Gesundheitswesen 2013; 75 - A80
DOI: 10.1055/s-0033-1354062

Lenzgesund – Vom Leuchtturmprojekt in die Perspektivlosigkeit?

W Suess 1
  • 1Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) Institut für Medizinische Soziologie (IMS), Hamburg

Einführung/Hintergrund: Es gibt im Bereich der gemeindeorientierten Gesundheitsförderung und Prävention sowohl den Versuch, einzelne (Modell-)Projekte dauerhaft in die kommunale Praxis zu transferieren oder zumindest die politische Entscheidung für ihre Durchführung positiv zu beeinflussen (Übernahme in Regelversorgung) als auch Anstrengungen, sozialraumorientierte Programme von Gesundheitsförderung und Prävention auf andere Sozialräume und Quartiere in modifizierter Form zu übertragen. Dabei kommt dem Öffentlichen Gesundheitsdienst aus der Public Health-Perspektive eine zentrale Rolle zu. Das sozialräumlich-orientierte Präventionsprogramm „Lenzgesund“ des Öffentlichen Gesundheitsdienstes in Hamburg-Eimsbüttel, Am Beispiel des Präventionsprogramms „Lenzgesund“ das in Hamburg in einem benachteiligten Quartier, der Lenzsiedlung, vom kommunalen Gesundheitsamt federführend durchgeführt wurde, soll auf Probleme und Chancen der Implementation, der Nachhaltigkeit und des Transfers eingegangen werden. Das Quartier war ebenfalls fast 10 Jahre ein Gebiet des Hamburger sozialen Stadtteilentwicklungsprogramms (aktuell RISE). Die programmatischen Ansätze vereinen damit Gesundheitsförderung, Gemeinwesenarbeit und Sozialraumentwicklung und stellen quartiersspezifische Intersektoralität im Sinne ressortübergreifender Kooperation her. Mehr als 10 Jahre quartiersbezogene Gesundheitsförderung in der Lenzsiedlung sind mit dem Begriff „Lenzgesund – Vernetzte frühe Hilfen – rund um Schwangerschaft, Geburt und erste Lebensjahre“ verbunden. Im Sommer 2012 wurde das Präventionsprogramm „Lenzgesund“ durch das Gesundheitsamt Eimsbüttel beendet. Auch das Programm der sozialen Stadtteilentwicklung lief im Sommer 2012 aus. Einst war die Lenzsiedlung Vorzeige- und Leuchtturmprojekt für die Integration von quartiersbezogener Gesundheitsförderung und sozialer Stadtteilentwicklung sowie für die bezirkliche Entwicklungsplanung schlechthin („Gesundes Eimsbüttel“). Die dynamische Entwicklung und Umsetzung des Präventionsprogramms „Lenzgesund“ wurde für fast 8 Jahre durch das Institut für Medizinische Soziologie am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) im Rahmen des BMBF-Förderschwerpunktes „Präventionsforschung“ wissenschaftlich begleitet (FKZ: 01 EL 0812). Zahlreiche Ergebnisse aus Teilstudien und dem Gesamtprojekt wurden bereits publiziert und auf Fachtagungen präsentiert. Forschungsfragen/Diskussionsfragen: Was sind die förderlichen und hemmenden Faktoren in diesen politischen Transferprozessen? Wie können sie so beeinflusst werden, dass die Implementationschancen der Interventionsansätze nachhaltig verbessert werden? Bilanz und Perspektiven: Was ist passiert? In diesem Beitrag sollen die verschiedenen Faktoren und Bedingungen erläutert werden, die zu diesem Ergebnis der Programmbeendigung geführt haben. Dabei sind sowohl zufällige Ereignisse als auch politische Entscheidungen maßgeblich von Bedeutung für die Entwicklung. Welche Perspektiven gibt es? Diskutiert werden sollen Möglichkeiten und Ansätze von Perspektiven für die Lenzsiedlung, die aufzeigen, was förderliche und hemmende Faktoren für die dauerhafte Implementation sozialraumorientierter Gesundheitsförderung für benachteiligte Menschen und ihre Quartiere sind (Nachhaltigkeit, Transfer in andere soziale Räume, Intersektoralität und Vernetzung. Schlussfolgerung und Diskussion: Denn die meisten sozialen und gesundheitlichen Probleme jenseits der baulich-räumlichen Ebene bleiben auch nach der Beendigung der Programme bestehen, da sie nur eingeschränkt sozialkompensatorisch angegangen werden können. Sozialraumorientierte Gesundheitsförderung erfordert eigentlich eine kontinuierliche professionelle Begleitung im Sinne eines kommunalen Gesundheitsförderungsmanagements, damit nach Programmbeendigung eine nachhaltige Verstetigung vor dem Hintergrund aufgebauter Strukturen und entwickelter Kapazitäten weitergeführt und ein ebenso nachhaltiger Transfer in andere Kommunen und Quartiere geleistet werden kann. Das könnte zukünftig verstärkt eine Aufgabe für die kommunalen Gesundheitsämter sein, allerdings mit einem intersektoralen bzw. ressortübergreifenden Ansatz.