Psychiatr Prax 2009; 36(2): 79-84
DOI: 10.1055/s-2008-1067439
Kritisches Essay

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Unterbringung und Zwangsbehandlung in Deutschland

Die feinen Unterschiede zwischen Zivilrecht und öffentlichem RechtInvoluntary Placement and Coercive Treatment in GermanySubtle Differences Within the Legal FrameworkMarc  Falkenbach1 , Markus  Jäger2 , Norbert-Ullrich  Neumann2 , Karel  Frasch2
  • 1Regierungsrat, Regierungspräsidium Stuttgart
  • 2Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm, Bezirkskrankenhaus Günzburg (Leitender Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. T. Becker)
Further Information

Publication History

Publication Date:
22 August 2008 (online)

Einleitung

Die Behandlung psychisch Kranker, deren freie Willensbildung bzw. Einsichtsfähigkeit krankheitsbedingt eingeschränkt oder nicht vorhanden ist, stellt die behandelnden Ärzte oftmals vor nicht nur ethische (Respekt vor Patientenautonomie versus erforderliche Heilbehandlung [1]), sondern auch vor rechtliche Probleme. Die diesbezüglich mitunter anzutreffende Unsicherheit rührt auch daher, dass die Rechtsprechung hierzu nicht immer eindeutig ist. Dies galt insbesondere für die Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) zur Zulässigkeit von Zwangsbehandlungen aus dem Jahr 2000. Mit seiner aktuellen Entscheidung hat der BGH im Jahr 2006 zumindest diese Unklarheit beseitigt und über die Entscheidung eines Einzelfalls hinaus ergänzende Feststellungen getroffen, die für die Praxis von großer Bedeutung sind.

Im Hinblick darauf, dass jede Unterbringung und Zwangsbehandlung in unveräußerliche Rechte der Betroffenen – namentlich dem Grundrecht auf Freiheit der Person aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 Grundgesetz (GG) – eingreift, bedarf es bei den Ärzten, unter deren Regie Unterbringungen und Zwangsbehandlungen durchgeführt werden, hinreichender Kenntnisse der rechtlichen Grundlagen. Rechtsunsicherheiten und mangelnde Kenntnisse der behandelnden bzw. beurteilenden Ärzte sind in diesem grundrechtsrelevanten Bereich auf ein Minimum zu reduzieren.

Dieser Beitrag soll durch die Darlegung der Rechtsgrundlagen für Unterbringungen und Zwangsbehandlungen sowie der wesentlichen Verfahrensvorschriften klinisch-praktisch tätige Ärzte in den Stand versetzen, auf der Basis hinreichender Kenntnisse der Rechtsordnung tätig zu werden. Dabei wird besonderes Augenmerk auf die neue Rechtsprechung des BGH zu den Zwangsbehandlungen gelegt.

Die Darstellung der Rechtsgrundlagen erfolgt in einem ersten Schritt am materiellen Recht, welches die Voraussetzungen der Unterbringungen und Zwangsbehandlungen normiert. Dabei werden zunächst die für das gesamte Bundesgebiet geltenden Bestimmungen des Bundesrechts im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sodann die maßgeblichen Regelungen des Landesrechts in den jeweiligen Landesgesetzen über die Unterbringung psychisch Kranker (PsychKG) exemplarisch anhand der Länder Baden-Württemberg und Bayern dargestellt und schließlich die materiellen Voraussetzungen für Zwangsbehandlungen anhand der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung beschrieben. In einem weiteren Schritt werden die wesentlichen Verfahrensvorschriften nach dem Gesetz über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) erläutert.

Literatur

  • 1 Steinert T. Ethische Einstellungen zu Zwangsunterbringung und -behandlung schizophrener Patienten.  Psychiat Prax. 2007;  34 (Supplement 2) S186-190
  • 2 Bundesgerichtshof. Beschluss vom 11.10.2000. Aktenzeichen: XII ZB 69/00. 
  • 3 Diederichsen U. In: Palandt O (Hrsg) Bürgerliches Gesetzbuch, 64. Auflage. München; C. H. Beck 2005: 2119-2123
  • 4 Jürgens A. Das neue Betreuungsrecht seit 1999. 4. Auflage. München; C. H. Beck 1999
  • 5 Bundesgerichtshof. Urteil vom 16.6.1959. Aktenzeichen: 1 StR 191/59. 
  • 6 Bayerisches Oberlandesgericht. Beschluss vom 04.09.2001. Aktenzeichen: 3 Z BR 132/02. 
  • 7 Bundesverfassungsgericht. Beschluss vom 23.03.1998. Aktenzeichen: 2 BvR 2270 – 2296. 
  • 8 Falkenbach M, Neumann N U, Frasch K. Das Betreuungsrecht seit 1.1.1999.  Psychiat Prax. 2003;  30 451-454
  • 9 Bayerisches Oberlandesgericht. Entscheidung vom 6.5.1993. Aktenzeichen: 3 Z BR 79/93. 
  • 10 Oberlandesgericht Hamm. Beschluss vom 8.1.1997. Aktenzeichen: 15 W 398/96. 
  • 11 Bundesgerichtshof. Beschluss vom 13.2.2002. Aktenzeichen: XII ZB 191/00. 
  • 12 Bayerisches Oberlandesgericht. Beschluss vom 28.7.1999. Aktenzeichen: 3 Z BR 212/99. 
  • 13 Oberlandesgericht Schleswig. Beschluss vom 14.5.2003. Aktenzeichen: 2 W 77/03. 
  • 14 Bayerisches Oberlandesgericht. Beschluss vom 21.1.2004. Aktenzeichen: 3 Z 241/03. 
  • 15 Oberlandesgericht Schleswig. Beschluss vom 18.7.2007. Aktenzeichen: 2 W 93/07. 
  • 16 Bundesgerichtshof. Beschluss vom 1.2.2006. Aktenzeichen: XII ZB 236/05. 

Dr. Karel Frasch

Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie II der Universität Ulm, Bezirkskrankenhaus Günzburg

Ludwig-Heilmeyer-Straße 2

89312 Günzburg

Email: karel.frasch@bkh-guenzburg.de

    >