PARP-Hemmung bei BRCA-Mutationen

Bei Patientinnen (und Patienten) mit lokal fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom steht mit Olaparib (Filmtabletten) eine neue, personalisierte Therapieoption zur Verfügung. Der PARP (Poly-ADP-Ribose-Polymerase)-Inhibitor ermöglicht bei Vorliegen von BRCA (breast cancer gene)-Mutationen in der Keimbahn eine effektive orale Behandlung von Patientinnen mit triple-negativem oder HR (Hormonrezeptor)-positivem/HER2 (human epidermal growth factor receptor 2)-negativem Tumor bei weniger chemotherapietypischen unerwünschten Wirkungen wie z.B. Alopezie. Olaparib-Filmtabletten (Lynparza®) sind u.a. zugelassen als Monotherapie für die Behandlung von erwachsenen Patienten mit HER2-negativem, fortgeschrittenem oder metastasiertem Mammakarzinom bei Vorliegen einer BRCA 1/2-Keimbahnmutation. Die Patienten sollten mit Anthrazyklin und Taxan im (neo)adjuvanten oder metastasierten Setting bzw. bei HR-positiven Patienten zusätzlich mit einer endokrinen Therapie vorbehandelt worden sein, es sei denn sie waren dafür nicht geeignet [1]. Olaparib (Filmtabletten) ist der erste zugelassene PARP-Inhibitor in dieser Indikation. Komplexer Wirkmechanismus Als Hemmstoff der PARP hat Olaparib einen Wirkmechanismus, der zwei zelluläre Reparaturmechanismen beeinflusst: „Durch die PARP-Inhibition provozieren wir, dass im Tumorzellerbgut aus Einzelstrangbrüchen Doppelstrangbrüche werden“, erläuterte Dr. Rachel Würstlein, Oberärztin, Klinik und Poliklinik für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. Ein zusätzlicher Defekt in der homologen Rekombinationsreparatur (HRR) wiederum verhindert, dass zelleigene Moleküle den Doppelstrangbruch wieder reparieren können [2]. Eine HRR-Defizienz tritt zum Beispiel bei Patientinnen mit Mutationen in BRCA-Genen auf. Die BRCA-Keimbahnmutationen können – anders als bei den meisten onkologischen Companion-Diagnostiken – im Blut und auch in anderen Körperzellen nachgewiesen werden. Nach aktuellen Berechnungen trägt eine von 20 Patientinnen mit Mammakarzinom eine BRCA-Mutation, so Würstlein, allerdings seien sie bei unterschiedlichen Brustkrebsformen nicht gleichmäßig verteilt. Triple-negative Patientinnen, die 12% bis 15% der Patientinnen mit fortgeschrittenem/metastasiertem Mammakarzinom ausmachen, hätten zu 17% eine BRCA 1/2-Mutation [3]. Bei HR-positiven Patientinnen, die etwa 73% der Patientinnen mit fortgeschrittenem/metastasiertem Brustkrebs stellen, seien es etwa 6%. Längeres PFS und bessere Lebensqualität Die Zulassung von Olaparib-Filmtabletten erfolgte auf Basis der OlympiAD-Studie, in der im Verhältnis 2:1 randomisiert 302 vortherapierte Patientinnen (und einige Patienten) mit HER2-negativem Brustkrebs – zur Hälfte triple-negativ, zur Hälfte HR-positiv – entweder Olaparib in einer Dosis von 300mg 2×/Tag oral oder eine Chemotherapie nach Wahl des Arztes (Capecitabin, Eribulin oder Vinorelbin) erhielten [4]. Primärer Endpunkt war das progressionsfreie Überleben (PFS, gemäß BICR [verblindete, unabhängige, zentrale Begutachtung] [1]), sekundär wurden u.a. das PFS bis zum zweiten Progress, das Gesamtüberleben (OS), die Ansprechrate, die Verträglichkeit und die Lebensqualität evaluiert. Sowohl bei der Effektivität als auch der Lebensqualität und Verträglichkeit wurden deutliche Vorteile des PARP-Inhibitors Olaparib beobachtet. Die Gesamtansprechrate betrug 59,9% im Vergleich zu 28,8% unter Chemotherapie [4]. Das mediane PFS (mPFS) wurde von 4,2 Monaten auf 7,0 Monate verlängert (Abb. 1), und auch die Zeit bis zur ersten Folgetherapie oder Tod (TFST) konnte im Median um 5,2 Monate verlängert werden. Das mPFS unterschied sich ausgeprägter bei triple-negativen Patientinnen (5,6 Monate versus 2,9 Monate; Hazard Ratio [HR] 0,43) als bei