Zentralbl Chir 2011; 136(5): 417-419
DOI: 10.1055/s-0031-1283781
Editorial

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart ˙ New York

25 Jahre Gefäßchirurgisches Symposium Berlin – Erfolgsgeschichte eines interdisziplinären gefäßmedizinischen Forums

Twenty-Five Years of “Vascular Surgical Symposia” in Berlin – Numerous Successful Meetings for Interdisciplinary Vascular Medical DiscussionsF. Meyer1 , W. Hepp2
  • 1Universitätsklinikum Magdeburg A. ö. R., Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie, Magdeburg, Deutschland
  • 2Haaner Straße 114, 42719 Solingen, Deutschland
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Publication Date:
18 October 2011 (online)

Es besteht in der vorliegenden Ausgabe die seitens des „Managing editor“ geschätzte und wiederholte Option, im „Zentralblatt für Chirurgie“ ein gefäßchirurgisches Themenheft zu gestalten, was in gedruckter Form die Schrittmacherthemen des letzten, alljährlich ausgerichteten Gefäßchirurgischen Symposiums in Berlin, das stets im November des laufenden Jahres stattfindet, beinhaltet. 2011 standen vor allem 

„fachübergreifende Aspekte bei der medikamentösen Therapie arterieller und venöser Erkrankungen, Aortenchirurgie, Erkrankungen der Nieren- und Intestinalarterien, gefäßchirurgische Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen, Behandlung des Lymphödems, sowie die Gewebestütz- und Kompressionstherapie“ 1

auf dem Programm. Erneut konnte damit dem Anliegen der Symposiumsorganisatoren Rechnung getragen werden, aktuelle „hot topics“ und in der „Community“ der Gefäßmedizin diskutierte Themen durch Programmgestaltung und Wahl der Vortragsthemen aufzuwerfen sowie durch eine kompetente Präsentation und angeregte Diskussion erschöpfend und praxisrelevant zu behandeln. Daneben stand das erreichte 25-jahrige Jubiläum des Symposiums thematisch im Vordergrund, das 1986 in einem Gefäßchirurgischen Arbeitskreis begann und sich zum zweitgrößten Gefäßchirurgischen Symposium im deutschsprachigen Raum entwickelte, deren Verdienst insbesondere von Beginn an die interdisziplinäre Ausrichtung der Gefäßmedizin darstellte. Diesem Anspruch entsprach natürlich auch das zu reflektierende Symposium, das in kompetenter Weise die bereits 2009 [2] [3] [4] [5] [6] [7] [8] [9] [10] [11] [12] und 2010 [13] [14] [15] [16] weiter etablierten und umgesetzten Tendenzen einer auszuweisenden Interdisziplinarität in der Gefäßmedizin mit ihren Säulen des arteriellen, venösen und Lympfgefäßsystems fortsetzte. 

Das Ziel des vorliegenden Editorials ist es, in kurzer kompakter Form die selektiv herausgestellten Themen, zweifellos Höhepunkte im Kongressprogramm aufgrund ihrer Originalität, des Kongressvortrags und der präsentierenden Autoren, und ihre artikeltechnische / druckpublizistische Umsetzung zu umreißen und angezeigte Aspekte zu kommentieren. 

Voranzustellen ist die Originalarbeit von Verhoeven et al. aus dem Klinikum Nürnberg Süd, die über die „ersten 50 endovaskulären thorakoabdominellen Behandlungen mit Seitenarmprothesen“ (d. h. fenestrierte und mit Seitenarmen versehene Stentprothesen für komplexere Aortenaneurysmata mit Beteiligung der Viszeralarterienabgänge) berichten, die trotz der noch notwendigen Betrachtung einer längeren postinterventionellen Verlaufsbeobachtung (bisher: 2 Jahre; nach vorheriger Demonstration als „durchführbar“ berichtet) nunmehr als hoffnungsvoll und vielversprechend (technischer Erfolg: 92 % [bei primären technischen Zusatzmaßnahmen] / sonst 88 %; 1 Todesfall „am 1. postoperativen Tag infolge intraoperativer Aortenruptur“; 30-d-Letalität: 8 %), wie es auch die Autoren selbst formulieren, für eine breitere Anwendung bezeichnet wird. Man hat damit eine effektive Behandlungsoption gerade für ein häufig gegebenes Hochrisikoklientel an der Hand, wo „eine offene Operation wegen des Ausmaßes der Erkrankung und der Kombination aus mehreren Risikofaktoren bestehenden Komorbidität“ nicht empfehlenswert ist, wenn auch hier eine Lernkurve in Rechnung zu stellen ist und ein immenser Kostenfaktor infolge der maßgefertigten Prothesen zu Buche schlägt. Wie schon angeklungen, muss eine adäquate Nachsorge den Erfahrungswert kompetent verbessern helfen [17]. 

