Klin Monbl Augenheilkd 1992; 201(12): 370-374
DOI: 10.1055/s-2008-1045914
© 1992 F. Enke Verlag Stuttgart

Soziale Kosten von Sehbehinderung und Blindheit. Rehabilitationsangebot für die Betroffenen

Socical Costs of Blindness and Low Vision; Rehabilitation Efforts for the Visually ImpairedH. G. Krumpaszky1 , V. Klauß1 , G. Kloske2
  • 1Augenklinik der Universität München (Vorstand Prof. Dr. O.-E. Lund)
  • 2Deutsches Komitee zur Verhütung von Blindheit
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Publication Date:
08 February 2008 (online)

Zusammenfassung

Sehbehinderung und Blindheit nehmen in Deutschland zu. Neben dem damit verbundenen menschlichen Leid steigen auch die sozialen Kosten für die Gesellschaft. Es ist deswegen notwendig, Maßnahmen (Prävention, Rehabilitation), die dieser Entwicklung entgegenwirken, neu zu überdenken. Ausgehend von dieser Problemstellung möchte die vorgestellte Arbeit einen Einblick in soziale Kosten von Sehbehinderung und Blindheit geben, sowie den Bedarf und das Angebot an Rehabilitationsmaßnahmen bei Augenleiden darstellen.

Material und Methoden: Umfangreiches Datenmaterial des Statistischen Bundesamtes, des Statistischen Landesamtes Bayern, der Rentenversicherungsträger u.a. wurde zur Darstellung der sozialen Kostenlast durch Augenleiden und der bei diesen Leiden durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen ausgewertet. Die Ausführungen beziehen sich nur auf die ”alten Bundesländer“.

Ergebnisse: 1. soziale Kosten: Direkte Lasten durch Blindheit entstehen durch die Zahlung von Blindenpflegegeld. Hochgerechnet aufgrund bayerischer Zahlen ergibt sich, dass bundesweit derzeit jährlich etwa eine Milliarde DM am Blindengeld gezahlt wird. Die jährliche Steigerungsrate des Blindengeldes liegt in Bayern bei ca. 6%. Durch Frühberentung von Sehbehinderten entstehen indirekte soziale Kosten. Ein Prozent (ca. 2000) aller frühberenteten Arbeitnehmer werden wegen Augenleiden aus dem Arbeitsprozeß genommen.

2. Rehabilitation: Der großen Zahl von neuen Erblindungen (≈ 17000) und Sehbehinderungen (≈ 50000) jährlich steht nur eine vergleichsweise geringe Zahl von ca. 12000 (jährlich) durchgeführten Rehabilitationsmaßnahmen bei Augenerkrankungen gegenüber. Für alte Sehbehinderte und Blinde (über 65 Jahre), die über 60% der Betroffenen stellen, wird Rehabilitation fast nicht angeboten: nur 800 Maßnahmen entfallen auf diese Gruppe. Die Versorgung Sehbehinderter mit vergrößernden Sehhilfen erscheint noch lückenhaft. Nur etwa 60% der bayerischen Augenärzte passen solche Hilfmittel nach Abrechnungsdaten der Kassenärztlichen Vereinigung an. Anhand von Gutachtenmaterial der eigenen Klinik konnte festgestellt werden, dass die außerhalb (meist von Optikern) angepassten Hilfsmittel in etwa der Hälfte der Fälle nicht befürwortet werden konnten. Besonders häfig wurde em zu stark vergrö ßerndes Hilfsmittel gewählt.

Schlußfolgerungen: Die steigende Zahl an blinden und sehbehinderten (alten) Menschen erfordert vermehrte Anstrengungen zur Rehabilitation der Betroffenen. In der Augenheilkunde bedürfen die vergrößernden Sehhilfen vermehrter Aufmerksamkeit; im Hinblick auf die Kassen wäre eine leistungsgerechtere Honorierung der Anpassung vergrößernder Sehhilfen wünschenswert.

Summary

The number of blind and partially sighted persons in Germany is growing. Increasing social cost and human suffering are related. Measures to counteract this development (e.g. prevention, rehabilitation) are needed. This work gives an overview of the social cost of visual impairment; rehabilitation efforts and needs for eye diseases are considered.

Materials and methods: Data from several sources have been analysed in regard to social cost of blindness and rehabilitation efforts for eye diseases: e.g. from the Bavarian and Federal statistical agencies (number of blind and partially sighted), form the German veterans administations (number of early retierd) etc. The results relate to the former Federal Republic of Germany before unification; data from the five new states are not yet available.

Results: 1. social cost: The funds needed for blindness compensation payments increased steadily; new figures from Bavaria indicate that in Germany a total of 1000000 DM is needed. As a trend the yearly rise over the last 10 years was 6% in Bavaria. Indirect social cost ist caused by early retirement of blind or visually handicapped people; yearly 1% (2000 cases) of all early retirement is due to eye diseases.

2. rehabilitation efforts: For the annual incidence of blind and partially sighted - an estimated 17000 blind and 50000 partially sighted - only 12000 rehabilitation measures are provided in Germany. For the age group over 65 years (which makes up to 60% of all visually impaired) only 800 rehabilitation measures are being completed yearly. In the ophthalmology sector the provision of low vision aids to visually handicapped people is incomplete. A maximum of 60% of all practising ophthalmologists in Bavaria provide this service. On the basis of own data (and from the medical service of medical assistance insurances) it is obvious that 20-50% of the prescribed low vision aids do not fit the requirements of the visually handicapped. In general too high a magnification is prescribed.

Conclusions: More visual rehabilitation services are needed to cope with the growing demand, expecially for low vision aids. A prerequisit for a higher coveragewith low vision aids is a better reimbursement of the prescribing ophthalmologist by medical assistance insurances.

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