Laryngorhinootologie 1997; 76(3): 169-177
DOI: 10.1055/s-2007-997407
Rekonstruktive Chirurgie

© Georg Thieme Verlag Stuttgart · New York

Plastische Rekonstruktion von Defekten im Bereich des weichen Gaumens - Funktionelle und onkologische Aspekte*,**

Reconstruction after Resection of Soft-Palate Carcinoma - Functional and Oncologic ResultsS. Remmert, K. Sommer, S. Krappen, E. Gehrking
  • Medizinische Universität zu Lübeck, Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde
'Vorgetragen auf der 67. Jahresversammlung der Deutschen Gesellschaft für Hals-, Nasen-, Ohren-Heilkunde, Kopf- und Hals-Chirurgie, Aachen, 18.-22.5.1996.** Herrn Prof. Dr. Dr. H. Weerda zum 60. Geburtstag gewidmet.
Further Information

Publication History

Publication Date:
29 February 2008 (online)

Zusammenfassung

. Hintergrund: Nicht selten sind Oropharynxkarzinome im Bereich des weichen Gaumens lokalisiert. Die notwendige Resektion führt zu unterschiedlich ausgeprägten Störungen der nasopharyngealen Verschlußmechanismen. Deshalb ist für die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Lebensqualität eine funktionell wirksame Rekonstruktion anzustreben. Material und Methode: In vier Jahren wurden 15 Patienten wegen eines histologisch gesicherten Plattenepithelkarzinoms im Bereich des weichen Gaumens operiert und rekonstruiert. Es erfolgten neun halbseitige und sechs komplette Gaumenresektionen, die in sechs Fällen mit der Entfernung weiterer Nachbarstrukturen kombiniert waren. Für die Rekonstruktion der Teildefekte wurden vorrangig neurovaskuläre infrahyoidale Muskelfaszienlappen, für den Aufbau des kompletten weichen Gaumens fasziokutane Transplantate eingesetzt. Die postoperative Funktionsfähigkeit des neuen velopharyngealen Sphinkters wurde mit einer Schluckanamnese, kinematographisch, perfusionsmanometrisch und durch Registrierung der Nährsonden- und Kanülendauer kontrolliert. Ergebnisse: Kinematographisch ließ sich nachweisen, dass mit den beschriebenen Rekonstruktionen ein normales Bolushaltevermögen in der Mundhöhle (n = 15) und eine gute Motilität des neuen Gaumens (n = 15) ohne nasale Regurgitation (n = 15) gewährleistet wird. Die rekonstruktionsbedingte Dynamik des neuen Velums wurde auch durch die perfusionsmanometrischen Ergebnisse belegt. So können durch die Passivbewegungen des neuen weichen Gaumens (ausgelöst durch die Zungenschubkraft) etwa 60% des Normaldrucks hinter dem Gaumen aufgebaut und ein nach kaudal gerichtetes Druckgefälle erhalten werden. Diese Funktionalität ermöglichte die Entfernung der Nährsonde nach durchschnittlich 29 Tagen und der Trachealkanüle nach 34 Tagen. Zum Kontrollzeitpunkt lebten 87% der Patienten tumorfrei mit einem mittleren Beobachtungszeitraum von 24 (4-47) Monaten. Schlußfolgerungen: Resektionen einer Gaumenhälfte oder darüber hinausgehende Defekte bedürfen wegen des insuffizienten velopharyngealen Verschlusses einer plastischen Rekonstruktion. Halbseitige Gaumendefekte lassen sich funktionell sehr gut mit infrahyoidalen Muskelfaszienlappen rekonstruieren. Für komplette Gaumendefekte ist ein dauerhaft flexibles Gewebe erforderlich, welches passiv durch die Zungenschubkraft den Nasenrachen abschließt. Diese Voraussetzungen sind besonders bei Unterarmtransplantaten gegeben.

Summary

Background: Resection of the soft palate in tumor surgery can lead to significant swallowing disorders. Therefore rehabilitation needs a functional reconstruction of the remaining defects. Materials and methods: In four years, nine patients received a partial removal, and six patients a total removal of the soft palate including adjacent parts of the Oropharynx in six cases due to oropharyngeal Carcinoma. Partial defects were reconstructed with a neurovascularized infrahyoidal muscle flap, total defects with fasciocuta-neous flaps of the lateral arm, radial forearm or scapula region. The function of the new palate was evaluated by interview, cinematography, and pressure measurements of the pharynx. Results: These investigations demonstrated proper swallowing without aspiration or regurgitation in all cases. Values of 60% of normal pressure behind the palate have been achieved after palate reconstruction with a pressure slope directed into the hypopharynx. Decannulation was possible on average 34 days postoperatively, removal of the feeding tube on average 29 days postoperatively. Now 87% of our patients are free of tumor after a mean Observation time of 24 months. In light of the fact that two-thirds of all patients suffered from advanced Carcinoma, results can be considered as good. This study shows good functional and oncologic results after tissue reconstruction of the soft palate.

    >