Rimpler (Berlin-Friedrichshain, Artikel „e-first“) widmete sich in einem als „Sonderbeitrag“ eingereichten Manuskript der Frage, ob „Die Vena renalis sinistra (-) fakultatives oder obligatorisches Präparationsopfer in der Aortenaneurysmachirurgie (?)“ sein kann, was allgemein als ungefährlich gilt. Als wünschenswert klare Empfehlung wird eine Rekonstruktion bei einem Druck von > 60 mmHg im Nierenvenenstumpf (blutige Messung) angegeben, wie auch von Calligaro et al. (siehe Artikel) schon publiziert. 

Wenk verfolgte in einem „Single“-Autorenartikel die Thematik „Was bleibt für den Gefäßchirurgen an Nierenarterienchirurgie übrig?“, nachdem in den „Hochzeiten“ der 70er und 80er Jahre „in den 90er-Jahren zunehmend PTA und Stent eingesetzt“ wurden. Dabei kommt er zu dem Schluss, dass für die Behandlung ihrer (PTA & Stent) Komplikationen die Operation ihren Stellenwert behält, „gleichwohl bei der Kombinationsoperation renaler und aortoiliakaler Pathologien. Es werden zu Recht „belastbare Daten“ gefordert, die die propagierte „alleinige medikamentöse Behandlung“ dann auch rechtfertigen.

Fast komplementär hierzu ist der Beitrag von J. Kron (KfH-Nierenzentrum Berlin-Köpenick) zu nennen, der unter der zu verfolgenden Zielstellung „Was erwartet der Nephrologe von der invasiven Therapie der Nierenarterienstenose?“ argumentiert, sie sei kontraindiziert „bei fortgeschrittener mikrovaskulärer Nephropathie und fortgeschrittener Niereninsuffizienz“, da „risikoreich und sinnlos“. Es wird die „Herausforderung für Nephrologen und Hausärzte“ formuliert, die „Grundlage der Therapie der vaskulären Nephropathie ist und bleibt eine optimale Therapie“ in Anlehnung an Losito et al. (siehe Artikel). 

Der nicht unbeträchtliche Teil der vorgestellten „Nierengefäßmedizin“ als eines der Hauptthemen des Symposiums wird abgerundet von Frau Schönefeld aus Münster, die zu „Ist Nephroprotektion durch die Auswahl des Röntgen-Kontrastmittels im Rahmen von Gefäßinterventionen bei vorbestehender Niereninsuffizienz möglich?“ eine prospektive Vergleichsstudie (Design; nPatienten = 100) zwischen Iodixanol (nichtionisch, isoosmolar) und Iopromid (niedrig osmolar, monomer) bei vorgeschädigter Nierenfunktion vorstellte. Diese zeigte keinen signifikanten Unterschied – Kreatinin- und GFR-Parameter blieben prä- / postinterventionell konstant: 1,77 mg% / 1,74 mg% bzw. 39,64 ml / min / 45,48 ml / min, womit „unter Kosten-Effektivitätskriterien die Gabe eines niedrig-osmolaren, monomerischen KM eine ausreichende Maßnahme (darstellt) ohne das Risiko einer Kontrastmittel-induzierten Nephropathie (kurz: CIN) zu steigern“. 

Zum Dauerthema „pAVK“ ist die interessante Arbeit von Payrits et al. zur „Vagalen Stimulation (–) als eine neue Möglichkeit zur konservativen Therapie“ bei 31 Patienten (30 Responder) anzuführen, die mittels P-STJM-Gerät realisiert wird und bei 27 Patienten (!) „eine Verlängerung der schmerzfreien Gehstrecke bis zum 100-fachen der Ausgangswerte“ bei einer durchschnittlichen Behandlungsdauer von 6 (Spannbreite: 2–9) Wochen erzielen ließ mit „anhaltender Wirkung“ „nach 4 und nach weiteren 12 Wochen“. Damit werden weit besser „Zuwächse“ der schmerzfreien Gehstrecke berichtet, als „in der Literatur für strukturiertes Gehtraining, Naftidrofuryl oder Cilostazol beschrieben wurden“. Es bleibt gespannt abzuwarten, ob damit „möglicherweise eine neue konservative Therapieoption für Patienten mit pAVK gefunden zu“ sein scheint. 