HR-positiven/HER2-negativen Patientinnen (8,3 Monate versus 5,1 Monate; HR 0,82). Das mPFS bis zum zweiten Progress war ebenfalls unter dem PARP-Inhibitor signifikant länger als unter Chemotherapie (13,2 Monate versus 9,3 Monate; HR 0,57; p<0,003). Das mediane OS unterschied sich nicht signifikant. Die Lebensqualität, ermittelt anhand des EORTC (European Organisation for Research and Treatment of Cancer)-QLQ-C30-Bogens, stieg unter Therapie mit Olaparib leicht an, während sie bei einer Chemotherapie leicht abfiel (HR 0,44; p=0,0043) [4]. Chemotherapie-typische unerwünschte Wirkungen (z.B. Hand-Fuß-Syndrom, Alopezie) waren im Olaparib-Arm seltener, Übelkeit, Erbrechen und Anämie etwas häufiger als bei einer Chemotherapie. Therapieabbrüche gab es im Chemotherapie-Arm bei 7,7% der Patienten und im Olaparib-Arm bei 4,9% der Patienten. Abb. 1: OlympiAD-Studie: Verlängerung des mPFS unter Olaparib (modifiziert nach [4]) Springer Medizin Verlag GmbH × Aufgrund der positiven Ergebnisse hat die Therapie mit PARP-Inhibitoren in den aktualisierten Empfehlungen der Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie e.V. (AGO) zum metastasierten Mammakarzinom bei Patienten mit BRCA1/2-Mutation mit Evidenzlevel Ia und Evidenzgrad A eine AGO-Empfehlung „+ +“ erhalten [5]. Würstlein ergänzte: „Ein Vorteil bei der PARP-Inhibition ist, dass sie bei Verträglichkeitsproblemen die Möglichkeit zu einer Dosisreduktion bietet, wodurch Therapieabbrüche vermieden werden können.“ Olaparib-Filmtabletten sind in den Dosierungen 150mg und 100mg verfügbar. Gute Alternative zu erneuter Chemotherapie bei frühem Rezidiv Prof. Dr. Diana Lüftner, Oberärztin, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin, betonte, dass möglichst alle Patientinnen mit fortgeschrittenem HER2-negativem Brustkrebs auf BRCA-Mutationen getestet werden sollten, um die Optionen zur Therapieentscheidung zu eruieren. Für die BRCA-Diagnostik im Vorfeld einer potentiellen PARP-Inhibition gelten andere Vorgaben als für die BRCA-Diagnostik zur Abklärung des Erkrankungsrisikos, bei der die Eruierung der erblichen Belastung im Vordergrund steht. Einen hohen Stellenwert für die PARP-Inhibition sieht Lüftner nicht zuletzt bei Patientinnen mit einem HER2-negativen Mammakarzinom und BRCA 1/2-Keimbahnmutationen, die früh nach einer Chemotherapie rezidivieren. In Zukunft könnten auch Kombinationen aus PARP-Hemmung und Immuntherapien, die bereits in ersten Studien evaluiert wurden, weitere Therapieoptionen sein. Interview mit Prof. Dr. Diana Lüftner, Medizinische Klinik mit Schwerpunkt Hämatologie und Onkologie, Charité – Universitätsmedizin Berlin „Alle HER2-negativen Patientinnen testen“ Welche Patientinnen mit Mammakarzinom sollten auf BRCA-Mutationen getestet werden? Lüftner: Beim frühen Mammakarzinom (Stadium I und II) sollten alle triple-negativen Patientinnen unter 50 Jahren getestet werden, und außerdem all jene, die die Kriterien des Konsortiums erblicher Brust- und Eierstockkrebs erfüllen. Dies ist eine prädiktive genetische Untersuchung laut Gendiagnostikgesetz. Bei der ebenfalls im Gendiagnostikgesetz geregelten diagnostischen genetischen Untersuchung geht es beim fortgeschrittenen Brustkrebs mit der Zulassung von Olaparib-Filmtabletten nun um die Differentialdiagnostik zum potentiellen Einsatz eines PARP-Inhibitors. Diese Patientinnen sollten auf BRCA getestet werden, wenn ein PARP-Inhibitor eine Option darstellt, und dann möglichst früh. Das gilt für alle Patientinnen, außer jenen, die HER2-positiv sind. Welche Art von Aufklärung ist für die Patientinnen nötig? Lüftner: Wir müssen die Patientinnen darüber informieren, dass der Test dazu dient, herauszufinden, ob für sie eine PARP-Inhibitor-Therapie infrage kommt. Hierfür wird es demnächst Aufklärungsbögen