Bald Markteinführung? CGRP-Blocker erfolgreich bei Migräne

Die Phase-III-Daten sind zwar nicht ganz so gut wie die in Phase II, aber der Antikörper Erenumab konnte die Zahl der Migränetage deutlich stärker senken als Placebo. Damit steht der Zulassung als erstem CGRP-Antagonisten kaum noch etwas im Wege. Erenumab hat offenbar die Nase vorn und könnte als erstes spezifisches Migränepräventivum eine Zulassung erhalten. Auf der Jahrestagung der US-amerikanischen Neurologengesellschaft AAN wurden erstmals ausführlich Daten zu zwei Phase-III-Studien mit dem Antikörper vorgestellt, der bislang die Bezeichnung AMG 334 trug. In beiden Studien ließ sich die Zahl der Migränetage bei Patienten mit episodischer Migräne signifikant reduzieren. In der sechs Monate dauernden Studie ARISE* sank mit der 70-mg-Dosierung die Zahl der Kopfschmerztage um 2,9 im Monat, nur 1,8 Kopfschmerztage weniger im Monat hatten die Patienten unter Placebo. Letztlich litten die Patienten mit der Antikörperprävention also einen Tag pro Monat weniger unter Migräne. Auch Patienten in der Studie STRIVE profitierten von Erenumab stärker als von Placebo: Mit der 140-mg-Dosis sank hier die Zahl der Kopfschmerztage um 3,7 im Monat, mit 70 mg um 3,2 und mit Placebo um 1,8 Tage. Mit der höchsten Dosierung mussten die Patienten demnach knapp zwei Migränetage pro Monat weniger ertragen als unter Placebo. Kaum relevante Nebenwirkungen In ARISE wurden 577 Patienten drei Monate lang entweder mit Placebo oder Erenumab behandelt. Alle Patienten hatten eine episodische Migräne, die Hälfte von ihnen war zuvor noch nicht prophylaktisch behandelt worden. Die Medikation wurde einmal im Monat subkutan verabreicht. Nach drei Monaten erfolgte eine offene Therapie über ein halbes Jahr hinweg, gefolgt von einer achtwöchigen Sicherheitsnachbeobachtung, erläuterte Dr. David Dodick von der Mayo Clinic in Scottsdale, Arizona. Im Schnitt waren die Patienten 42 Jahre alt, zu 85% weiblich und wurden an über acht Tagen im Monat von Migräneattacken geplagt, an drei bis vier Tagen im Monat benötigten sie eine Akutmedikation gegen ihre Migräne. Drei Monate nach Therapiebeginn war die Zahl der monatlichen Migränetage unter Placebo von 8,4 auf 6,6 gesunken, mit Erenumab von 8,1 auf 5,2. Eine mindestens 50%ige Reduktion der Migränetage gelang knapp 40% mit dem Antikörper, 30% waren es mit Placebo. Bei den unerwünschten Wirkungen gab es kaum Unterschiede zwischen den Therapiegruppen: Erkältungen und Injektionsschmerzen traten unter Erenumab geringfügig häufiger auf, dafür wurde unter Placebo etwas öfter Übelkeit und Fatigue beobachtet. Insgesamt sieht Dodick für Erenumab ein Nebenwirkungsprofil, das mit Placebo vergleichbar ist. 4,3% der Patienten entwickelten Antikörper gegen das Medikament, bei einem Patienten wurde Erenumab dadurch zeitweise neutralisiert. Ähnliche Resultate berichtete Professor Peter Goadsby vom Kingʼs College in London zur Studie STRIVE, an der sich 955 Patienten mit episodischer Migräne beteiligten. Mit 3,2 (70 mg) und 3,7 (140 mg) sank die Zahl der Migränetage mit Erenumab nicht nur stärker als mit Placebo, der Unterschied war auch größer als in ARISE. Eine 50%ige Reduktion der Migränetage erreichten unter 140 mg die Hälfte, unter 70 mg 44%, mit Placebo 27% – auch hier war die Differenz zu Placebo etwas größer als in ARISE. In einer zuvor veröffentlichten Phase-II-Studie bei episodischer Migräne hatte die 70-mg-Dosis bei der Reduktion der Migränetage (3,4 pro Monat) und der 50%-Responderrate (46%) etwas besser abgeschnitten als in STRIVE und vor allem als in ARISE. Therapie auch bei kardiovaskulären Risikopatienten sicher? Erenumab blockiert den Rezeptor für das Calcitonin gene-related peptide (CGRP). Drei weitere Antikörper gegen CGRP befinden sich derzeit noch in Phase-III-Studien. Sie hemmen jedoch nicht den Rezeptor, sondern direkt das Peptid. Ergebnisse werden ebenfalls in Kürze erwartet. Wie solche Medikamente eine Migräne verhindern, ist noch nicht ganz klar. CGRP ist jedenfalls recht weit im Nervensystem verbreitet und von großer Bedeutung bei der trigeminalen Schmerzübertragung. So sind die Hirnhäute stark mit trigeminalen Fasern innerviert, die CGRP freisetzen. CGRP ist wiederum einer der stärksten bekannten Vasodilatatoren. Die dadurch vermittelte Erweiterung kranialer Gefäße wird als eine der Haupttriebfedern für Migräne gesehen. Auch wenn sich kurzfristig keine relevanten Nebenwirkungen nachweisen lassen, so dürften Langzeitdaten interessant werden. Dr. Natalia Rost, Vorsitzende des AAN Science Committee, gab auf einer Pressekonferenz bei der Tagung zu bedenken, dass CGRP-Rezeptoren auch in extrakraniellen Gefäßen vorkommen. „Wenn man auf einen Rezeptor zielt, der für die vaskuläre Gesundheit bedeutsam ist, und diesen in jungen Jahren beginnend praktisch lebenslang blockiert, kann das durchaus unerwartete Langzeitfolgen haben“, sagte sie. Vor allem bei Patienten, die in ihren 50er- und 60er-Jahren mit CGRP-Blockern behandelt werden, sollten Ärzte nach Ansicht von Rost genau hinschauen, da solche Patienten häufig ein hohes kardiovaskuläres Risiko tragen. *Akronyme: ARIVE: Study to Evaluate the Efficacy and Safety of AMG 334 Compared to Placebo in Migraine Prevention STRIVE: Study to evaluate the efficacy and safety of erenumab in migraine prevention (STRIVE) basierend auf: 69th Annual Meeting of the American Academy of Neurology (AAN). Boston April 22 – April 28. 2017. - Peter Goadsby: Phase 3, Randomized, Double-blind, Placebo-controlled Study to Evaluate the Efficacy and Safety of Erenumab (AMG 334) in Migraine Prevention: Primary Results of the STRIVE Trial. Clinical Trials Plenary Session, April 25. - David Dodick: A Phase 3, Randomized, Double-Blind, Placebo-Controlled Study to Evaluate the Efficacy and Safety of Erenumab in Migraine Prevention: Primary Results of the ARISE Trial. Emerging Science Platform Session, April 25. - Natalia Rost, Press Conference Nr. 2, April 25

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