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Erschienen in: Strahlentherapie und Onkologie 10/2020

Open Access 23.06.2020 | Mammakarzinom | Literatur kommentiert

Vielversprechende Langzeitergebnisse zum Einsatz von Anastrozol zur Prävention von Brustkrebs bei postmenopausalen Hochrisikopatientinnen

verfasst von: Cand. med. Josephin Trabitzsch, cand. med. Hendrik Schenke

Erschienen in: Strahlentherapie und Onkologie | Ausgabe 10/2020

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Originalpublikation

Cuzick J, Sestak I, Forbes JF, Dowsett M, Cawthorn S, Mansel RE et al (2020) Use of anastrozole for breast cancer prevention (IBIS-II). Long-term results of a randomised controlled trial. Lancet 395(10218):117–122. https://​doi.​org/​10.​1016/​S0140-6736(19)32955-1
Hintergrund und Ziel der Arbeit
Nachdem für selektive Östrogenrezeptormodulatoren (SERM), wie Tamoxifen, bereits eine signifikante Langzeitwirkung in der Brustkrebsprävention bei Frauen mit einem hohen Risiko für Brustkrebserkrankungen nachgewiesen werden konnte [1], wurde in der IBIS-II-Studie die präventive Wirkung des Aromataseinhibitors (AI) Anastrozol bei postmenopausalen Risikopatientinnen untersucht. Erste Ergebnisse aus dem Jahr 2014 hatten eine Abnahme der Gesamtinzidenz von Brustkrebserkrankungen um 53 % in den ersten fünf Jahren nach Therapiebeginn gezeigt [2]. Die aktuelle Publikation ist ein Update der Studie mit längerem Follow-up.
Patientinnen und Methoden
Bei der IBIS-II-Studie handelt es sich um eine internationale, randomisierte, doppelt verblindete und placebokontrollierte Interventionsstudie. Es wurden 3851 postmenopausale Frauen im Alter von 40 bis 70 Jahren mit einem mindestens 1,5-fach erhöhten Brustkrebsrisiko eingeschlossen. Die Interventionsgruppe erhielt fünf Jahre lang täglich 1 mg Anastrozol. Primärer Endpunkt war die histopathologisch bestätigte Brustkrebsdiagnose im Verlauf. Als sekundäre Endpunkte galten sonstige Krebserkrankungen sowie ernste unerwünschte Reaktionen (Knochenfrakturen, Myokardinfarkte, tiefe Venenthrombosen, Lungenembolie, transiente ischämische Attacken, Schlaganfälle) und Tod. Nach Therapieabschluss wurden jährlich die Daten zu den Endpunkten erhoben. Weniger ernste Nebenwirkungen wurden nicht weiter berücksichtigt. Zur Analyse der Endpunkte wurden Hazard Ratios basierend auf dem Cox-Regressionsmodell mit korrespondierenden 95 %-Konfidenzintervallen sowie eine Überlebenszeitanalyse nach Kaplan und Meier durchgeführt.
Ergebnisse
Nach einem medianen Follow-up von 131 Monaten konnte eine Reduktion des Auftretens von Brustkrebs um 49 % (HR 0,51, 95 %-KI 0,39–0,66, p < 0,0001) nachgewiesen werden. Die Reduktion betrug in den ersten fünf Jahren des Follow-ups 61 % (HR 0,39, 95 %-KI 0,27–0,58, p < 0,0001), in den darauffolgenden Jahren 37 % (HR 0,64, KI 0,45–0,91, p = 0,014) und von Östrogenrezeptor-positiven invasiven Karzinomen 54 %. Bezüglich ernster unerwünschter Ereignisse wurden in den beiden Kohorten keine Unterschiede festgestellt. Insgesamt starben während des Follow-ups 69 Patientinnen der Interventionsgruppe und 70 Patientinnen der Placebogruppe. Da hiervon in der Interventionsgruppe nur 3 bzw. in der Anastrozolgruppe nur 2 Patientinnen an Brustkrebs verstarben, konnte bezüglich einer Letalitätssenkung durch den AI kein signifikanter Unterschied nachgewiesen werden.
Schlussfolgerung der Autoren
Der in der ersten Publikation der Studie festgestellte Rückgang an Brustkrebserkrankungen durch Anastrozol hält auch nach mehr als 5 Jahren an. Die präventive Anastrozoleinnahme senkt also auch langfristig bei Frauen mit einem hohen Brustkrebsrisiko dieses Risiko nachhaltig, wobei die Nebenwirkungen geringer als diejenigen von Tamoxifen sind.