Interessant in diesem Zusammenhang, wie bereits im letzten Jahr unter den angiologisch-gefäßmedizinischen Themen angeführt, dass „sich gerade in der nichtoperativen, nichtinterventionellen Therapie der pAVK vom Stadium II b“ mit der „neuen Alternativmedikation: Cilostazol [Pletal®]“ [18] (UCB Pharma, Monheim, Deutschland) ein brauchbarer medikamentöser Ansatz, auch im gefäßchirurgischen Patientenklientel, gefunden hat, wie die Magdeburger Gruppe um Halloul (Manuskript Meyer et al.) in einer alltagsbezogenen anwendungsbegleitenden Beobachtungsstudie (n = 40; vorliegende Ergebnisse einer Interimsanalyse) konstatierte. Außerordentlich interessant ist die statistisch ermittelte Tatsache, dass der signifikante Gehstreckenzuwachs (ABI als Parameter ungeeignet) neben teilweiser Verbesserung der Lebensqualität bei Rauchern nicht zu beobachten ist, wohingegen Hypertonie, Diabetes und Adipositas keinen Einfluss auf die positive Cilostazolwirkung aufweisen, was eine nicht unerhebliche Praxisrelevanz besitzt. Es sind in naher Zukunft aufmerksam die Ergebnisse bei erheblich höherer Patientenzahl mit dann weit besser untersetzter Aussagekraft zur Kenntnis zu nehmen. 

Moysidis et Kroeger aus Krefeld geben in einem Übersichtsbeitrag ein Statement „Pro“ hinsichtlich einer Tripeltherapie der dualen Plättchenaggregationshemmung mit ASS und Clopidogrel sowie Cilostazol nach peripheren Interventionen ab, die „hilfreich sein kann“, ohne dass „die Datenlage (bereits) ausgereift“ ist, aber in weiterführender Anlehnung an die Leitlinienerwähnung „der dualen Plättchenhemmung als Option nach Stentplatzierung in distalen Gefäßen“. 

Schließlich geht Naundorf aus der DRK-Klinik Berlin-Köpenick der Frage zu einem möglicherweise vorkommenden „Endoleak Typ II nach operativer Ausschaltung des Poplitealarterienaneurysmas“ (offen-chirurgisch: n = 47 vs. endovaskulär: n = 9) in einer retrospektiven Analyse von 42 Patienten nach: 

n = 42 / 47 mit medialem Zugang + proximale / distale Aneurysmaligatur vs. n = 5 / 47 mit dorsalem Zugang + Aneurysmaexstirpation; n = 2 / 47 persistierende Reperfusionen (Gruppe „medialer Zugang“ mit Rezirkulationsphänomenen via genualer Gefäße – entspricht „Endoleak Typ II“).

Zur Prophylaxe wird die:

Exstirpation, Aneurysmo-Endorrhafie sowie proximale / distale Ligatur + Verschluss genualer Gefäße

empfohlen, zur Korrektur hingegen der Verschluss der das Aneurysma speisenden Gefäße bei jeweils angezeigten postinterventionellen Duplexsonografiekontrollen. 

Naundorfs Artikel realisiert dabei eine geradezu sinnvolle thematische Fortsetzung zum letztjährigen Themenheft, in dem bereits festgestellt wurde: 

„Ein weit häufigeres Krankheitsbild am arteriellen Poplitealsegment stellt das meist asymptomatische Aneurysma der A. poplitea (> 50 % des ursprünglichen Durchmessers) dar (Präsentation: Gruppe Prof. Eckstein – München) mit Therapieindikation > 2 cm, falls asymptomatisch (bei Symptomen sofort). Nach mehr als 50 Jahren gefäßrekonstruktiver Verfahren kommen nunmehr endovaskuläre Therapieformen häufiger zum Einsatz“ [17]. 

Das Symposium war wiederum ein voller Erfolg, das zunehmend in die gestalterische Regie der Hauptorganisatoren Rückert und Klein-Weigel hinüber wuchs. Das beweist das ungebrochene Teilnehmerinteresse. 

Mögen die ausführlichen Artikelversionen der zu den besten Präsentationen gehörenden Themenauswahl dazu beitragen, neben der druckfixierten Nachschlageoption Anregung für die weiterzuführende (Podiums-)Diskussion auf dem im November anstehenden 26. Symposium als auch für zukünftige Leitthemen sowie herausgehobene Einzelbeiträge kommender Symposien sein; den Verantwortlichen dafür eine stets glückliche Hand. 

