Skip to main content

Open Access 27.02.2025 | Metastasen | Literatur kommentiert

Stereotaktisch ablative Strahlentherapie (SABR) ohne Chemotherapie bei oligometastasierten Kopf-Hals-Tumoren (GORTEC 2014-04 „OMET“)

verfasst von: Dr. Jörg Andreas Müller, Prof. Dr. Dirk Vordermark

Erschienen in: Strahlentherapie und Onkologie

download
DOWNLOAD
print
DRUCKEN
insite
SUCHEN
Hinweise

Originalpublikation

Survival without Quality of Life Deterioration in the GORTEC 2014-04 “OMET” Randomised Phase 2 Trial in Head and Neck Cancer Patients with Oligometastases using Stereotactic Ablative Radiotherapy (SABR)-alone or chemotherapy SABR. Int J Radiat Oncol Biol Phys. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​ijrobp.​2024.​11.​084.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Hintergrund der Arbeit
Ungefähr 10 % aller Kopf-Hals-Plattenepithelkarzinome (HNSCC) werden mit Fernmetastasen diagnostiziert [2]. Im Falle einer oligometastasierten Tumorerkrankung ist die stereotaktische ablative Radiotherapie (SABR) eine Behandlungsform, die gute Ergebnisse bei zugleich guter Verträglichkeit erzielt [3]. In der SABR-COMET-Studie erhielten 99 Probanden verschiedener Tumorentitäten eine Standardtherapie ergänzt durch eine lokal ablative SABR der Metastasen oder eine Standardtherapie ohne ablative Behandlung. Systemische Therapien wurden dabei in rund der Hälfte der Fälle nach ärztlichem Ermessen eingesetzt. In der SABR-Gruppe zeigten sich anschließend ein längeres medianes progressionsfreies Überleben (12 vs. 6 Monate) und ein längeres Gesamtüberleben (41 vs. 28 Monate; [4]). Aufgrund der geringen Anzahl an HNSCC-Patienten in bisherigen SABR-Studien lassen sich diese positiven Ergebnisse jedoch nur eingeschränkt auf HNSCC-Tumorpatienten übertragen. Die GORTEC-2014-04-Studie ‚OMET‘ (NCT03070366) untersuchte den Einfluss einer Chemotherapie in Kombination mit SABR im Vergleich zu alleiniger SABR auf das Überleben ohne anhaltende Verschlechterung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität (QoL) bei Patienten mit oligometastasiertem HNSCC [1].
Patienten und Methodik
Diese multizentrische, offene, parallelisierte und nichtvergleichende Phase-II-Studie (OMET) wurde an elf französischen Kliniken durchgeführt. Eingeschlossen wurden Patienten ab 18 Jahren mit einem histologisch gesicherten, lokal kontrollierten HNSCC. Sie mussten einen ECOG-Performance-Status von 0 bis 2, eine geschätzte Lebenserwartung von > 6 Monaten und eine oligometastasierte Situation mit 1–3 mit SABR behandelbaren Metastasen aufweisen. Die maximale Tumorausdehnung (GTV) sollte sechs Zentimeter nicht überschreiten (drei Zentimeter bei zentral gelegenen Lungenmetastasen, Hirn- oder Lymphknotenmetastasen).
Die Randomisierung erfolgte 1:1 auf einen Chemo-SABR-Arm mit Kombination aus systemischer Therapie nach dem EXTREME-Schema (oder Modifikation) und SABR sowie einen experimentellen Arm bestehend aus SABR ohne Systemtherapie. Die SABR konnte in drei oder fünf Fraktionen appliziert werden, abhängig vom Tumordurchmesser und vom Abstand zu Risikoorganen. Mehrere Metastasen konnten zeitgleich oder nacheinander bestrahlt werden, wobei die gesamte SABR-Behandlung maximal sechs Wochen dauern durfte.
Im Arm mit systemischer Therapie begann die SABR planmäßig nach dem ersten Chemotherapiezyklus. Die Nachbeobachtung umfasste regelmäßige klinische Kontrollen, Bildgebung (CT, PET-CT und ggf. MRT) nach jeweils drei Monaten im ersten Jahr sowie Lebensqualitätsmessungen mit den Fragebögen EORTC QLQ-C30, HN35 und EQ-5D-3L zu vorgegebenen Zeitpunkten. Als primäres Ziel wurde ein „composite endpoint“ betrachtet, das Überleben nach einem Jahr ohne anhaltende Verschlechterung der globalen Lebensqualität (definiert als Abfall um mindestens zehn Punkte ohne Erholung). Sekundäre Endpunkte umfassten unter anderem das Gesamtüberleben, das progressionsfreie Überleben, die lokale Kontrolle am Bestrahlungsort und Toxizität.
Ergebnisse
Insgesamt wurden 69 Patienten rekrutiert, von diesen wiesen 83 % nur Lungenmetastasen und 58 % nur eine einzige Metastase auf. Das Überleben nach einem Jahr ohne anhaltende Verschlechterung der globalen Lebensqualität betrug 55,2 % im Arm SABR allein und 53,3 % im Arm Chemo-SABR.
Das mediane Gesamtüberleben (OS) lag mit 42,3 Monaten im Chemo-SABR-Arm und 41,1 Monaten im SABR-allein-Arm fast gleichauf; die 1‑Jahres-Überlebensraten betrugen 85,6 % bzw. 85,3 %. Beim progressionsfreien Überleben (PFS) erreichte der Chemo-SABR-Arm einen Median von 12,9 Monaten, der alleinige SABR-Arm 7,4 Monate. Die lokale Kontrolle der bestrahlten Metastasen war in beiden Armen hoch (Chemo-SABR: 80,0 %, SABR allein: 82,4 %). Schwere Toxizitäten von Grad 3–4 traten bei SABR allein in 8,8 % und bei Chemo-SABR in 60,0 % auf.
Schlussfolgerung der Autoren der Originalarbeit
Die Autoren schlussfolgerten, dass SABR ohne zusätzliche Chemotherapie eine sinnvolle Alternative für Patienten mit oligometastasiertem HNSCC darstellen könnte.

