationsmaßnahmen in ihrer stationären dreiwöchigen Standardform führen in KMU oft zu schwerwiegenden logistischen Problemen (Mitarbeiterersatz, Erfahrungsverlust); dagegen werden die finanziellen Belastungen von den Unternehmen als weniger gravierend empfunden. Favorisiert werden alternative Reha-Modelle, die flexibler und quasi „in Teilzeit” abgewickelt werden können. Viele Arbeitnehmer, die angaben, dringenden Rehabilitationsbedarf zu haben, wollten vor allem aus Sorge um den Arbeitsplatz dennoch keinen Antrag auf medizinische Rehabilitation stellen. Sowohl Reha-Kliniker als auch Betriebsärzte sprachen sich für eine verbesserte Kommunikation und Zusammenarbeit aus, um die Reha-Maßnahmen gezielter auf spezifische Arbeitsplatzanforderungen ausrichten zu können und um eine reibungslose Reintegration zu gewährleisten.

Abstract

The experiences of small and midsized enterprises (SME) with medical rehabilitation were investigated in the KoRB-Study (KoRB=Kooperation Rehabilitation und Betrieb) for the first time. Opportunities for a targeted cooperation between the statutory pension insurance and these enterprises were explored. Based on explorative interviews, Westphalian employers, members of the works council, occupational health practitioners and employees were interrogated about the image of and their appreciation of medical rehabilitation in the work setting. Experience with rehabilitation and the level of information on rehabilitation were recorded as well as the compatibility of rehabilitation with operative processes in the working site. In addition rehab hospitals were asked about their experience in cooperating with enterprises. 697 employers of small and midsized enterprises, 458 members of the works councils, 73 occupational health practitioners, 47 rehab hospitals and 3 509 employees, who are members of the German Pension Fund of Westphalia, took part in the survey.

Results: Especially employers perceived rehabilitation positively and reported good experiences. Among the employees, those who had taken part in rehabilitation showed the highest appreciation. Occupational health practitioners were more restrained in their appraisal. Some of them complained about a lack of sustainability. The different target groups of the survey felt differently well informed about rehabilitation – best ratings came from the occupational health practitioners, worst ratings from the employees. All groups would welcome more accessible information in case of need. Medical rehabilitation in its standard form of “3 weeks full-time” often causes severe logistic problems in SME (e. g., replacement of employee, loss of experience). However the financial burden is perceived as less problematic. Employers favour alternative rehab models, which allow part-time working. Many employees, who expressed a need for rehabilitation, refrained from applying for rehabilitation on account of worries about loosing their employment. Both rehab clinicians and occupational health practitioners argued in favour of improved communication and cooperation in order to adapt medical rehab to the specific requirements of the working place and to assure a smooth reintegration into work.

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Korrespondenzadresse

Dr. Bettina Hesse

Institut für Rehabilitationsforschung Norderney

Abteilung Sozialmedizin

Gartenstraße 194

48125 Münster

Email: hesse.ifr@t-online.de

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