Gesundheitswesen 2007; 69(2): 63-76
DOI: 10.1055/s-2007-970599
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Betriebliche Gesundheitsförderung in Deutschland - Ergebnisse des IAB-Betriebspanels 2002 und 2004

Work-Site Health Promotion in Germany Results of the IAB - Establishment Panel 2002 and 2004A. Hollederer 1
  • 1Landesinstitut für den Öffentlichen Gesundheitsdienst NRW (lögd)
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Publication Date:
03 April 2007 (online)

Zusammenfassung

Ein Fünftel der Betriebe in Deutschland führte nach Angaben von Arbeitsgebern im IAB-Betriebspanel 2004 Maßnahmen zum Schutz oder zur Förderung der Gesundheit der Beschäftigten auf freiwilliger Basis durch bzw. unterstützte sie finanziell. Der Anteil an gesundheitsfördernden Betrieben lag in allen ostdeutschen Bundesländern sowie in Bayern, im Saarland und in Niedersachsen über dem Durchschnitt. Nordrhein-Westfalen befand sich genau im Mittel. Insgesamt setzte in Ostdeutschland fast ein Viertel und in Westdeutschland knapp ein Fünftel der befragten Betriebe Gesundheitsförderungsmaßnahmen um.

Die betriebliche Gesundheitsförderung ist gemäß den Auswertungen des IAB-Betriebspanels sehr unausgewogen nach Bundesländern, aber auch nach einzelnen Wirtschaftsbranchen und Betriebsgrößenklassen verbreitet. Die betriebliche Gesundheitsförderung konzentriert sich bisher auf große Betriebe und Konzerne. Eine Unterversorgung an betrieblicher Gesundheitsförderung ist vor allem in den Klein- und Kleinstunternehmen und ganz besonders im Gastgewerbe zu konstatieren. In der betrieblichen Gesundheitsförderung dominieren Krankenstandsanalysen und Befragungen über Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz, die in rund 9% bzw. 8% der Betriebe genannt wurden. 6% der Betriebe bieten Kurse zum gesundheitsgerechten Verhalten an. Rund 4% der Betriebe implementierten Gesundheitszirkel und 5% realisierten sonstige Maßnahmen der Gesundheitsförderung. Weitere Korrelationsanalysen ergeben, dass in Betrieben mit Betriebs- oder Personalrat die Verbreitung der betrieblichen Gesundheitsförderung signifikant erhöht war. Der Zusammenhang ist vor allem in kleinenund mittleren Unternehmen (KMU) stark. In der Längsschnittbetrachtung der IAB-Betriebspanel 2002 und 2004 zeigte sich eine hohe Dynamik in der betrieblichen Gesundheitsförderung. Einerseits beendete die Hälfte der in 2002 gesundheitsfördernden Betriebe ihr Engagement in der betrieblichen Gesundheitsförderung bis 2004. Die Nachhaltigkeit bleibt damit eine der größten Herausforderungen der betrieblichen Gesundheitsförderung. Andererseits begannen etwas mehr als ein Zehntel der wiederholt befragten Betriebe Gesundheitsförderungsmaßnahmen in 2004. Der Er-reichungsgrad durch die betriebliche Gesundheitsförderung betrug insgesamt 29% der Betriebe im Längsschnittdatensatz (für die Jahre 2002 und 2004).

Abstract

According to the answers of employers to the representative IAB establishment panel 2004, one-fifth of the companies in Germany voluntarily carried out or financially supported measures for the protection or promotion of the health and well-being of their work force. The proportion of health-promoting companies was above average in all East German federal states as well as in Bavaria, in Saarland and in Lower Saxony. North Rhine-Westphalia was precisely average. In East Germany, almost one-fourth and in West Germany just under one-fifth of all companies surveyed carry out health-promoting measures.Work-site health promotion varies considerably depending on the corresponding federal states, industrial branches and company sizes. Work-site health promotion has ,up to now, been concentrated in big companies and groups. An under-representation of work-site health promotion is observed above all in small and very small companies and particularly in the catering trade. Work-site health promotion was principally determined by analyses of sickness leaves and surveys on health protection in the work place which were mentioned in about 9% and 8% of the companies interviewed. 6% of the companies provided courses on health-relevant ways of behaviour. About 4% of the companies maintain health circles and 5% realised other health promoting measures. Further correlation analyses reveal that in companies with a workers council/staff council, work-site health promotion was significantly much more common. This correlation is especially strong in small and medium-size companies.

The longitudinal analysis of the IAB establishment panel 2002 and 2004 reveals much dynamism in work-site health promotion. On the one hand, half of the companies involved in work-site health promotion in 2002 had stopped their commitment to work-site health promotion by 2004. Sustainability remains one of the biggest challenges in work-site health promotion. On the other hand, a bit more than one tenth of the repeatedly interviewed companies started health-promoting activities in 2004. According to the longitudinal data set, altogether 29% of the companies were reached by work-site health promotion measures (for the years 2002 and 2004).

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