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Erschienen in:

01.11.2013 | Originalarbeit

Merkmale eines Fehlurteils

verfasst von: Johann Schwenn

Erschienen in: Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie | Ausgabe 4/2013

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Zusammenfassung

Fehlurteile bestrafen Angeklagte, welche die Tat nicht begangen haben. Da die Revision im Grundsatz nur prüft, ob das Urteil Rechtsfehler enthält, nicht aber, ob es richtig oder falsch ist, bleibt zur Korrektur von Fehlurteilen oft nur der schwierige Weg des Wiederaufnahmeverfahrens. Der Autor verdeutlicht anhand eigener Erfahrungen in erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahren einige typische Merkmale von Fehlurteilen, die insbesondere auf Fehlbeschuldigungen beruhen. Gefordert werden eine systematische Schulung von Richtern hinsichtlich der Fehlerquellen sowie eine Auswertung der Fehlleistungen durch das Bundesministerium der Justiz als Grundlage einer Reform des Wiederaufnahmerechts.
Fußnoten
1
Siehe dazu BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung, unzureichende 14 und BGH NJW 1999, 1562 ff.
 
2
Vgl. die Beiträge des Verf. in StV 2010, 705 ff. und 2012, 255 f.
 
3
Von einem „echten“ Novum muss dagegen gesprochen werden, wenn sich, wie im Mordfall Lettenbauer, nach Jahren der Strafvollstreckung der wahre Täter meldet (siehe dazu Karl Peters (1972) Fehlerquellen im Strafprozess – Eine Untersuchung der Wiederaufnahmeverfahren in der Bundesrepublik Deutschland, Bd I, Müller, Heidelberg, S 80 ff. [82]) oder, wie in der Sache Rohrbach, der Schädel des Mordopfers in einem wegen des heißen Sommers ausgetrockneten Tümpel gefunden wird und der Erstrichter festgestellt hatte, die Angeklagte habe den Kopf ihres von ihr ermordeten Mannes in der gemeinsamen Wohnung „teilweise im Küchenherd verbrannt“ (siehe auch dazu K. Peters, a. a. O., 105 ff. [121, 119]).
 
4
I. Müller (1987) Furchtbare Juristen. Kindler, München.
 
5
KLs/3774 Js 34680/01 34a 7/03– der im Wiederaufnahmeverfahren durch Urteil des LG Lüneburg vom 08.09.2010-20 Kls/1304 Js 10340/09 (5/09) – freigesprochene Verurteilte war wegen Vergewaltigung in 5 Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung sowie wegen Körperverletzung auf eine Gesamtfreiheitsstrafe von 12 Jahren und 8 Monaten verurteilt worden.
 
6
BGH, Beschl. v. 11.04.2013 – 5 StR 261/12.
 
7
BGH, Beschl. v. 09.08.2005-3 StR 64/04 (StV 2006, 14).
 
8
S. Rückert (2007) Unrecht im Namen des Volkes. Hoffmann & Campe, Hamburg.
 
9
LG Osnabrück, Urt. v. 31.03.1995 – 17 Js 36603/94 20 KLs (III 9/95) – und v. 29.01.1996 – 15 Js 11659/95 20 Kls (III 30/95) – aufgehoben durch LG Oldenburg, Beschl. v. 02.10.2006 – 6 KLs 16/06– und Urt. v. 14.12.2005 – 6 KLs 2/04.
 
10
Vgl. BGH, Urt. v. 25.01.2011– 5 StR418/10; siehe M. Steller (2002), NJW-Sonderheft für Gerhard Schäfer, 69 ff. (70 ff.) und H.-L. Kröber (2006) in: Fabian/Nowara (Hrsg), Neue Wege und Konzepte in der Rechtspsychologie. Lit, Münster, S 53 ff.
 
11
K. Dörner (2004) Posttraumatische Belastungsstörungen – Neues Fass im Gesundheitsmarkt. Trauma Berufskrankh 6(Suppl 3):327–S 328.
 
12
28 KLs 170 Js 3025/04 StA Halle – aufgehoben durch Urteil des LG Magdeburg v. 15.06.2012 – 25 Kls 19/11.
 
13
BGHR StPO § 244 Abs. 2 Aussageentstehung 1 unter Berufung auf H. Leferenz bei Göppinger/Witter (1972) Handbuch der forensischen Psychiatrie, Bd II. Springer, Berlin, S 1334 ff., 1339.
 
14
E. Bass, L. Davis (2009) Trotz allem: Wege zur Selbstheilung für sexuell missbrauchte Frauen, 15. „Jubiläums“-Aufl. Orlanda Frauenverlag, Berlin.
 
15
Vgl. BGHSt 45, 156 ff.
 
16
T. Fischer in: Strafverteidigung, Revision und die gesamten Strafrechtswissenschaften – Festschrift für Gunter Widmaier zum 70. Geburtstag (2008; nachstehend: FS-Widmaier), 191 ff. [203]).
 
17
Siehe etwa BGH, Urt. v. 12.08.2010 – 2 StR 185/10 – u. v. 27.04.2010 – 5 StR 127/10 – (selbstverletzende Handlungen des vermeintlichen Opfers erfordern ein psychiatrisches Gutachten), v. 27.10.2010 – 5 StR 319/10– (mangels wissenschaftlicher Anerkennung der Forderungen der psychologischen Traumatologie im Zusammenhang mit der Glaubhaftigkeitsbeurteilung stellt es keine relevante Lücke dar, wenn die Traumatisierung der Nebenklägerin nicht als Ursache für die Qualitätsmängel der Aussage der Nebenklägerin herangezogen worden ist) u. v. 25.01.2011 – 5 StR 418/10 – (wird die mindere Qualität einer für richtig gehaltenen Aussage der Nebenklägerin mit deren Traumatisierung erklärt, so kann ein Wertungsfehler vorliegen. Die maßgebliche Begründung des Schuldspruchs mit dieser Diagnose ist ein Zirkelschluss); Beschl. v. 10.11.2010 – 2 StR 403/10– („Aussagekonstanz“ bei Detailarmut – StV 2011, 525) v. 09.02.2012 – 2 StR 316/11– („unübersichtliche, z. T. laienhaft wirkende Beweiswürdigung“). Nicht zufällig sind dem Verfasser bisher Wiederaufnahmemandate aus den diesen beiden Strafsenaten zugewiesenen Oberlandesgerichtsbezirken bisher nicht einmal angetragen worden. In den dieser Darstellung zugrunde liegenden Fällen war die Revision durch den 1., 3. oder 4. Strafsenat jeweils als offensichtlich unbegründet verworfen worden.
 
18
Siehe oben Fn. zu Mordfall Lettenbauer und Rohrbach.
 
19
BTDrucks. VII/2600, 11.
 
20
Zum Widerstand von Richtern und Staatsanwälten während des Gesetzgebungsverfahrens W. Krägeloh NJW 1975, 137 ff., (138).
 
21
Begriff bei A. Nack (2002) in: Festschrift für Peter Rieß zum 70. Geburtstag, 361 ff. (368) –; siehe dazu auch R. Eschelbach (2008) in: FS-Widmaier, 137 ff. [131 ff.].
 
22
Vgl. BGHSt 43, 212 ff. [216].
 
Metadaten
Titel
Merkmale eines Fehlurteils
verfasst von
Johann Schwenn
Publikationsdatum
01.11.2013
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Forensische Psychiatrie, Psychologie, Kriminologie / Ausgabe 4/2013
Print ISSN: 1862-7072
Elektronische ISSN: 1862-7080
DOI
https://doi.org/10.1007/s11757-013-0231-6

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