Gesundheitswesen 2012; 74 - A19
DOI: 10.1055/s-0032-1322005

Entwicklung von Geschlechterunterschieden im gesundheitsrelevanten Verhalten Jugendlicher von 2001 bis 2010

J Bucksch 1, E Finne 1, SC Glücks 1, P Kolip 1
  • 1Universität Bielefeld

Hintergrund/Ziel: Verschiedene Studien deuten darauf hin, dass sich diese Differenzen für gesundheitsriskante Verhaltensweisen wie den Alkoholkonsum in den letzten Jahren verringern, für verschiedene gesundheitsförderliche Verhaltensweisen (z.B. Obstkonsum) hingegen über die Zeit persistieren. Zielsetzung dieses Beitrags ist es, Geschlechterdifferenzen in gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen Jugendlicher für Deutschland im zeitlichen Trend zu beschreiben.

Methodik: Für die vorliegende Analyse wurde der deutsche Health-Behaviour in School-aged Children (HBSC) Trendfile herangezogen, der sich aus den Daten der Erhebungen 2001/02 (N=5650), 2005/06 (N=7274) und 2009/10 (N=5005) zusammensetzt. Die Ziehung der Stichprobe erfolgte über eine Zufallsauswahl von Schulklassen allgemeinbildender Schulen der 5., 7. und 9. Klassenstufen. Es wurden die Selbstangaben der Mädchen und Jungen zum Tabakkonsum, Rauschtrinken, Diätverhalten, Gemüse- und Obstkonsum sowie zur Häufigkeit des täglichen Frühstücks und der körperlichen Aktivität aus dem standardisierten Kernfragebogen genutzt. Neben deskriptiven Darstellungen der Geschlechterdifferenz über die Zeit wurden in binären logistischen Regressionsmodellen für Mädchen und Jungen zeitliche Trends in den verschiedenen gesundheitsrelevanten Verhaltensweisen unter Adjustierung von Altersgruppe und familiärem Wohlstand analysiert. Zusätzlich wurde die Interaktion der Variablen Zeit und Geschlecht auf statistische Signifikanz getestet.

Ergebnisse: Die Prävalenzen im Tabakkonsum über die Zeit unterscheiden sich zwischen Mädchen und Jungen kaum. Für das Rauschtrinken nähern sich die Geschlechter über die Zeit leicht an. Beträgt die Differenz 2001/02 noch 4,3 Prozentpunkte liegt sie 2009/10 bei 1,7. Für die körperliche Aktivität bestehen über die Zeit relativ stabile Geschlechterunterschiede zu Ungunsten der Mädchen (Prozentwertunterschied 2001/02: 11,7 vs. 2009/10: 9,9). Bei der Ernährung zeigen sich ebenfalls zeitlich relativ stabile Unterschiede, wobei Mädchen häufiger Mahlzeiten auslassen oder Diäten durchführen, dafür jedoch regelmäßiger Obst und Gemüse essen. Im Trend deutet sich zudem eine leichte Annäherung im Diätverhalten zwischen den Geschlechtern an, die durch eine stärkere Zunahme der Häufigkeit von Diäten bei Jungen begründet ist (OR2010 vs. 2002 (Jungen): 1,27 (1,06–1,53) vs. OR2010 vs. 2002 (Mädchen): 1,09 (0,95–1,26)).

Schlussfolgerungen: Aus sozialkonstruktivistischer Perspektive lässt sich vermuten, dass die Konnotationen des Rauchens und Rauschtrinkens als ausschließlich „männlich“ uneindeutiger geworden sind. Hingegen scheinen das Bewegungs- aber auch das Ernährungsverhalten, relativ stabile geschlechtliche Konnotationen aufzuweisen. Geringfügige Annäherungen im Diätverhalten zwischen den Geschlechtern sind langfristig weiter zu beobachten. Möglicherweise spiegeln sie eine Zunahme der gesellschaftlichen Bedeutung des männlichen Attraktivitätsideals wider.