Psychother Psychosom Med Psychol 2004; 54(2): 58-64
DOI: 10.1055/s-2003-812612
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Inanspruchnahme psychosomatischer Nachsorge nach stationärer Rehabilitation

Participation in Psychosomatic Outpatient Care After In-Patient RehabilitationAxel  Kobelt1 , Lucienne  Nickel2 , Eberhard  Virtus  Grosch1 , Friedhelm  Lamprecht2 , Hans-Werner  Künsebeck2
  • 1Ärztlicher Dienst, Landerversicherungsanstalt Hannover
  • 2Abteilung Psychosomatik und Psychotherapie, Medizinische Hochschule Hannover
Further Information

Publication History

Eingegangen: 10. April 2003

Angenommen: 3. September 2003

Publication Date:
11 February 2004 (online)

Zusammenfassung

Fragestellung: Nachdem bereits die Effektivität der ambulanten Nachsorge in mehreren Veröffentlichungen untersucht wurde, beschäftigt sich die vorliegende Arbeit mit der Frage, welche Rehabilitanden das Angebot einer ambulanten psychosomatischen Nachsorge in Anspruch nehmen und wie sie gegenüber Nichtteilnehmern zu charakterisieren sind. Gleichzeitig wurde ein Vorhersagemodell getestet, das Aussagen darüber zulässt, welche Versicherten an einer ambulanten Nachsorge teilnehmen. Anhand einer Nachbefragung wurden darüber hinaus die Gründe für eine Nichtteilnahme erfragt. Ergebnisse: Insgesamt nahmen 68 von 187 Versicherten (36,4 %) der LVA Hannover, die sich zuvor einer stationären psychosomatischen Rehabilitationsmaßnahme unterzogen hatten, an der Nachsorge teil. Die Teilnehmer waren zu Beginn und am Ende der stationären Heilbehandlung depressiver als die Nichtteilnehmer und blieben im Durchschnitt eine Woche länger in der stationären Behandlung. Sie waren partnerschaftlich weniger gebunden und hatten häufiger eine Psychotherapieempfehlung zur Nachbehandlung erhalten. Die Nichtteilnehmer waren wesentlich unzufriedener mit der stationären Rehabilitation und wiesen längere Arbeitsunfähigkeitszeiten im Vorjahr der stationären Rehabilitation auf. In der Nachbefragung gaben die Nichtteilnehmer an, dass sie lieber Einzelgespräche wahrgenommen hätten und außerdem in einem guten sozialen Umfeld leben würden. Diskussion: Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmer der ambulanten psychosomatischen Nachsorge in ihren Aktivitäts- und Partizipationsmöglichkeiten deutlicher eingeschränkt sind als die Vergleichsgruppe. Gleichzeitig werden die Gründe, an der ambulanten psychosomatischen Nachsorge nicht teilzunehmen sowie der Wunsch nach Einzelgesprächen vor dem Hintergrund des Rehabilitationsauftrags der Rentenversicherung und der Akzeptanz von Gruppenangeboten allgemein kritisch diskutiert.

Abstract

Questions: The effectiveness of outpatient after-care has been widely researched. This publication now deals with the questions as to which patients make use of outpatient psychosomatic after-care and how they can be characterized compared to non-participants. Moreover, this article presents the results of a prognosis model that has been tested with the aim of predicting which insurants will participate in outpatient after-care. Non-participants have been inverviewed and their reasons for non-participation have been analyzed. Results: The total number of participants in after-care was N = 68 (36.4 %) of 187 insurants. They were more depressed than non-participants, both at the beginning and at the end of in-patient treatment, and on average stayed a week longer in in-patient therapy. Fewer of them had partners and more of them had been given psychotherapeutical recommendations for after-care. Non-participants were unable to work for longer periods in the year previous to hospitalization and were much more dissatisfied with in-patient rehabilitation. In the subsequent interviews the non-participants stated that they would have preferred to meet their psychotherapists for individual sessions and to live in a good social environment. Discussion: The results of this study show that the participants of outpatient psychosomatic after-care are more restricted in their activity and participation than the controlgroup. At hte same time the reasons not to participate and the request for individual psychotherapy are discussed on the basis of the aims of pension insurances and the general acceptance of group psychotherapy.

