Laryngorhinootologie 1999; 78(7): 387-393
DOI: 10.1055/s-2007-996893
Otologie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Neuere experimentelle und klinische Erkenntnisse zur Frage einer interlabyrinthären Verbindung*

Earlier and Recent Findings on the Issue of an Interlabyrinthine ConnectionL. Schreiner
  • Hals-Nasen-Ohrenabteilung des akademischen Lehrkrankenhauses der Technischen Universität München, Kreiskrankenhaus München-Pasing (ehem. Chefarzt: Prof. Dr. Lorenz Schreiner)
* Herrn Prof. Dr. Dr. Sigurd Rauch in Dankbarkeit und Verehrung gewidmet, der mit Prof. Dr. Meyer zu Gottesberge 1963 die Arbeitsgemeinschaft für Innenohrbiologie (jetzt: Intern. Workshop on Inner Ear Biology) gegründet hat.
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Publication History

Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund: 1961 fand Schreiner bei seinen experimentellen Untersuchungen über die Herkunft und Bildungsstätte der Perilymphe, die er mit radioaktiven Stoffen durchführte, als überraschenden Nebenbefund einen schnellen Stoffaustausch zwischen den Perilymphräumen beider Innenohren. Dieser schnelle Übergang war nur für echte Lösungen, wie das niedermolekulare radioaktive Natriumphosphat nachweisbar, während er für C14-markierte Aminosäuren stark verzögert war. Für Partikel, die sich der Grenze lichtmikroskopischer Sichtbarkeit nähern, wie Zellgranula, bestehend aus radioaktiv markierten Mitochondrien von Kaninchen, war keine Durchgängigkeit nachweisbar. Aus der abgestuften Durchgängigkeit zwischen den Perilymphräumen in Abhängigkeit von der Molekülgröße der zugeführten radioaktiven Substanzen ergab sich der Hinweis auf eine direkte Verbindung zwischen den Perilymphräumen der beiden Innenohren. Diese von Schreiner seinerzeit erstmals postulierte interlabyrinthäre Verbindung war Gegenstand kontroverser Diskussionen, sie wurde jedoch bald von mehreren in- und ausländischen Autoren bestätigt und seitdem als „Schreiner-Effekt” (1964) bezeichnet. Klinische Erkenntnisse: Trotz dieser Veröffentlichungen fand die Hypothese einer interlabyrinthären Verbindung über 20 Jahre keine Beachtung, bis 1985 die amerikanischen Autoren Harris et al. aufgrund diesmal klinischer Untersuchungen dieses Thema neu aufgegriffen haben und dieses Phänomen analog der sympathischen Ophthalmie als „Sympathetic Cochleo-Labyrinthitis” bezeichneten. Pathogenetisch vermuteten diese Autoren eine autoimmunologische Genese. Ungeklärt ist, auf welchem anatomischen und immunologischen Wege eine interlabyrinthäre Beeinflussung zustande kommt. Als Möglichkeiten werden weiterhin Verbindungen über die perineuralen Lymphscheiden diskutiert. Neue Methoden: Neuerdings werden auch die perivaskulären Räume in Betracht gezogen und Mäher et al. (1997) versuchten durch Kontrastmitteldarstellungen diese Theorie zu untermauern. Der Züricher Anatom W. Zenker führte 1997 Versuche mit Ferritin durch und konnte erstmals Bewegungen solcher Moleküle innerhalb der Dura nachweisen. Seiner Ansicht nach erfolgt der Übergang der Substanzen von einem Innenohr zum anderen über die Liquorbewegungen im Subarachnoidalraum und im perivaskulären Kompartiment zahlreicher die Medianlinie überkreuzter kleiner Gefäße, wie Venen der Geflechte des Clivus und der Plexii cavernosi, aber auch Venolen und Arteriolen.

Summary

Background: In his experiments on the origin and site of formation of perilymph, which he conducted using radioactive substances in 1961, Schreiner also came across a surprising secondary finding, namely that rapid substance exchange takes place between the perilymph Spaces of both inner ears. This rapid transition was only demonstrated for real Solutions, such as low-molecular radioactive sodium phosphate, whereas it was greatly delayed for C14-labeled amino acids. No patency was demonstrated for particles which approach the limit of visibility undera light microscope, such as cell granules consisting of radioactively labeled mitochondria from rabbits. The graded patency between perilymph Spaces in relation to the molecule size of the radioactive substances added indicates a direct connection between the perilymph Spaces of both inner ears. This interlabyrinthine connection first postulated by Schreiner was controversial at the time but was soon confirmed by several authors in Germany and abroad and has been known since then as the „Schreiner effect” (1964). Clinical findings: In spite of these publications, the hypothesis of an interlabyrinthine connection was ignored for over 20 years until the American authors Harris et al. took up the topic once again in 1985, because of clinical investigations. They termed this phenomenon „sympathetic cochleo-labyrinthitis” in line with sympathetic Ophthalmia. In pathogenetic terms, these authors suspect autoimmunological genesis. It has not been clarified which anatomical and immunological routes are taken to affect the labyrinths. Possibilities being discussed include connections via the perineural lymph sheath. New methods: In recent times, the perivascular Spaces have also been considered, and Mäher et al. (1997) attempted to substantiate this theory by demonstration using contrast media. In 1997, W. Zenker, the Zürich anatomist, conducted experiments using ferritin and was the first to demonstrate movement of such molecules within the dura. He believes that the transition of substances from one inner ear to the other is via CSF movements in the subarachnoid space and in the perivascular compartment of numerous small vessels crossing in a median plane such as veins of the clivus and plexus cavernosi but also venules and arterioles.

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