der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie e.V. (DGHO) geben. Danach wird die Blutprobe ans Labor geschickt – alternativ an einen Genetiker, aber das dauert oft länger. Eine humangenetische Beratung ist an dieser Stelle nicht nötig. Aber: Wenn eine BRCA-Keimbahnmutation nachgewiesen wird, dann heißt das nicht nur, dass die Patientin einen PARP-Inhibitor erhalten kann. Der Arzt sollte dann auch eine genetische Beratung anbieten und veranlassen. Wann kann eine triple-negative Patientin Olaparib erhalten? Lüftner: Die Zulassung von Olaparib-Filmtabletten verlangt eine Vorbehandlung mit Anthrazyklin und Taxan, es sei denn, die Patientin ist für diese nicht geeignet. Das ist gesetzt, aber darüber hinaus kommt es auf den Einzelfall an. Patientinnen, die nach einer Chemotherapie früh rezidivieren, sind sehr gute Kandidatinnen, zum einen weil sie wahrscheinlich eine Multi-Drug-Resistance haben, zum anderen, weil diese Patientinnen oft keine weiteren Infusionen, ständige Ambulanzbesuche und chemotherapietypische Nebenwirkungen haben möchten. Wenn das Rezidiv erst nach vier Jahren auftritt, ist die Situation unter Umständen eine andere. In diesem Fall kann eine erneute Chemotherapie Sinn machen, zumal dann Olaparib als Option für die nächste Therapielinie erhalten bleibt. Welche Optionen gibt es für HR-positive Patientinnen? Lüftner: In dieser Patientengruppe haben ca. 40% der Patientinnen, vielleicht auch weniger, Anthrazyklin/Taxan im Rahmen der (neo)adjuvanten Therapie erhalten. Wenn eine Progression unter oder nach einer endokrinen Therapie stattfindet, kann im Anschluss Olaparib gegeben werden, bei den anderen werden wir gemäß Label zunächst eine Chemotherapie geben. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die PARP-Hemmung sich in zukünftigen Studien als mindestens so effektiv wie die Chemotherapie erweisen wird. Und dann könnte sie schon wegen des günstigeren Verträglichkeitsprofils weiter nach vorne rücken. Literatur Fachinformation Lynparza® 100 mg/150 mg Filmtabletten, Stand: April 2019 Chen A et al., Chin J Cancer 2011, 30:463–471 Winter C et al., Ann Oncol 2016, 27:1532–1538 Robson M et al., N Engl J Med 2017, 377:523–533 Arbeitsgemeinschaft Gynäkologische Onkologie (AGO), Diagnostik und Therapie früher und fortgeschrittener Mammakarzinome, Version 2019.1 Impressum Launch-Pressekonferenz „Neue Chancen eröffnen: Olaparib beim fortgeschrittenen Mamma-Ca mit gBRCA-Mutation”, Berlin, 2. Mai 2019 Berichterstattung: Philipp Grätzel, Berlin Artikel gedruckt in Der Gynäkologe, Band 52, Heft 7, Ausgabe Juli 2019 und InFo Hämatologie + Onkologie, Band 22, Heft 7, Ausgabe Juli 2019 Mit freundlicher Unterstützung der AstraZeneca GmbH, Wedel Corporate Publishing (verantwortl. i. S. v. § 55 Abs. 2 RStV): Ulrike Hafner, Tiergartenstraße 17, 69121 Heidelberg Redaktion: Dr. Katharina Finis Springer Medizin Verlag GmbH Heidelberger Platz 3 14197 Berlin Tel: 0800 7780 777 (kostenfrei) | +49 (0) 30 827 875 566 Fax: +49 (0) 30 827 875 570 E-Mail: kundenservice@springermedizin.de Die Springer Medizin Verlag GmbH ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Nature Geschäftsführer: Joachim Krieger, Fabian Kaufmann Handelsregister Amtsgericht Berlin-Charlottenburg HRB 167094 B Umsatzsteueridentifikationsnummer: DE 230026696 © Springer Medizin Verlag GmbH Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Für Angaben über Dosierungsanweisungen und Applikationsformen kann vom Verlag keine Gewähr übernommen werden. Derartige Angaben müssen vom jeweiligen Anwender im Einzelfall anhand anderer Literaturstellen auf ihre Richtigkeit überprüft werden. PDF: Olaparib-Filmtabletten beim HER2-negativen fortgeschrittenen Mammakarzinom - PARP-Hemmung bei BRCA-Mutationen

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