Literatur

  • 1 Hepp W. 25. Berliner Gefäßchirurgisches Symposium, die zweitgrößte gefäßchirurgische Veranstaltung im deutschsprachigen Raum.  MedReport. 2010;  34 1
  • 2 Gäbel G, Pyrc J, Hinterseher I et al. Arterielle Gefäßverletzungen im Rahmen offener Frakturen – Management und Versorgung.  Zentralbl Chir. 2009;  134 292-297
  • 3 Amann B, Lüdemann C, Ratei R et al. Extremitätenerhalt durch autologe Knochenmarksstammzelltransplantation zur Induktion der Arteriogenese bei kritischer, nicht-revaskularisierbarer Extremitätenischämie.  Zentralbl Chir. 2009;  134 298-304
  • 4 Sagban A, Schiegel E, Pfeiffer T et al. Entwicklung neointimaler Matrix nach Einheilen moderner Prothesen: Vergleich zwischen ePTFE und Dacron.  Zentralbl Chir. 2009;  134 305-309
  • 5 Schönefeld E, Schönefeld T, Osada N et al. Lange femoro-popliteale Läsionen erfordern lange Stents – erste Erfahrungen mit 128 Protégé-Stents.  Zentralbl Chir. 2009;  134 310-315
  • 6 Botsios S, Schmidt A, Klaeffling C et al. Die endovaskuläre Behandlung von Bauchaortenaneurysmen bei älteren Patienten (≥80 Jahre).  Zentralbl Chir. 2009;  134 325-329
  • 7 Tsilimparis N, Laipple A, Yousefi S et al. Stellenwert der endovaskulären Therapie bei Reeingriffen nach Ausschaltung aortoiliakaler Aneurysmata.  Zentralbl Chir. 2009;  134 331-337
  • 8 Grotemeyer D, Iskandar F, Voshege M et al. Der retrograde aorto-mesenteriale Bypass mit links retrorenalem Verlauf („französischer Bypass“) bei der Behandlung der akuten und chronischen viszeralen Ischämie.  Zentralbl Chir. 2009;  134 338-344
  • 9 Schuld J, Richter S, Moussavian M R et al. Venöses Portsystem. Implantation in Vollnarkose oder Lokalanästhesie? Eine retrospektive Aufwandsanalyse.  Zentralbl Chir. 2009;  134 345-349
  • 10 Aspacher F, Vogel P. Laparoskopische, minimalinvasive Techniken in der Gefäßchirurgie: Beispiel Dunbar-Syndrom (Truncus-coeliacus-Kompressionssyndrom).  Zentralbl Chir. 2009;  134 357-361
  • 11 Halloul Z, Weber M, Steinbach J et al. Erfolgreiche offen-chirurgische, suprazöliakale Bifurkationsprothesenimplantation mit simultaner prothetomesenterialer und -renaler Revaskularisation bei hohem Leriche-Syndrom.  Zentralbl Chir. 2009;  134 316-321
  • 12 Tautenhahn J, Meyer F, Pech M et al. Diagnostik und Therapie der Karotidynie als seltenes Krankheitsbild.  Zentralbl Chir. 2009;  134 322-324
  • 13 Klein-Weigel P. Spinal Cord Stimulation – Evidenz und eigene Erfahrungen.  Zentralbl Chir. 2010;  135 359-362
  • 14 Zimmermann A, Wendorff H, Roenneberg C et al. Das Poplitealarterienaneurysma – chirurgische und endovaskuläre Therapie.  Zentralbl Chir. 2010;  135 363-368
  • 15 Naundorf M. Die Zystische Adventitiadegeneration (ZyAD) der Arteria poplitea.  Zentralbl Chir. 2010;  135 369-371
  • 16 Halloul Z, Tautenhahn J, Weber M et al. Seltenes Aneurysma der V. poplitea.  Zentralbl Chir. 2010;  135 372-374
  • 17 Pfister K, Krammer S, Janotta M et al. Welche Nachkontrolle ist bei endovaskulärer Versorgung von abdominellen Aortenaneurysmen empfehlenswert?.  Zentralbl Chir. 2010;  135 409-415
  • 18 Hepp W, Meyer F. Editorial: Operativ relevante venöse Erkrankungen und stadienadaptierte konservative pAVK-Therapie – Leitthemen des jüngsten Berliner Gefäßchirurgischen Symposiums (neues Interesse an etablierten Themenkomplexen).  Zentralbl Chir. 2010;  135 357-358

Prof. Dr. W. Hepp 

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