Alleinstehende Frauen gehen seltener zum Mammografie-Screening

Beim Brustkrebs-Früherkennungsprogramm mitzumachen oder nicht kann sehr unterschiedliche Gründe haben. In einer Schweizer Studie stellte sich heraus, dass auch eine Partnerschaft Einfluss haben kann, aber auch eine geschlechtergerechte Umgebung. In der Schweiz gibt es kein zentrales Mammografie-Screening, ob ein Programm angeboten wird, liegt in der Entscheidung der Kantone. Lediglich zwölf der 26 Schweizer Gliedstaaten bieten das Screening für 50- bis 70-jährige Frauen an. In den restlichen Kantonen kann zwar alle zwei Jahre eine Mammografie in Anspruch genommen, muss jedoch individuell geplant werden. Die Schweizer Kantone sind auch sprachlich, politisch, religiös und kulturell vielfältig und weisen deutliche Unterschiede in der Familien- und Sozialpolitik auf. In den französischsprechenden Regionen etwa ist die Gleichberechtigung weiter fortgeschritten als in deutschsprachigen Teilen der Schweiz. Die Forschung hat gezeigt, wenn Mann und Frau in den Bereichen reproduktive Gesundheit, Familie, Arbeit und politische Partizipation ungleich behandelt werden, beeinflusst dies die Gesundheit von Frauen negativ. Denn Mechanismen wie Stress, Diskriminierung, finanzielle Probleme, Gewalt, Doppelbelastung und Zeitdruck können Frauen zusetzen. Auch die Inanspruchnahme von Krebsvorsorgeuntersuchungen kann negativ beeinflusst werden. Vor diesem Hintergrund wollte Vladimir Jolidon vom Institut für Sozialforschung der Universität Genf wissen, ob zum einen Ungleichbehandlungen der Geschlechter, zum anderen das Zusammenleben der Frauen mit einem (Ehe-)Partner Auswirkungen auf die Inanspruchnahme des Mammografie-Screenings haben. Dazu analysierte er die Daten von 9.897 Frauen zwischen 50 und 70 Jahren der Schweizerischen Gesundheitsbefragung, die in den Jahren 2007, 2012 und 2017 stattgefunden hatte. Unter anderem legte er die Gender-Gap fest, das heißt die Unterschiede in der Gleichstellung von Mann und Frau. Dazu ermittelte Jolidon die Zeit, die eine Person für unbezahlte Arbeit für die Familie und den Haushalt investiert, und zu welchem Teil diese Person in Vollzeit arbeitet. Diese Angaben wurden anhand der Schweizerischen Arbeitskräfteerhebung ermittelt. Partner geben gegenseitig auf sich acht Schweizer Frauen, die mit einem Partner zusammenleben, nehmen das Mammografie-Screening signifikant häufiger in Anspruch als alleinstehende Frauen. Frauen in Beziehungen halten die Untersuchungstermine strikter ein (alle zwei Jahre) und bei ihnen ist auch das Risiko kleiner, noch nie bei einer Mammografie gewesen zu sein. Leben Frauen jedoch in einem Kanton mit geringer Geschlechtergerechtigkeit, dann ist die Wahrscheinlichkeit höher – trotz einer Partnerschaft –, dass sie noch kein Screening besucht haben oder die Termine nicht einhalten. Hervorzuheben ist, dass alleinstehende Frauen, unabhängig vom Grad der geschlechtsspezifischen Ungleichheit, signifikant seltener die Vorsorgeuntersuchungen wahrnehmen als Frauen mit einem Partner. Das Risiko, noch nie zu einer Screening-Untersuchung gegangen zu sein, war um 46% erhöht. Frauen ohne Partner sollten deshalb eine besondere Aufmerksamkeit im Bereich der öffentlichen Gesundheit erhalten, fordert Jolidon. Denn das Zusammenleben mit einem (Ehe-)Partner wirkt sich bekanntermaßen positiv auf die individuelle Gesundheit und das Gesundheitsverhalten aus und begünstigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass eine Frau an einem Mammografie-Screening teilnimmt. Gender-Gap wirkt sich auf die Gesundheit aus Frauen, die in Kantonen leben, wo weniger Gleichberechtigung herrscht, haben eine geringere Wahrscheinlichkeit, am Mammografie-Screening teilzunehmen, unabhängig von ihrem sozioökonomischen Status, ihrem Alter, ihrer Sprachregion sowie ihrem Gesundheitszustand. Eine größere Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist signifikant mit einer höheren Rate an Frauen verbunden ist, die noch nie beim Screening waren oder die zweijährigen Termine nicht regelmäßig einhalten. Sind Mann und Frau nicht gleichberechtigt, leisten die Frauen meist mehr unbezahlte Hausarbeit, bekommen niedrigere Löhne bei gleicher Arbeit, haben geringere politische Beteiligung und weniger Möglichkeiten für soziale Interaktion, schreibt Jolidon. Frauen geht es demnach gesundheitlich besser, wenn eine politische Teilhabe, eine größere Autonomie und Kontrolle über eigene Entscheidungen möglich ist. Da, wo Ungleichheit zwischen den Geschlechtern auf Makroebene herrscht, können die Institutionen die Handlungsmöglichkeiten von Frauen in einer Weise einschränken, die sich auf ihre Gesundheitsentscheidungen und die Inanspruchnahme präventiver Maßnahmen auswirkt, erklärt der Autor. Strategien im Bereich der öffentlichen Gesundheit könnten etwa die Implementierung eines Screeningprogramms sein. Denn Jolidon hat auch herausgefunden, dass der Zusammenhang zwischen der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern und der Inanspruchnahme des Mammografie-Screenings in den Kantonen, die ein Srceeningprogramm eingeführt haben, nicht mehr zu beobachten ist. Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern Viele Faktoren auf Makroebene können die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern beeinflussen, etwa der Zugang von Frauen zu politischer Macht, aber auch lokale Kulturen oder Geschlechterideologien. Insgesamt müssen die sozialen und institutionellen Rahmenbedingungen berücksichtigt werden, in denen die Interaktionen zwischen Männern und Frauen stattfinden und die Machtverhältnisse zwischen den Geschlechtern gestaltet werden, gibt Jolidon zu bedenken. Denn diese können eine Rolle dabei spielen, wie gesund Frauen leben und ob ein adäquater Zugang zur Gesundheitsvorsorge für sie gegeben ist.

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