Kommentar

Von bisherigen Konzepten der SABR bei Oligometastasierung, die die lokal ablative Therapie in Ergänzung zu einer möglichst effektiven Systemtherapie implementiert haben, weicht die Intention der OMET-Studie deutlich ab. Auf dem Niveau einer randomisierten Phase-II-Studie deutet die OMET-Studie an, dass die alleinige SABR im Setting des oligometastasierten (und günstig selektionierten) HNSCC nicht nur ein vergleichbares Überleben „mit Erhalt der Lebensqualität“ wie ein intensives Konzept bestehend aus SABR in Kombination mit einer Chemotherapie entsprechend dem EXTREME-Protokoll, sondern auch ein ähnliches Gesamtüberleben hat.
Aktuelle Studien fokussieren sich zwar auf Immuntherapie bei oligometastasiertem HNSCC, jedoch wird dort das Konzept einer reinen SABR-Behandlung bislang nicht untersucht.
Bei der hier referierten Studie fallen folgende Punkte auf:
1.
Als Endpunkt wurde eine Kombination aus Ein-Jahres-Überleben und ausbleibender Verschlechterung der globalen Lebensqualität des QLQ-C30-Scores gewählt. Der QLQ-C30-Fragebogen stellt das globalste Instrument der Lebensqualitätsmessung im onkologischen Bereich dar. HNSCC-spezifischere Instrumente wie der QLQ-H&N35-Fragebogen wurden ebenfalls erhoben, jedoch nicht in die Definition des primären Endpunkts miteinbezogen.
 
2.
Nicht alle metastasenverdächtigen Läsionen wurden bioptisch gesichert. Es oblag den multidisziplinären Tumorboards, über die Sicherung der Läsionen zu entscheiden, sodass in einigen Fällen vom Vorliegen eines Zweitmalignoms anstatt einer HNSCC-Metastase ausgegangen werden kann.
 
3.
In der Pattern-of-failure-Analyse zeigte sich, dass in der Chemotherapiegruppe (16/35) vergleichbar häufig neue Metastasen auftraten wie in der SABR-only-Gruppe (16/34).
 
4.
Das mediane Follow-up betrug nur 55,3 Monate und insgesamt wurden lediglich n = 69 Patienten für diese Phase-II-Studie rekrutiert. Die Studie wurde als nichtkomparatives Design konzipiert mit einer vordefinierten Hypothese bezogen auf den Experimentalarm. Um vergleichbare Ergebnisse beider Studienarme zu erzielen, müssten zukünftige Untersuchungen als Phase-III-Studie gepowert werden. Dies ist im Hinblick auf die Patientenzahlen für die Gruppe der oligometastasierten HNSCC-Patienten jedoch schwer umsetzbar.
 
5.
Immuntherapie wurde in der OMET-Studie nicht betrachtet. Pembrolizumab sowie Pembrolizumab + Chemotherapie verbesserten in der KEYNOTE-048-Studie bei Patienten mit rezidiviertem oder metastasiertem HNSCC das Gesamtüberleben im Vergleich zum EXTREME-Schema in den Subgruppen PD-L1 CPS ≥ 20 % und CPS ≥ 1 % [5]. Der Vergleich der alleinigen SABR mit einem Konzept einschließlich SABR und Immuntherapie könnte anders ausfallen als in der OMET-Studie.
 
