Gesundheitswesen 2010; 72 - V299
DOI: 10.1055/s-0030-1266505

Sekundärdatenauswertung zur berufsbezogenen Arbeitsunfähigkeit durch degenerative Muskel-Skelett-Erkrankungen für das Jahr 2008 in Deutschland

F Liebers 1, C Brendler 1, C Walzer 1, U Latza 1
  • 1Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA), Berlin

Fragestellung: Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems gehören zu den häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit (AU) in Deutschland. Für Einzelberufe wird die AU in den Statistiken der gesetzlichen Krankenkassen nur für breite Diagnosegruppen, jedoch nicht diagnose- und berufsspezifisch angegeben. Zielsetzung ist der Vergleich der AU in Einzelberufen für einzelne degenerative Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) in der erwerbstätigen Bevölkerung in Deutschland. Methodik: Es wurden aggregierte AU-Daten für das Jahr 2008 von sieben gesetzlichen Krankenkassen mit Schichtung nach Beruf (Berufsordnung), Alter (5 Altersklassen zwischen 15 und 65 Jahren), Geschlecht und Diagnose (ICD 10) angefordert. Berechnet wurde für alle Einzelberufe geschlechtsbezogen das alterstandardisierte Morbiditätsratio (SMR) für das Auftreten von AU-Fällen durch MSE. Berücksichtigt wurden Diagnosen mit einem SMR >1,5 und einer Fehlerbreite des Effektschätzer <50%. Ergebnisse: Der Datenbestand beinhaltet ca. 24 Mio. erwerbstätig Versicherte (12,4 Mio. Männer, 11,6 Mio. Frauen) und umfasst ca. 90% der sozialversicherungspflichtigen Erwerbstätigen in 2008. Erhöhte Risiken für das Auftreten von AU-Fällen durch MSE fanden sich bei Frauen insbesondere bei Tätigkeiten als Raum- und Hausratreiniger, Krankenpflegehelfer, Köchin, hauswirtschaftliche Betreuer, Warenprüfer, Lagerverwalter, Magaziner und Postverteiler. Bei Männern waren Kunststoffverarbeiter, Warenaufmacher, Versandfertigmacher Metallarbeiter, Lager- und Transportarbeiter, Straßenreiniger, Montierer und Elektroteilemontierer, Wurstwarenhersteller, Straßenbauer und Waldarbeiter stark betroffen. Arbeitsunfähigkeit war in diesen Berufen vorrangig bedingt durch das Karpaltunnelsyndrom (G56), Arthrosen (M15-M18), Rückenerkrankungen (M47, M53, M54) und sowie Erkrankungen der Sehnen und Sehnenansätze (M65, M75) und Schulterläsionen (M77). Diskussion: Diese Berufsgruppen repräsentieren mit ca. 1,7 Mio. Erwerbstätigen eine große Gruppe, in der auch aktuell Arbeitstätigkeiten mit hohen physischen und manuellen Anforderungen vorherrschen. Solche berufliche Expositionen können die Muskel-Skelett-Erkrankungen direkt verursacht oder bestehende Erkrankungen promoviert haben. Sekundärdatenanalysen geben in dieser Hinsicht nur indirekt Hinweis auf mögliche Zusammenhänge und sind eher Hinweis für die soziale Betroffenheit von Beschäftigen durch AU. Die Auswertung unterstreicht die Notwendigkeit für weitere arbeitsepidemiologische Forschung und den möglichen Nutzen von spezifischen Präventionsmaßnahmen in den Berufen.