Erschienen in:
01.02.2020 | Leitthema
Max Nonne (1861–1959) und seine Einstellung zur „Euthanasie“
verfasst von:
Michael Martin, Heiner Fangerau, Prof. Dr. Axel Karenberg
Erschienen in:
Der Nervenarzt
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Sonderheft 1/2020
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Zusammenfassung
Als international bekannter deutscher Neurologe war Max Nonne von 1918 bis 1924 Vorsitzender der Gesellschaft Deutscher Nervenärzte. 1925 zum Ehrenvorsitzenden ernannt, behielt er dieses Amt in der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN) bis zu seinem Tod. Seit 1961 hat die DGN 16 Neurologen mit der nach ihm benannten Gedenkmünze geehrt. Unbestritten sind Nonnes herausragende Leistungen auf diversen Gebieten der Disziplin, die teilweise als Eponyme fortleben (Nonne-Apelt-Syndrom, Nonne-Froin-Syndrom, Nonne-Milroy-Meige-Syndrom). Archivstudien jüngeren Datums und Untersuchungen einzelner Publikationen haben das persönliche Bild der „grauen Eminenz“ des Faches allerdings nachdrücklich verändert. So belegen im Staatsarchiv Hamburg erhaltene Akten, dass Nonne sich 1941/42 in einer Denkschrift nach dem Vorbild Bindings und Hoches dezidiert für die Tötung „absolut unwerten Lebens“ aussprach. In einem Gutachten für das Landgericht Hamburg attestierte er 1946 mehreren des Totschlags angeklagten Ärztinnen und Ärzten vorschriftsmäßiges Handeln im Rahmen der „Kindereuthanasie“, worauf die Anklage fallen gelassen wurde. Aus dem Jahr 1949 datiert eine weitere Stellungnahme mit dem Tenor, Kindertötungen und Begutachtungsverfahren der NS-Zeit hätten dem Stand der ärztlichen Wissenschaft entsprochen. Eine bereits nach dem Ersten Weltkrieg verfasste Publikation legt die Vermutung nahe, dass sich Nonnes sozialdarwinistisch getöntes Menschenbild deutlich vor der NS-Zeit entwickelt hat. Obschon er sich nach seiner Emeritierung 1933 mit den neuen Machthabern arrangierte und persönliche Ehrungen akzeptierte, setzte er sich vielfach auch für jüdische Kollegen ein. Selbst zu keiner Zeit Nationalsozialist, entwickelte er dennoch Aktivitäten, welche die NS-„Euthanasie“ unterstützten und weit über die „Mentalität des Zulassens“ hinausgingen.