Screening: Mehr dünne, aber nicht weniger dicke Melanome

Ein Hautkrebs-Screening-Programm in Allgemeinarztpraxen in den USA führte im Laufe von fünf Jahren zu einer steigenden Inzidenz dünner, aber nicht zu einer signifikant sinkenden Inzidenz dicker Melanome. Möglicherweise produzierte das Screening vor allem Überdiagnosen. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. In Deutschland ist das Hautkrebsscreening Kassenleistung, andere Länder tun sich dagegen schwer mit entsprechenden Empfehlungen, nicht zuletzt, weil bislang keine Studie klar zeigen konnte, dass ein allgemeines Screening die Hautkrebsmortalität deutlich senkt. Ein Problem ist, dass solche Studien nur schwer zu bewerkstelligen sind, nicht zuletzt, weil die Hautkrebsmortalität in der Bevölkerung relativ gering ist. Es wären dafür riesige kontrollierte Studien über lange Zeiträume nötig. Ersatzweise könnte man statt nach der Mortalität nach einer Stadienverschiebung fahnden: Sofern mehr niedrigmaligne, dafür aber weniger hochmaligne Tumoren unter den gescreenten Teilnehmern auftreten, ließe sich das ebenfalls als Screeningerfolg interpretieren. Nach diesem Prinzip haben Dermatologen um Dr. Martha Matsumoto von der Universität in Pittsburgh in den USA nach einem Nutzen des Screenings geschaut, wobei sie allerdings statt des Tumorstadiums lediglich die Dicke der Melanome bestimmten. Ihren Resultaten zufolge führte ein Screeningprogramm in der Region Pittsburgh wie erwartet zu einer vermehrten Diagnose dünner Tumoren. Einen signifikanten Rückgang der Inzidenz dickerer und damit meist gefährlicherer Melanome konnten sie hingegen nicht beobachten. Dies führte sie zu der Schlussfolgerung, das Screening habe vor allem zu einer Überdiagnose benigner Hauttumoren beigetragen. Jährliches Screeningangebot Das Screeningprogramm wurde 2014 in Allgemeinarztpraxen in der Region Pittsburgh implementiert und orientierte sich dabei an den deutschen Empfehlungen zur Hautkrebsfrüherkennung. Personen im Alter über 35 Jahren konnten sich dabei von ihren Hausärzten untersuchen lassen – anders als in Deutschland jedoch jährlich. Den Allgemeinmedizinern wurde zuvor eine dermatologische Schulung angeboten, um benigne und maligne Läsionen besser zu differenzieren. Die Ärzte konnten Patienten bei Routinebesuchen in ihrer Praxis ansprechen und im Wartezimmer mit Plakaten auf das Angebot aufmerksam machen. Bei Verdacht auf einen malignen Tumor sollten sie entweder selbst eine Hautbiopsie veranlassen oder die Patienten zur Abklärung an einen Dermatologen überstellen. Die Zielpopulation bestand aus knapp 600.000 Personen, die in den Jahren 2014–2018 einen Besuch in den teilnehmenden Praxen abstatteten und zuvor an keinem Hauttumor erkrankt waren. Etwa ein Viertel der Patienten wurde mindestens einmal von den Hautärzten gescreent, im Median ließen sich die Gescreenten allerdings nur einmal untersuchen. Die maximale Nachbeobachtungsdauer erreichte fünf Jahre, im Median waren es rund drei Jahre. Gescreente Personen waren im Schnitt rund zwei Jahre älter als Ungescreente, ansonsten gab es keine größeren demografischen Unterschiede zwischen den Gruppen. Empfehlung der Redaktion Maligne Tumoren der Haut – Themenseite Dem Thema Hautkrebs, von Melanom über Basalzellkarzinom und Plattenepithelkarzinom bis hin zu weiteren Neoplasien der Haut und ihrer Anhangsgebilde, widmet sich diese Themenseite. Hier finden Sie News, Übersichten, Kasuistiken und kommentierte Studienreferate. In-situ-Tumoren 2,6-fach häufiger Letztlich wurde bei 994 Patienten ein Melanom diagnostiziert, ein Drittel entfiel auf die gescreenten Patienten. Insgesamt war die Inzidenz für In-situ-Melanome bei den Gescreenten 2,6-fach höher, die für dünne, maximal 1 mm dicke invasive Melanome 1,8-fach höher als bei Ungescreenten. Unter Berücksichtigung demografischer Unterschiede waren die Differenzen statistisch signifikant. Dies war auch dann der Fall, wenn die Forscher um Matsumoto 183 Melanome ausschlossen, die während oder innerhalb von 60 Tagen nach dem ersten Arztbesuch mit oder ohne Screening diagnostiziert worden waren – diese hatten ja schon vor Beginn des Programms bestanden. Bezogen auf die verbleibenden Intervallmelanome war die Inzidenz In-situ- bzw. dünner Tumoren unter den Gescreenten verdoppelt bzw. um 30% erhöht. Melanome mit einer Dicke ab 4 mm traten bei den Gescreenten insgesamt zu 20%, bezogen auf die Intervallmelanome zu 40% seltener auf als unter Ungescreenten. Diese Unterschiede waren jedoch nicht statistisch signifikant. Die Forscher um Matsumoto gehen daher davon aus, dass es durch das Screening vor allem zu Überdiagnosen kam. Die Resultate lassen sich jedoch sehr unterschiedlich interpretieren. In einem Editorial geht der Dermatologe Robert A. Swerlick von der Emory University in Atlanta davon aus, dass viele der dünnen Melanome wohl keinen Krankheitswert hätten und das Screening in der Tat primär zu Überdiagnosen führe. Dagegen haben Dermatologen um Dr. Rajan Kulkarni von der Universität in Portland kein Problem mit einem gewissen Anteil von Überdiagnosen. Entscheidend sei das Nutzen-Risiko-Verhältnis: Ein Herausschneiden niedrigmaligner Melanome sei einfach zu bewerkstelligen und für die Patienten wenig belastend, es sei daher wohl besser, einen indolenten Tumor zu viel als einen malignen zu wenig zu entfernen. Ein Problem der Studie ist zudem die geringe Zahl dickerer Melanome: Hier gab es zwar einen Trend zugunsten des Screenings, für statistisch belastbare Aussagen wären möglicherweise deutlich mehr Personen oder längere Zeiträume nötig gewesen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was bringt das Hautkrebsscreening in Allgemeinarztpraxen? Antwort: Die Inzidenz dünner Tumoren nimmt signifikant zu, die dickerer aber nicht deutlich ab. Bedeutung: Vielleicht führt das Screening primär zu Überdiagnosen. Einschränkung: Möglicherweise zu wenige Teilnehmer und zu kurze Beobachtungsdauer.

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