34 % der „Fälle“ bzw. 31 % der „Kontrollen“ hatten bis ein Jahr vor dem Indexdatum (= Zeitpunkt der Erstdiagnose Brustkrebs bei den „Fällen“) eine HRT angewandt. Der Start der HRT-Exposition wurde als der Zeitpunkt der ersten Verschreibung (u. a. Östrogenmonotherapie [ET], Östrogen + Gestagen [EPT], Tibolon [TIB]) definiert. ET umfasste die Östrogentypen Estradiol (E2) und konjugierte equine Östrogene (CEE). Die meisten HRT-Anwenderinnen erhielten eine EPT (74 % der „Fälle“ und 70 % der „Kontrollen“). Die vier häufigsten Gestagenkombinationspartner in EPT waren Norethisteronacetat (NETA), Levonorgestrel (LNG), Medroxyprogesteronacetat (MPA) und Dydrogesteron (DYD). Bei der Auswertung der EPT-Daten wurden die Östrogentypen nicht differenziert. Am häufigsten wurde CEE + MPA oder CEE + LNG verschrieben; E2 wurde nur in Kombination mit NETA oder DYD verschrieben. 43 % der Frauen wechselten während des Beobachtungszeitraums das EPT-Präparat. Jede EPT wurde als separate HRT-Exposition bewertet. Bei der HRT-Anwendungsdauer wurden sechs Kategorien gebildet: nie, <1 Jahr, ≥1 und <3 Jahre, ≥3 und <5 Jahre, ≥5 und <10 Jahre, ≥10 Jahre. „Past use“ wurde definiert als HRT-Stopp ≥5 Jahre vor dem Indexdatum.
Im Vergleich zu keiner HRT („never HRT use“) war das Brustkrebsrisiko für eine ≥5-jährige ET (adjustierte OR 1,15, 95 %-KI 1,09–1,21) bzw. EPT (adjustierte OR 1,79, 95 %-KI 1,73–1,85) signifikant erhöht. Bei Berücksichtigung des Gestagentyps in EPT war das Risiko für NETA (adjustierte OR 1,88, 95 %-KI 1,79–1,99) am höchsten und für DYD (adjustierte OR 1,24, 95 %-KI 1,03–1,48) am niedrigsten.
Interessant ist der Vergleich der absoluten Fallzahlen in der vorliegenden Studie mit denen der Metaanalyse ([
1]; Tab.
1). In der aktuellen Studie sind die Risiken für Brustkrebs unter einer ≥5-jährigen HRT niedriger als in der Metaanalyse [
1].
Tab. 1
Vergleich der aktuellen Studie und der Metaanalyse
CEE | 946 | 8,9 | 1,12 (1,04–1,21) | 1910 | 9 | 1,32 (1,25–1,39) |
E2 | 1170 | 9,2 | 1,18 (1,10–1,26) | 1563 | 9 | 1,38 (1,30–1,46) |
LNG | 1368 | 8,2 | 1,86 (1,74–1,99) | 1735 | 9 | 2,12 (1,99–2,25) |
NETA | 1979 | 8,1 | 2,00 (1,89–2,11) | 2642 | 9 | 2,20 (2,09–2,32) |
MPA | 724 | 7,7 | 1,91 (1,75–2,10) | 2012 | 9 | 2,07 (1,96–2,19) |
DYD | 137 | 7,8 | 1,28 (1,06–1,56) | 162 | 9 | 1,41 (1,17–1,71) |
TIB | 448 | 8,1 | 1,34 (1,21–1,49) | 680 | 9 | 1,57 (1,43–1,72) |
Kommentar
Die aktuelle Studie bestätigt, dass die HRT-Anwendungsdauer und bei EPT die Gestagenkomponente das Brustkrebsrisiko beeinflusst. Die Risiken werden niedriger als in der Metaanalyse von 2019 beziffert. Somit gelten nach wie vor die Aussagen der S3-Leitlinie „Peri- und Postmenopause – Diagnostik und Interventionen“. Trotzdem lohnt es sich, einen genaueren Blick auf die Limitationen der Studie zu werfen: 1) Gemäß Studiendesign handelt es sich um eine Studie auf dem „level of evidence“ (LoE) 3b (also schwächer als die Metaanalyse [
1], LoE 2b, oder randomisiert-kontrollierte Studien, LoE 1b), 2) die EPT-Fallzahlen variieren bei Differenzierung nach Gestagentyp stark (DYD seltener als andere Gestagene, keine Berücksichtigung von mikronisiertem Progesteron), 3) keine Differenzierung zwischen sequenzieller und kontinuierlich-kombinierter EPT, 4) fehlende Angaben zur HRT-Adhärenz und 5) keine Berücksichtigung klassischer Brustkrebsrisikofaktoren. Erschwerend kommt hinzu, dass eine Großzahl der Frauen das EPT-Präparat wechselte. Es ist unklar, inwiefern die Gründe für einen Wechsel und auch die Sequenz der EPT-Präparate einen Einfluss auf das Brustkrebsrisiko haben.
Open Access Dieser Artikel wird unter der Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz veröffentlicht, welche die Nutzung, Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und Wiedergabe in jeglichem Medium und Format erlaubt, sofern Sie den/die ursprünglichen Autor(en) und die Quelle ordnungsgemäß nennen, einen Link zur Creative Commons Lizenz beifügen und angeben, ob Änderungen vorgenommen wurden.
Die in diesem Artikel enthaltenen Bilder und sonstiges Drittmaterial unterliegen ebenfalls der genannten Creative Commons Lizenz, sofern sich aus der Abbildungslegende nichts anderes ergibt. Sofern das betreffende Material nicht unter der genannten Creative Commons Lizenz steht und die betreffende Handlung nicht nach gesetzlichen Vorschriften erlaubt ist, ist für die oben aufgeführten Weiterverwendungen des Materials die Einwilligung des jeweiligen Rechteinhabers einzuholen.