Gesundheitswesen 2003; 65(11): 629-635
DOI: 10.1055/s-2003-44623
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Zur Messung der sozialen Ungleichheit im Mikrozensus und Bundes-Gesundheitssurvey

Assessing Social Inequality in Microcensus Data and German National Health Examination SurveyM. Dulon1 , D. Bardehle2 , M. Blettner1
  • 1Medizinische Statistik und Epidemiologie, Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Universität Bielefeld
  • 2Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst Nordrhein-Westfalen, Bielefeld
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Publication Date:
25 November 2003 (online)

Zusammenfassung

Um die Einflüsse von sozialer Ungleichheit auf Gesundheit und Krankheit zu untersuchen, wird vom Öffentlichen Gesundheitsdienst in Deutschland gefordert, in den amtlichen Statistiken auf kommunaler und auf Länderebene eine breitere Datenbasis zu sozialen Indikatoren zu schaffen. In der vorliegenden Arbeit wird untersucht, ob der Datenbestand des Mikrozensus geeignet ist, die sozialen Indikatoren bereitzustellen, um soziale Ungleichheit zu messen. Zur Überprüfung dieser Fragestellung wird die Operationalisierung der Indikatoren des Sozialschichtindex nach Winkler auf die Datenstruktur des Mikrozensus übertragen. Die Ergebnisse der Indexberechnung werden mit den Daten aus dem Bundes-Gesundheitssurvey verglichen. Für die Analysen werden die jeweiligen nordrhein-westfälischen Stichproben aus Mikrozensus bzw. Bundes-Gesundheitssurvey verwendet.

Die Operationalisierung ließ sich für die Indikatoren „Bildung” und „Einkommen” gut auf die Datenstruktur des Mikrozensus übertragen. Weniger gut vergleichbar ist die Operationalisierung für den Indikator „berufliche Stellung”. Dies betrifft einerseits die Klassifikation der beruflichen Stellung von ehemals erwerbstätigen Personen. Betroffen ist aber auch die Gruppe der aktuell Erwerbstätigen, da es sich bei der Erhebung der „beruflichen Stellung” um ein Zusatzmodul handelt, das lediglich in einem 4-jährigen Turnus eingesetzt wird.

Aus methodischer Sicht erweist es sich als problematisch, dass erstens die Bezugsgröße „Haushalt” für den Winkler-Index eine andere ist als im Mikrozensus und sich zudem nur bedingt übertragen lässt, und dass sich zweitens der Hauptverdiener eines Haushalts im Mikrozensus ausgesprochen schwierig identifizieren lässt. Daher erscheint es unter dem gegenwärtigen konzeptionellen Ansatz des Mikrozensus eher angebracht, die berufliche Stellung als Individualmerkmal einzuordnen.

Abstract

To analyse the impact of social inequality on health and illness public health officials in Germany request for more data on socio-demographic indicators in official population statistics at Federal and State level. The aim of the study was to examine whether the national sample census Microcensus is suitable for scaling social inequality. For this purpose, coding instructions for calculating social strata index by Winkler were applied to databases of the Microcensus. The results were compared with the German Health Survey, because social data of this survey are already scaled according to the coding instruction for social strata index by Winkler. Data analyses were based on subgroups of North Rhine-Westphalia originated from national samples of Microcensus and German Health Survey.

For index indicators „education” and „income” coding structure was transferred to databases of Microcensus without any problems. For index indicator „occupational status” occupational groups were less comparable. This refers to the classification of the occupational status of formerly employed people. However this limitation applies also to employees because the modul for „occupational status” is assessed only on a four-year basis.

From a methodical point of view it seems to be a problem that „household” has a different meaning in the index by Winkler and Microcensus and is only partly transferable to Microcensus databases. Additionally, identification of the main income earner of the household proved extremly difficult. Therefore, at the present conceptional stage of Microcensus it seems appropriate to classify occupational status as an individual criterion.

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Dr. Madeleine Dulon

Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW), Abteilung Grundlagen der Prävention und Rehabilitation, Bereich Epidemiologie

Pappelallee 35/37

22089 Hamburg

Email: madeleine.dulon@bgw-online.de

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