Daten einer Phase-I-Studie sprechen dafür, beim duktalen Carzinoma in situ (DCIS) vom Hochrisikotyp eine neoadjuvante intratumorale Immuntherapie weiter zu untersuchen.
Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels.
„Diese nichtrandomisierte klinische Phase-I-Studie liefert einen Proof-of-Principle, dass sich ein großes duktales Carcioma in situ (DCIS) unter einer intratumoralen Immuntherapie zurückbilden kann“, schreiben Forschende um Kirithiga Ramalingam von der University of California in San Francisco, CA/USA, zu den Ergebnissen einer kleinen Studie, in der sie zehn Frauen mit Hochrisiko-DCIS neoadjuvant intratumoral mit dem Immuncheckpointinhibitor (ICI) Pembrolizumab und einem immunstimulierenden mRNA-Konstrukt behandelt hatten [1]. Acht der zehn Frauen hatten auf die Therapie angesprochen, drei mit einer Komplettremission (CR). Das Team verspricht sich von dem Ansatz – sollte er einer weiteren klinischen Prüfung standhalten –, Frauen mit DCIS unter Umständen eine Operation ersparen zu können, was aktuell den Behandlungsstandard beim DCIS darstellt.
In Phase I geht es um Sicherheit und Verträglichkeit, nicht um Wirksamkeit
So spannend die Daten sind – vor dem Hintergrund, dass es keinen Kontrollarm in der Studie gab, nur zehn Frauen behandelt wurden und das primäre Ziel einer Phase-I-Studie gar nicht in der Generierung von Wirksamkeitsdaten besteht (es geht um Sicherheit und Verträglichkeit), ist bei der Interpretation der Ergebnisse große Vorsicht angebracht. Kernergebnis ist eigentlich, dass die Therapie verhältnismäßig verträglich war und überwiegend „nur“ aus grippeähnlichen unerwünschten Ereignissen (AE) der Grade 1/2 bestand (wobei es auch einen Fall von Grad-3-Fieber gab). Eine weitere wichtige Erkenntnis ist: Die initial eingesetzte Dosis von Pembrolizumab (8 mg) und dem mRNA-Konstrukt (mRNA-2752; 4 mg) war mit Blick auf die Verträglichkeit zu hoch, sie musste im Verlauf der Applikationen reduziert werden. In Folgestudien soll daher nun eine kleinere Dosierung (Pembrolizumab: 2 mg; mRNA-2752: 1 mg) eingesetzt werden.
Studie im Kontext
Betrachtet man den größeren Forschungskontext, in dem die Studie durchgeführt worden ist, ergeben sich noch weitere interessante Signale aus ihren Ergebnissen:
- Sie erweitern die wachsende Erkenntnislage zu intratumoralen Immuntherapien bei (frühem) Brustkrebs (nicht nur beim DCIS), die bisher dafürspricht, dass in den Tumor injizierte Therapien relativ verträglich sein können, was einen großen Vorteil gegenüber systemisch verabreichten Behandlungen darstellen würde [2].
- Sie liefern ein Indiz dafür, dass das zusammen mit dem ICI zur Immunstimulation verabreichte mRNA-Konstrukt wie erhofft funktionieren könnte. Die Forschenden hatten in einer früheren Arbeit nämlich bei Patientinnen mit Hochrisiko-DCIS den ICI Pembrolizumab allein verabreicht und hier keinerlei Hinweise auf eine Regression der Neoplasien gefunden – anders als in der aktuellen Studie. Das mRNA-2752-Konstrukt kodiert für drei immunmodulierende Proteine: OX40L, Interleukin(IL)-23 und IL-36γ
- Die Daten bieten allererste Anhaltspunkte, für wen die Therapie eher nicht infrage kommen könnte. Die beiden Frauen, deren DCIS nicht auf die intratumorale Immuntherapie angesprochen hatte, waren von Hormonrezeptor(HR)-positiven, HER2-negativen Neoplasien betroffen und wiesen vor der Behandlung niedrige Level (< 10%) von tumorinfiltrierenden Lymphozyten (TIL) auf. Das passe zu Daten aus der Literatur, nach denen bei Frauen mit HR-positivem HER2-negativem DCIS weniger therapierelevante Immuninfiltrate vorkämen, weswegen der Behandlungsansatz für sie weniger gut geeignet sein könnte, so die Einschätzung der Forscherinnen und Forscher um Ramalingam.
Warum beim DCIS überhaupt (neoadjuvant) behandeln?
