Schlechtes Zeichen: Niedrige Cholesterinwerte im Alter

Haben ältere Menschen ohne Statintherapie einen niedrigen Cholesterinspiegel, dann ist dies offenbar ein Warnsignal: Die Lebenserwartung ist paradoxerweise reduziert, das Risiko für ischämische Herzerkrankungen erhöht. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Je stärker die Cholesterinsenkung, umso geringer die kardiovaskuläre Ereignisrate – dieses Mantra ist sowohl bei Menschen im mittleren als auch hohen Lebensalter mit Daten aus Interventionsstudien gut unterfüttert, allerdings primär für solche mit Hypercholesterinämie. Beobachtungsstudien hätten jedoch recht widersprüchliche Resultate zur Bedeutung der Cholesterinwerte bei älteren Menschen ergeben, einige deuteten sogar auf eine erhöhte kardiovaskuläre Ereignisrate bei Personen mit von Natur aus besonders niedrigen Cholesterinwerten, berichten Kardiologen um Dr. Sonali Rukshana Gnanenthiran von der Concord-Klinik in Sydney in Australien. Dies konnten die Ärzte nun anhand einer Auswertung des „Concord Health and Ageing in Men Project“ (CHAMP) bestätigen. Wenig Cholesterin – verkürzte Lebenserwartung An der prospektiven Kohortenstudie nahmen knapp ältere 1300 Männer aus dem Raum Sydney teil. Sie waren zu Beginn durchschnittlich 77 Jahre alt, hatten keine bekannten ischämischen Herzerkrankungen und wurden zum Studienstart einer umfangreichen Befragung über bestehende Erkrankungen und verwendete Medikamente sowie einer gründlichen physischen und psychischen Untersuchung unterzogen. Zudem bestimmten die Studienärzte die wichtigsten Laborparameter. Für ihre nun publizierte Auswertung konzentrierten sich die Forscher um Gnanenthiran auf den Gesamtcholesterinwert und teilten die Männer entsprechend in vier Gruppen ein: solche mit Werten unter 4 mmol/l, zwischen 4,0–4,9 mmol/l sowie zwischen 5,0–5,9 mmol/l und über 6 mmol/l. Dies entspricht Kategorien von unter 156 mg/dl, bis 195 mg/dl, bis 234 mg/dl und darüber. Teilnehmer in der Gruppe mit den niedrigsten Cholesterinwerten waren bei vergleichbarem Alter im Schnitt etwas dünner, häufiger hyperton, gebrechlich, multimorbide, Diabetiker und hatten mehr Begleiterkrankungen sowie häufiger eine Anämie oder niedrigere HDL-Werte als die Teilnehmer mit den höchsten Gesamtcholesterinwerten. Insofern überrascht es wenig, wenn die Männer mit niedrigen Cholesterinspiegeln in der Nachbeobachtungszeit von im Mittel 6,4 Jahren vermehrt starben oder eine ischämische Herzerkrankung entwickelten. Dies betraf rund 44% der Männer mit den niedrigsten, aber nur 34% mit den höchsten Cholesterinwerten. Noch deutlicher waren die Unterschiede, schauten die Forscher lediglich auf die 731 Männer ohne Statintherapie: Unter jenen mit den niedrigsten Gesamtcholesterinspiegeln wurde der kombinierte Endpunkt Tod oder ischämisches kardiovaskuläres Ereignis (Herzinfarkt, Herzinsuffizienz, Schlaganfall, Bypass) bei 64% festgestellt, dagegen trat dieser Endpunkt lediglich bei 33% mit hohen Cholesterinwerten auf. Dagegen zeigten sich keine Nachteile für Männer mit niedrigen Cholesterinwerten unter einer Statintherapie: Hier betrug die Rate für den kombinierten Endpunkt weitgehend unabhängig vom Cholesterinspiegel rund 37%. Unter Teilnehmern mit niedrigen Cholesterinwerten waren die Sterberate sowie die Raten von Herzinfarkt und Herzinsuffizienz tendenziell etwas niedriger als bei den Teilnehmern mit hohen Cholesterinwerten, dafür lagen die Raten von Schlaganfall und koronaren Revaskularisierungen etwas höher. Hohe Gebrechlichkeit bei niedrigen Cholesterinspiegeln An den Resultaten änderte sich wenig, wenn die Forscher sämtliche bekannte Begleitfaktoren und Komorbiditäten einbezogen: In diesem Fall ließ sich für jede Reduktion des Cholesteringesamtspiegels um 1 mmol/l (39 mg/dl) unter den Männern ohne Statintherapie eine um 27% erhöhte Rate des kombinierten Endpunkts errechnen. Eine solche Beziehung ergab sich auch mit LDL-Werten als Bezugspunkt, hier kamen die Forscher auf eine Risikoerhöhung um 32%. In der Gruppe mit Statintherapie zeigten sich auch nach Adjustierung für Begleitfaktoren keine Unterschiede beim kombinierten Endpunkt zwischen Männern mit hohen und niedrigen Gesamtcholesterin- oder LDL-Spiegeln. Die Daten deuten also klar auf ein ungünstiges kardiovaskuläres Risiko und eine reduzierte Lebenserwartung unter Männern, die ohne Cholesterinsenker recht niedrige Cholesterinwerte aufweisen. Allerdings ist damit kein kausaler Zusammenhang belegt, niedrige Cholesterinwerte könnten trotz aller Adjustierungen auch nur ein Marker für einen schlechten Gesundheitszustand im Alter sein. Dafür spricht nicht zuletzt die hohe Gebrechlichkeit in der Gruppe mit niedrigen Cholesterinspiegeln. Die Forscher um Gnanenthiran ziehen aber auch andere Erklärungen in Erwägung: Zum einen sei eine erhöhte Infektionsgefahr und Krebsmortalität bei niedrigen Cholesterinspiegeln bekannt, dies könnte vor allem für ältere Menschen problematisch sein. Auf der anderen Seite würden gefäßschützende Eigenschaften von Statinen jenseits der Cholesterinsenkung diskutiert. Dies könnte erklären, weshalb niedrige Cholesterinwerte unter einer Statinbehandlung bei älteren Menschen nicht von Nachteil sind. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hängen Cholesterinspiegel im Alter mit Mortalität und kardiovaskulären Erkrankungen zusammen? Antwort: In einer australischen Studie waren niedrige Cholesterinwerte bei älteren Männern ohne Statintherapie mit einer erhöhten Rate von kardiovaskulären Ereignissen und Sterbefällen verbunden. Bedeutung: Unklar. Vielleicht sind niedrige Cholesterinwerte im Alter nur ein Marker für eine erhöhte Gebrechlichkeit, vielleicht steigern sie aber auch das Infektionsrisiko und die Krebsmortalität. Einschränkung: Kausaler Zusammenhang bleibt offen, geringe Teilnehmerzahl.

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