Laryngorhinootologie 2006; 85(11): 832-833
DOI: 10.1055/s-2006-944800
Gutachten + Recht
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Abgrenzung von Berufskrankheit und Arbeitsunfall bei Schwerhörigkeit nach Knalltrauma

Bundessozialgericht, Urteil vom 12. 4. 2005 - B 2 U 6/04 RDifferentiation of Occupational Disease and Occupational Accident with Deafness after Muzzle Blast TraumaO.  Walter1 , A.  Wienke1
  • 1Fachanwälte für Medizinrecht, Wienke & Becker - Köln
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Publication Date:
06 November 2006 (online)

Sachverhalt

Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 12. 4. 2005 über den Anspruch eines Arbeiters auf Verletztenrente wegen der Folgen einer von der Berufsgenossenschaft anerkannten Berufskrankheit (Lärmschwerhörigkeit) entschieden. Der Kläger arbeitete als Schlosser über 15 Jahre zunächst im Fahrgestellrahmenbau und anschließend ab 1985 als Erprobungshelfer in der wehrtechnischen Dienststelle für Truppengerät. Während der Tätigkeit im Fahrgestellrahmenbau lagen Dauerlärmeinwirkungen vor. Demgegenüber waren bei der wehrtechnischen Dienststelle keine derartigen Dauereinflüsse zu verzeichnen, die einen Lärmschaden hätten versuchen können. Allerdings erlitt der Kläger im Jahre 1997 und 2001 zwei Knalltraumen. Ursache hierfür war einmal eine Fehlzündung eines vorbeifahrenden Panzers; im anderen Fall war eine Auffangwanne für Späne in unmittelbarer Nähe zum Kläger zu Boden gefallen. Diese Knalltraumen führten zu einem weiteren Hörverlust.

Auf Grund einer bereits 1976 erstatteten ärztlichen Anzeige über die Berufskrankheit einer Lärmschwerhörigkeit erkannte die beklagte Berufsgenossenschaft das Bestehen dieser Berufskrankheit zwar an, lehnte die Gewährung einer Verletztenrente jedoch ab, weil die Minderung der Erwerbstätigkeit wegen des berufsbedingten Hörverlusts weniger als 10 % betrage; dies sei jedoch die Schwelle, die überschritten werden müsse, damit eine Verletztenrente wegen einer Berufskrankheit überhaupt in Betracht komme. Auf einen Verschlimmerungsantrag des Klägers, den dieser im Anschluss an das erste Knalltrauma im Jahre 1997 stellte, holte die Berufsgenossenschaft Auskünfte der wehrtechnischen Dienststelle sowie ihres technischen Aufsichtsdienstes ein. Nach Beiziehung eines HNO-fachärztlichen Gutachtens lehnte die Berufsgenossenschaft die Gewährung einer Verletztenrente erneut ab, da die nach wie vor bestehende Lärmschwerhörigkeit beidseits eine MdE von unter 10 % bedinge. Hiergegen klagte der Schlosser und legte gegen die ablehnenden Entscheidungen des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts Revision beim Bundessozialgericht ein.

Das Sozialgericht und das Landessozialgericht hatten ihre abweisenden Entscheidungen damit begründet, dass es auf die Folgen der Knalltraumen nicht ankomme, weil diese nicht als Berufskrankheit im Sinne der Berufskrankheitenverordnung (BKV), Anlage Nr. 2301 („Lärmschwerhörigkeit”) zu bewerten seien. Ein Knalltrauma sei nur dann als Berufskrankheit einzuordnen, wenn es in einen Zeitraum falle, in dem ohnehin Lärmeinwirkungen über einen längeren Zeitraum vorlägen, deren ermittelter Beurteilungspegel den Voraussetzungen der Beschreibung der Berufskrankheit „Lärmschwerhörigkeit” (BK 2301) entspreche. In der Begründung der Berufskrankheitenverordnung heißt es, dass bei einem Beurteilungspegel von 90 dB (A) und mehr sowie lang dauernder Einwirkung für einen beträchtlichen Teil der Betroffenen die Gefahr einer Gehörschädigung bestehe. Gehörschäden könnten jedoch auch bereits durch Lärm verursacht werden, dessen Beurteilungspegel den Wert von 85 dB (A) erreiche oder überschreite. Der Hinweis auf die besondere Bedeutung des Beurteilungspegels deute nach Auffassung des Sozialgerichts und des Landessozialgerichts darauf hin, dass ein Knalltrauma durch einmalige Lärmeinwirkung ohne für eine Lärmschwerhörigkeit geeigneten Dauerlärm über einen längeren Zeitraum nicht die Voraussetzungen einer Berufskrankheit erfülle.

Der Kläger erwiderte, dass jedenfalls dann ein Knalltrauma als Berufskrankheit bewertet werden müsse, wenn - wie bei ihm - das Gehör bereits anerkanntermaßen durch beruflichen Lärm vorgeschädigt sei. Es sei unstreitig, dass eine „Lärmschwerhörigkeit” zur Entschädigung führen müsse. Die BK 2301 summiere jeglichen Lärmschaden, so dass bei Vorliegen einer berufsbedingten Lärmschädigung jede weitere Einwirkung nur als einheitliche Verschlimmerung der bereits entstandenen Lärmschwerhörigkeit angesehen werden könne.

Rechtsanwalt O. Walter
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