Finden sich neoplastische Veränderungen in den Milchgängen der Brust, die noch nicht die Basalmembran durchbrochen haben, spricht man von einem DCIS. Ob, wann und bei wem sich aus einem DCIS ein invasiver Brustkrebs entwickelt, lässt sich gar nicht so leicht sagen, weswegen in diesem Zusammenhang auch das Risiko von Über- und Untertherapien intensiv diskutiert wird [3]. „Das DCIS ist eine vielschichtige Entität in der Onkologie, die entweder eine Vorläuferläsion sein kann, die zu einem aggressiven invasiven Krebs führen könnte, oder eine überdiagnostizierte und überbehandelte Läsion, die niemals fortschreitet“, fassen Forschende um Suzette Delaloge vom Institut Gustave Roussy, Villejuif, Frankreich, die für die Praxis schwierige aktuelle Erkenntislage zusammen [3]. In der Literatur sind Faktoren dokumentiert, die mit einem höheren Risiko für ein invasives Karzinom einhergehen (Hochrisiko-DCIS), darunter die Größe der Neoplasie oder das Alter der Betroffenen.
Standardtherapie des DCIS in Deutschland ist derzeit die Exzision der Läsion (brusterhaltende Operation oder Mastektomie), wobei eine adjuvante Therapie (Radiotherapie, endokrine Therapie) „mit der Patientin auf der Basis einer Risiko-Nutzen-Bewertung individuell erörtert werden muss“ [4].
Das Studienteam um Ramalingam argumentiert, dass das DCIS eine Gelegenheit biete, neue Ansätze zu erforschen: „Obwohl ein Hochrisiko-DCIS ein höheres Mortalitätsrisiko birgt, reicht dies nicht aus, um eine toxische Chemotherapie oder eine intravenöse Immuntherapie mit damit verbundenen immunbedingten AE zu rechtfertigen.“ Die Forscherinnen und Forscher um Ramalingam haben sich daher für ihre Untersuchung auf Frauen mit einem Hochrisiko-DCIS konzentriert. Sie kommen zu dem Schluss, dass der Ansatz der intratumoralen Immuntherapie weitere Untersuchungen verdiene und in Zukunft vielleicht eine Alternative zur Operation für Patientinnen mit Hochrisiko-DCIS mit hoher Immunzellinfiltration sein könnte. So hätten die drei Frauen, die vollständig angesprochen hätten, auf eine Operation verzichtet und seien engmaschig bildgebend begleitet worden. Sie seien nach 1–2 Jahren Follow-up krankheitsfrei geblieben. Und von fünf Frauen, die auf die Behandlung partiell angesprochen hätten, seien bei zweien die Läsionen um so viel kleiner geworden, dass ihnen eine Mastektomie habe erspart werden können. Sie seien stattdessen brusterhaltend operiert worden.
Bei einer Patientin mit CR sei nach zwei Jahren ein 5 mm großes Rezidiv aufgetreten, das man erfolgreich erneut behandelt hätte, wobei offenbleibt, worin diese Behandlung genau bestand. Einer der behandelten Frauen hatte das Team ein „gemischtes Ansprechen“ attestiert: Bei dieser Betroffenen war die Läsion reseziert worden, wobei sich ein 5 mm großes invasives Karzinom von basaloidem Phänotyp ohne Immuninfiltrate gezeigt habe.
Weitere Details zur Studie
Das mediane Alter der in der Studie behandelten Frauen lag bei 46 Jahren (Spanne 35–80 Jahre). Als Hochrisiko-DCIS galt, wenn wenigstens zwei Merkmale aus einem Katalog von Risikofaktoren erfüllt waren, darunter:
- Alter jünger als 45 Jahre
- Neoplasie größer als 5 cm
- HR-Negativität
- HER2-Positivität
Die Patientinnen wurden zwischen Juni 2021 und Dezember 2022 im Abstand von zwei bis drei Wochen mit zwei bis vier Applikationen der intratumoralen Therapie behandelt. Die Applikation erfolgt nach Tastbefund oder unter Bildgebung. Stanzbiopsien und Magnetresonanztomografie kamen zur Kontrolle des weiteren Verlaufs zum Einsatz. Eine CR war definiert als tumorfreie Biopsate. Der Follow-up-Zeitraum ist auf fünf Jahre angesetzt.
Das Wichtigste in Kürze |
Frage: Ist eine intratumorale Therapie mit dem Immuncheckpointhemmer Pembrolizumab und einem immunmodulierenden mRNA-Konstrukt bei Frauen mit einem duktalen Carcinoma in situ (DCIS) vom Hochrisikotyp sicher und verträglich? Antwort: Eine Phase-I-Studie mit zehn Frauen spricht dafür, dass das der Fall ist. Die meisten unerwünschten Ereignisse waren grippeähnliche Symptome und von Grad I/II. Es ergaben sich zudem erste Signale für eine Wirksamkeit der Therapie. Bedeutung: Das Team plädiert dafür, den Ansatz in Folgestudien weiter zu untersuchen. Einschränkung: Monozentrische Phase-I-Studie. Kein Kontrollarm. Sehr kleine Stichprobe. Viele onkologische Therapieansätze scheitern in späteren klinischen Phasen. |