Rehabilitation (Stuttg) 2012; 51(04): 229-236
DOI: 10.1055/s-0031-1285917
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Akzeptanz und Praktikabilität der Reha-Therapiestandards für die Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenks-Totalendoprothese (TEP) – Ergebnisse einer Anwenderbefragung zur Pilotversion

Acceptance and Practicability of the Rehab Therapy Standards for Rehabilitation after Total Hip and Knee Arthroplasty – Findings of a User Survey of the Pilot Version
A. Spieser
1   Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin
,
O. Mittag
1   Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin
,
S. Brüggemann
2   Deutsche Rentenversicherung Bund, Bereich Reha-Wissenschaften, Berlin
,
W. H. Jäckel
1   Universitätsklinikum Freiburg, Abteilung für Qualitätsmanagement und Sozialmedizin
3   RehaKlinikum und Hochrhein-Institut, Bad Säckingen
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Publication History

Publication Date:
28 November 2011 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund:

Die Implementierung der Pilotversion der Reha-Therapiestandards für die Rehabilitation nach Hüft- und Kniegelenksendototalprothesen (TEP) war mit einer Anwenderbefragung verbunden, die den Rehabilitationseinrichtungen die Gelegenheit gab, die neuen Therapiestandards zu bewerten, Rückmeldungen zu ihrer Umsetzbarkeit zu geben und Veränderungen anzuregen.

Methodik:

Anfang 2010 wurden 160 Rehabilitationseinrichtungen angeschrieben, die im Jahr 2008 mindestens 50 Rehabilitanden der DRV nach Hüft- oder Knie-TEP im AHB-Verfahren (Anschlussrehabilitation) behandelt hatten. Zusammen mit den Fragebogen erhielten die Einrichtungen Rückmeldungen zu ihren Leistungsdaten 2008 nach der Klassifikation therapeutischer Leistungen (KTL), welche den Grad der Erfüllung der Anforderungen der Therapiestandards widerspiegeln.

Ergebnisse:

Die Rücklaufquote betrug 69%. Nach Ansicht der überwiegenden Anzahl der befragten Einrichtungen erfüllen die Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP die Qualitätsmerkmale „Wissenschaftliche Fundierung (Evidenz)“, „Relevanz für die tägliche Arbeit“, „Aktualität“ sowie „Inter- und multidisziplinäre Erstellung“. Es bestanden keine signifikanten Unterschiede zwischen Einrichtungen, die bisher einen niedrigen oder hohen Erfüllungsgrad der Anforderungen hatten, bezüglich der Bewertung dieser globalen Qualitätskriterien. Den Umfang der Therapiestandards sowie der Ausführung der evidenzbasierten Therapiemodule (ETM) bewerteten fast alle Anwender als angemessen. Auch Struktur, Ausführlichkeit und Verständlichkeit der ETM wurden positiv bewertet. Zwischen 55% und 94% der Anwender waren mit der Zuordnung der KTL-Leistungen zu den beschriebenen Inhalten der ETM einverstanden. In 8 von 13 Therapiemodulen hielten über zwei Drittel der Anwender die Mindestanforderungen für angemessen. Bei dem ETM „Bewegungsschiene“ wurde die Indikation nur für Knie-TEP vorgeschlagen. Die Indikation für Therapiemodule aus dem psychologischen und sozialen Bereich wurde hinterfragt. Als Hauptgründe für das Nichterreichen der Leistungsanforderungen im Jahr 2008 wurden am häufigsten genannt: Verschlüsselungsprobleme, die Leistungen des ETM seien häufig nicht notwendig, zu hohe Anforderungen sowie Kontraindikationen und Personalmangel. Mit der Einführung der Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP verbanden die Rehabilitationseinrichtungen sowohl positive als auch negative Erwartungen; zusätzlich wurde der Aufwand interner Umstrukturierungen thematisiert.

Diskussion:

Die Ergebnisse der Anwenderbefragung zeigen eine grundsätzliche Akzeptanz des Konzepts und seiner Umsetzung. Kritisch wurden vor allem die passive Bewegungstherapie (Bewegungsschiene) sowie die psychologischen Interventionen bewertet. Probleme mit der KTL-Verschlüsselung sollten nicht überbewertet werden, da sich die der Anwenderbefragung zugrunde liegenden KTL-Auswertungen auf den Zeitraum vor Implementierung der Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP beziehen. Die Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP wurden unabhängig vom Grad der bisherigen Erfüllung der Anforderungen bewertet. Das unterstreicht die Bedeutung der Rückmeldungen der Anwender. Sie wurden (teilweise) in der Auswertung der Pilotversion berücksichtigt.

Fazit:

Die Reha-Therapiestandards wurden auf der Basis der Ergebnisse der Anwenderbefragung abschließend überarbeitet: Es wurden Therapiemodule zusammengeführt sowie Anpassungen von Therapieanforderungen und Modifikationen der Inhalte einzelner Therapiemodule vorgenommen. Die Reha-Therapiestandards Hüft- und Knie-TEP stellen sich als grundsätzlich akzeptiert und umsetzbar dar.

Abstract

Background:

Implementation of the pilot version of the rehab therapy standards for rehabilitation following total hip or knee replacement was accompanied by a user survey. This survey allowed rehab centres to comment on the standards and suggest changes.

Methods:

Early 2010 a total of 160 rehab centres that had treated at least 50 German Pension Fund insurees following total hip or knee replacement in 2008 received a written survey together with an overview of performance data according to KTL (Classification of Therapeutic Procedures), data that reflect the degree to which the centres had complied with the requirements of the therapy standards.

Results:

69% of the centres returned the questionnaire. The centres included predominantly agreed that the rehab standards fulfil the quality attributes “scientific foundation (evidence)”, “relevance for day-to-day work”, “up-to-dateness”, and “inter- and multidisciplinary development”. There were no statistically significant differences between centres with previously high or low compliance with the requirements of the standards relative to the ratings given for these global quality criteria. Almost all responders considered comprehensiveness and structure of the standards adequate. Between 55 and 94% found that therapeutic procedures were sufficiently represented by the treatment modules. Minimum percentages of patients requiring the respective treatment were considered adequate for 8 out of 13 modules. Responders suggested restricting continuous passive motion to knee replacement. Psychological interventions were considered less important. Among the main reasons for non-adherence to therapy standards in 2008 were: coding problems, too high demands, contraindications, and shortage of staff. Implementation of the standards was associated with both positive and negative expectations on the part of the rehab centres; an issue raised in addition was the effort involved in internal restructuring.

Discussion:

The results of the user survey show that the concept of the rehab standards and its implementation basically are accepted. Criticism had mainly concerned continuous passive motion and the need for psychological interventions. Coding problems should not be overrated since the underlying performance data referred to a period of time before the standards were implemented. General appraisal of the rehab standards was independent of previous performance. This emphasizes the weight of user feedback. The rehab standards already have been revised in light of the results of the user survey.

 
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