Kommentar

Brustkrebs ist die weltweit häufigste Krebserkrankung bei Frauen mit mehr als 2 Mio. Neuerkrankungen im Jahr, z. B. 2018 [3]. Während die medikamentöse Prävention bei Hochrisikopatientinnen in den USA und in Großbritannien bereits Einzug in offizielle Therapieempfehlungen gefunden hat [4, 5], spielt sie in Deutschland bislang noch keine Rolle. Dabei wurde ein protektiver Effekt sowohl von Tamoxifen als auch von Aromataseinhibitoren längst beschrieben [6]. In einer Studie mit dem AI Exemestan wurden über einen Zeitraum von 5 Jahren ähnliche Ergebnisse wie hier mit Anastrozol erreicht [7].
Die Langzeitwirkung des Carry-over-Effekts einer präventiven Brustkrebstherapie wurde bislang lediglich für den selektiven Östrogenrezeptormodulator Tamoxifen untersucht [1]. Mit Tamoxifen wurde die Gesamtinzidenz von Brustkrebserkrankungen über 20 Jahre um gleichbleibend etwa 29 % gesenkt. Die jetzt in der IBIS-II-Studie durch Anastrozol bewirkte Reduktion des Auftretens um 49 % übertrifft somit die Ergebnisse mit Tamoxifen deutlich. Die NNT von Anastrozol in den ersten 12 Jahren nach Therapieabschluss schätzen die Autoren auf 29, während die von Tamoxifen bei 58 lag.
Während im Rahmen der Tamoxifenprophylaxe eine erhöhte Zahl an Karzinomen des Endometriums und auch thromboembolischen Ereignissen registriert wurde [1], konnten bei der Behandlung mit Anastrozol keine ernsten unerwünschten Reaktionen beobachtet werden. Dennoch darf man die während der Therapie signifikant erhöhten Risiken an muskuloskeletalen und vasomotorischen Beschwerden sowie an denen des „trockenen Auges“ und des arteriellen Hypertonus [2] bei der Abwägung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses nicht außer Acht lassen.
Die potenzielle Toxizität wiegt besonders schwer, da weiterhin keine Daten zur Mortalitätssenkung durch den Aromataseinhibitor vorliegen. Somit konnte auch die bereits 2014 geäußerte kritische Vermutung nicht entkräftet werden, es würde im Rahmen der Studie zu einer Überdiagnose und Überbehandlung von insbesondere hormonsensitiven, per Mammographie diagnostizierbaren Krebserkrankungen mit guter Prognose kommen [8].

Fazit

  • Der Verdienst der Studie ist es, erstmals Langzeitergebnisse zum präventiven Einsatz von AI bei postmenopausalen Frauen der Brustkrebshochrisikogruppe zu liefern. Der Rückgang der Brustkrebsinzidenz ist auch >5 Jahre nach Absetzen des Medikaments noch immer signifikant und bedeutsam.
  • Aufgrund der besseren Wirksamkeit und wegen des günstigeren Nebenwirkungsprofils scheint Anastrozol bei der Anwendung der pharmakologischen Prophylaxe von Brustkrebs bei postmenopausalen Hochrisikopatientinnen dem Tamoxifen überlegen zu sein.
  • Für eine uneingeschränkte Empfehlung sind zunächst noch Langzeitdaten zur Letalität abzuwarten.
Josephin Trabitzsch und Hendrik Schenke, Kiel

Interessenkonflikt

J. Trabitzsch und H. Schenke geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Strahlentherapie und Onkologie

Print-Titel

•Übersichten, Originalien, Kasuistiken

•Kommentierte Literatur aus der Radioonkologie, Strahlenbiologie und -physik

Literatur
4.
Zurück zum Zitat NICE (2013) Familial breast cancer. Classification, care and managing breast cancer and related risks in people with a family history of breast cancer NICE (2013) Familial breast cancer. Classification, care and managing breast cancer and related risks in people with a family history of breast cancer
Metadaten
Titel
Vielversprechende Langzeitergebnisse zum Einsatz von Anastrozol zur Prävention von Brustkrebs bei postmenopausalen Hochrisikopatientinnen
verfasst von
Cand. med. Josephin Trabitzsch
cand. med. Hendrik Schenke
Publikationsdatum
23.06.2020
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Strahlentherapie und Onkologie / Ausgabe 10/2020
Print ISSN: 0179-7158
Elektronische ISSN: 1439-099X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00066-020-01650-8

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