Fazit
Eine alleinige SABR-Therapie ohne zusätzliche Chemotherapie nach dem EXTREME-Protokoll stellt eine potenzielle Alternative in der Behandlung von Patienten mit einem oligometastasierten HNSCC dar. Aktuelle Studiendesigns, die die Rolle der Immuntherapie bei dieser Patientengruppe evaluieren, sollten auch die Möglichkeit einer alleinigen SABR-Behandlung miteinbeziehen. Das größte Potenzial dürfte aber eine optimierte Kombination aus einer Systemtherapie mit guter Balance aus Effektivität und limitierter Toxizität und der SABR aufweisen.
Jörg Andreas Müller und Dirk Vordermark, Halle

Interessenkonflikt

J.A. Müller und D. Vordermark geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Open Access This article is licensed under a Creative Commons Attribution 4.0 International License, which permits use, sharing, adaptation, distribution and reproduction in any medium or format, as long as you give appropriate credit to the original author(s) and the source, provide a link to the Creative Commons licence, and indicate if changes were made. The images or other third party material in this article are included in the article‘s Creative Commons licence, unless indicated otherwise in a credit line to the material. If material is not included in the article‘s Creative Commons licence and your intended use is not permitted by statutory regulation or exceeds the permitted use, you will need to obtain permission directly from the copyright holder. To view a copy of this licence, visit http://​creativecommons.​org/​licenses/​by/​4.​0/​.

Hinweis des Verlags

Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
download
DOWNLOAD
print
DRUCKEN

Unsere Produktempfehlungen

e.Med Interdisziplinär

Kombi-Abonnement

Für Ihren Erfolg in Klinik und Praxis - Die beste Hilfe in Ihrem Arbeitsalltag

Mit e.Med Interdisziplinär erhalten Sie Zugang zu allen CME-Fortbildungen und Fachzeitschriften auf SpringerMedizin.de.

e.Med Radiologie

Kombi-Abonnement

Mit e.Med Radiologie erhalten Sie Zugang zu CME-Fortbildungen des Fachgebietes Radiologie, den Premium-Inhalten der radiologischen Fachzeitschriften, inklusive einer gedruckten Radiologie-Zeitschrift Ihrer Wahl.

Strahlentherapie und Onkologie

Print-Titel

•Übersichten, Originalien, Kasuistiken

•Kommentierte Literatur aus der Radioonkologie, Strahlenbiologie und -physik

Literatur
1.
Zurück zum Zitat Thariat J, Bosset M, Falcoz A et al (2024) Survival without quality of life deterioration in the GORTEC 2014-04 “OMET” randomised phase 2 trial in head and neck cancer patients with Oligometastases using Stereotactic ablative radiotherapy (SABR)-alone or chemotherapy SABR. Int J Radiat Oncol Biol Phys. https://doi.org/10.1016/j.ijrobp.2024.11.084CrossRefPubMed Thariat J, Bosset M, Falcoz A et al (2024) Survival without quality of life deterioration in the GORTEC 2014-04 “OMET” randomised phase 2 trial in head and neck cancer patients with Oligometastases using Stereotactic ablative radiotherapy (SABR)-alone or chemotherapy SABR. Int J Radiat Oncol Biol Phys. https://​doi.​org/​10.​1016/​j.​ijrobp.​2024.​11.​084CrossRefPubMed
Metadaten
Titel
Stereotaktisch ablative Strahlentherapie (SABR) ohne Chemotherapie bei oligometastasierten Kopf-Hals-Tumoren (GORTEC 2014-04 „OMET“)
verfasst von
Dr. Jörg Andreas Müller
Prof. Dr. Dirk Vordermark
Publikationsdatum
27.02.2025
Verlag
Springer Berlin Heidelberg
Erschienen in
Strahlentherapie und Onkologie
Print ISSN: 0179-7158
Elektronische ISSN: 1439-099X
DOI
https://doi.org/10.1007/s00066-025-02384-1

Passend zum Thema

ANZEIGE

Klimawandel, mehr UV-Exposition und mehr Hautkrebs: wie versorgen wir unsere Patienten zukünftig?

Der Klimawandel führt aufgrund besonderer stratosphärischer Konstellationen auch zu einer Vermehrung der terrestrischen UV-Strahlung. Diese Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Häufigkeit von hellem Hautkrebs, insbesondere bei Außenbeschäftigte.

ANZEIGE

Moderne Narbenbehandlung: Laser-Assisted Skin Healing

Ein neues Verfahren zur Narbenbehandlung verspricht, hypertrophen und Keloidnarben schon bei der Entstehung vorzubeugen. Die Methode, bekannt als Laser-Assisted Skin Healing (LASH), wird zunehmend anerkannt und in Leitlinien empfohlen. Worauf es dabei ankommt – drei Fragen und Antworten!

ANZEIGE

Bepanthen® unterstützt bei vielen Indikationen die Regeneration der Haut

  • Content Hub

Bepanthen® Wund- und Heilsalbe wird nach wie vor erfolgreich bei kleinen Alltagsverletzungen eingesetzt. Moderne Forschung schafft darüber hinaus Evidenz für neue Anwendungsgebiete wie z.B. für die Nachbehandlung einer Lasertherapie bei aktinischer Keratose oder einer Tattoo-Entfernung. Aktuelle Studienergebnisse oder Neuigkeiten aus der Dermatologie erfahren Sie hier.

Bayer Vital GmbH