Anästhesiol Intensivmed Notfallmed Schmerzther 2003; 38(4): 215-225
DOI: 10.1055/s-2003-38217
Historische Einführung
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Kurze Geschichte der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin (DGAI)

A Short History of the German Society of Anaesthesiology and Intensive Care Medicine (DGAI)L.  Brandt1 , M.  Goerig2
  • 1Zentrum Anästhesiologie, Helios Klinikum Wuppertal, Klinikum der Universität Witten/Herdecke
  • 2Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf
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Publication History

Publication Date:
26 March 2003 (online)

Die Forderung nach in der Verabreichung von Narkosen qualifizierten Ärzten ist so alt wie die moderne Anästhesie selbst, als deren Geburtstag wir heute allgemein den 16. Oktober 1846 akzeptieren. Bereits ein Jahr später gab es zwar bereits Ärzte, welche sich ausschließlich der Durchführung und Fortentwicklung von Narkosetechniken widmeten, die Etablierung des Fachgebietes Anästhesie gelang jedoch auch in den angelsächsischen Ländern erst kurz vor der Wende vom 19. zum 20. bzw. erst Anfang des 20 Jahrhunderts.

Zur Ehrenrettung unserer chirurgischen Kollegen muss allerdings eingeräumt werden, dass es auch in Deutschland bereits im 19. Jahrhundert Stimmen gab, welche ein selbständiges Fachgebiet Anästhesie forderten. Allen voran Carl Ludwig Schleich, der schon in der ersten Ausgabe seiner „Schmerzlosen Operationen” im Jahre 1894 forderte, den „Unterricht in der Anwendung der Narkose” in das Medizinstudium aufzunehmen und die Anästhesie an den Kliniken von Fachleuten durchführen zu lassen.

Es dauerte fast noch ein halbes Jahrhundert, bis es 1953 zur Gründung einer Narkosegesellschaft in Deutschland kam, deren Jubiläum wir in diesem Jahr feiern. In diesem Beitrag soll nochmals an einige der zum Teil Jahrzehnte zurück reichenden Bemühungen erinnert werden, die am 10. April 1953 in München zur Gründung der Deutschen Gesellschaft für Anaesthesie („DGA”) geführt haben.

Die Etablierung der Fachgesellschaft war damals vor allem das Verdienst engagierter Chirurgen, die erkannt hatten, dass es sich bei der Anästhesie mit ihren hohen Anspruch an physiologische, pharmakologische und technische Kenntnisse um eine medizinische Disziplin handelt, welcher ein ebenbürtiger Platz neben den anderen medizinischen Spezialgebieten zukommen müsse. Dabei hatte man ursprünglich noch keineswegs an eine völlige Trennung von der Chirurgie oder gar die verantwortliche Gleichstellung mit den Chirurgen gedacht. Der den 70. Deutschen Chirurgenkongress präsidierende Chirurg Eduard Borchers aus Aachen unterstrich diese Auffassung in seiner Eröffnungsrede auf der zweiten wissenschaftlichen Sitzung der neu gegründeten Gesellschaft am 11. April, welche (noch) gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie abgehalten wurde. Er brachte hierbei zum Ausdruck, dass es in Deutschland gelungen sei eine Abspaltung der Anästhesisten von den Chirurgen zu vermeiden. In seiner Erwiderung betonte der erste Vorsitzende der DGA, Heinz-Joachim Bark aus der Klinik Wehrawald in Todtmoos, dass der Wille der Anästhesisten, ihren festen Zusammenhang mit den Chirurgen zu behalten, auch weiterhin durch den Zusammenschluss der Kongresse zum Ausdruck kommen solle. Es sollte deshalb auch noch eine Reihe von Jahren dauern, bis die Doktrin des „Captain of the ship” verlassen und die Anästhesisten als eigenverantwortliche und selbständige Partner unter den Fachärzten eines Krankenhauses akzeptiert wurden.

Literatur

  • 1 Mayrhofer O, Langrehr D. Chirurg und Anästhesist.  Anaesthesist. 1972;  21 148-149
  • 2 Brandt L. Das Berufsbild des Anästhesisten in seiner historischen Entwicklung. Vortrag, 7. Internationale Sylter Woche der Anästhesie 1993
  • 3 Goerig M, Schulte am Esch J. Helmut Schmidt - Ein Protagonist moderner Anästhesie in Deutschland.  AINS. 1996;  31 621-631
  • 4 Schmidt H. Inhalation or injection narcosis? The development of the speciality of anesthesia in Germany.  Current Res Anesth Analg. 1929;  1-2 20-23
  • 5 Killian H. Das Abenteuer der Narkose. Grabert-Verlag Tübingen 1976
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  • 9 Frey R. Bericht über die Sondersitzung „Moderne Anästhesie” des 69. Deutschen Chirurgen-Kongresses in München am 17. April 1952.  An„aesthesist. 1952;  1 21-31
  • 10 Frey R, Bauer M, Krabbe E. Bericht über die erste Tagung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesie am 10. und 11. April 1953 im Deutschen Museum in München.  Anaesthesist. 1953;  2 149-156
  • 11 Bräutigam K-H. 40 Jahre „Facharzt für Anästhesie”.  Anästhesiologie und Intensivmedizin. 1993;  34 259-268
  • 12 Lehmann C h. Die Deutsche Gesellschaft für Anästhesie und Wiederbelebung. Gründung und Entwicklung.  Der Anaesthesist. 1967;  16 259-269
  • 13 Opderbecke H W. Historische Vignette. Als der Berufsverband laufen lernte. In: LandauerB, Sorgatz H (Hrsg.) 40 Jahre Berufsverband Deutscher Anaesthesisten. Hermann GmbH Nürnberg 2001: 16-19
  • 14 Opderbecke H W, Weissauer W. Entschließungen - Empfehlungen - Vereinbarungen. Perimed Fachbuchverlagsgesellschaft mbH, Erlangen 1983
  • 15 Horatz K, Stoffregen J. Bericht über das Anästhesistentreffen am 1. Februar in Göttingen.  Der Anaesthesist. 1959;  7 211-213
  • 16 Weißauer W. Arbeitsteilung und Abgrenzung der Verantwortlichkeit zwischen Anästhesist und Operateur.  Der Anaesthesist. 1962;  11 239-256

Univ.-Prof. Dr. med. Ludwig Brandt

Zentrum Anästhesiologie, Helios Klinikum Wuppertal, Klinikum der Universität Witten/Herdecke

Heusnerstraße 40

42283 Wuppertal

Email: lbrandt@wuppertal.helios-kliniken.de

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