Literatur

  • 1 Kobelt A, Grosch E, Lamprecht F. Ambulante psychosomatische Nachsorge. Integratives Trainingsprogramm nach stationärer Rehabilitation. Stuttgart; Schattauer 2002
  • 2 Lamprecht F, Kobelt A, Künsebeck H W, Grosch E, Schmid-Ott G. Ergebnisse der 1-Jahres-Katamnese einer ambulanten wohnortnahen Nachsorge nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation.  Psychother Psych Med. 1999;  49 387-391
  • 3 Herschbach P. Über den Unterschied zwischen Kranken und Patienten.  Psychother Psych Med. 1995;  45 83-89
  • 4 Meller I, Fichter M M. Krankheitsverhalten. Inanspruchnahme medizinischer Dienste. In: Fichter MM (Hrsg) Verlauf psychischer Erkrankungen in der Bevölkerung. Berlin; Springer 1990: 232-254
  • 5 Schneider W, Klauer T, Janssen P L, Tetzlaff M. Zum Einfluss der Psychotherapiemotivation auf den Psychotherapieverlauf.  Der Nervenarzt. 1999;  70 240-249
  • 6 Nübling R. Psychotherapiemotivation und Krankheitskonzept. Zur Evaluation psychosomatischer Heilverfahren. Frankfurt; Verlag für akademische Schriften 1992
  • 7 Bürger W, Morfeld M. Gibt es schichtspezifische Benachteiligungen bei der Inanspruchnahme von medizinischen Reha-Maßnahmen?.  Rehabilitation. 1999;  38 134-141
  • 8 Geyer S. Psychotherapie und soziale Ungleichheit. In: Strauß B, Geyer M (Hrsg) Psychotherapie in Zeiten der Veränderung. Historische, kulturelle und gesellschaftliche Hintergründe einer Profession. Opladen; Westdeutscher Verlag 2000: 210-219
  • 9 Schneider W, Basler H D, Beisenherz B. Die Unterschiede bei der Krankheitsbewältigung - Krankheitserleben und Behandlungserwartungen bei stationären Psychotherapiepatienten.  Psycho. 1990;  16 511-520
  • 10 Franz M. Wer nimmt an? - Empirische Einflussfaktoren der Psychotherapieakzeptanz. In: Lamprecht F, Johnen R Salutogenese. Ein neues Konzept in der Psychosomatik?. Frankfurt; Verlag für akademische Schriften 1994: 284-298
  • 11 Manz R. Social support. In: Schepank H (Hrsg) Verläufe: Seelische Gesundheit und psychogene Erkrankung heute. Berlin; Springer 1990: 106-119
  • 12 Kobelt A, Schmid-Ott G, Künsebeck H W, Grosch E, Hentschel J, Malewski P, Lamprecht F. Bedingungen erfolgreicher ambulanter Nachsorge nach stationärer psychosomatischer Rehabilitation.  Praxis klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 2000;  52 16-23
  • 13 Harfst T, Koch U, Schulz H. Nachsorgeempfehlung in der psychosomatischen Rehabilitation - Empirische Analyse auf der Basis des einheitlichen Entlassungsberichts der Rentenversicherungsträger.  Rehabilitation. 2002;  41 407-414
  • 14 Waltz E M. Soziale Faktoren bei der Entstehung und Bewältigung von Krankheit - ein Überblick über die empirische Literatur. In: Badura B (Hrsg) Soziale Unterstützung und chronische Krankheit. Zum Stand sozialepidemiologischer Forschung. Frankfurt; Suhrkamp 1981: 40-119
  • 15 Manz R. Konfundierungseffekte in sozialwissenschaftlichen Untersuchungen und deren Kontrolle am Beispiel Persönlichkeit, soziale Unterstützung und psychische Erkrankung.  Psychother Psych Med. 1997;  47 198-205
  • 16 Hillert A, Staedtke D, Cuntz U. Bei welchen psychosomatischen Patienten sind berufsbezogene Therapiebausteine indiziert? Therapeutenentscheidung und operationalisierte Zuweisungskriterien im Vergleich.  Rehabilitation. 2001;  40 200-207
  • 17 Bürger W. Hilft stationäre psychosomatische Rehabilitation im Arbeitsleben? Eine Längsschnittuntersuchung zum Erfolg stationärer psychosomatischer Rehabilitation im beruflichen Bereich.  Praxis klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 1998;  44 60-76
  • 18 Beutel M, Kayser E, Vorndran A, Farley A, Bleicher F. Die integrierte berufliche Belastungserprobung in der medizinischen Rehabilitation - Erfahrungen und Perspektiven am Beispiel der psychosomatischen Rehabilitation.  Rehabilitation. 1998;  37 85-92
  • 19 Schneider E, Olbrich D. Psychosomatische Rehabilitation bei Störungen am Bewegungsorgan - Erkundungsstudie zu einem indikativen Therapieprogramm.  Rehabilitation. 1996;  35 215-223
  • 20 Kieser J, Schmidt J, Krambeck P, Nübling R, Wittmann W W. Psychosomatische Rehabilitation mit integrierter Berufstherapie (berufliche Belastungserprobung): Ergebnisse einer Evaluationsstudie.  Praxis klinische Verhaltensmedizin und Rehabilitation. 2000;  52 48-56
  • 21 Weber A, Weber U, Raspe H. Medizinische Rehabilitation bei Langzeitarbeitsunfähigkeit.  Rehabilitation. 1999;  38 220-226

Dr. Axel Kobelt

Landesversicherungsanstalt Hannover · Ärztlicher Dienst

Lange Weihe 2

30880 Laatzen

Email: axel.kobelt@lva-hannover.de

    >