Neuer Ansatz zur Migräneprophylaxe besteht Phase-2-Prüfung

Für Migränekranke könnte es bald einen neuen Therapieansatz geben: Ein Antikörper gegen den Vasodilatator PACAP reduzierte in einer Phase-2-Studie die Zahl der Migränetage. Die Arznei dürfte auch für Erkrankte relevant sein, die auf bisherige Optionen schlecht ansprechen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Zwei Migränetage weniger im Monat im Vergleich zu Placebo – das ist die Bilanz einer Phase-2a-Studie mit dem neuen Antikörper Lu AG09222. Der Effekt erscheint damit auf den ersten Blick nicht sehr groß zu sein, im Laufe eines Jahres ergibt das aber mehr als drei Wochen mit verbesserter Lebensqualität. Zudem zeigen auch die bisherigen Antikörpertherapien zur Migräneprophylaxe eine ähnliche Wirksamkeit. Migräne ist eben eine recht komplexe Erkrankung, und was bei einem Patienten wirkt, hilft dem anderen nicht unbedingt. Insofern könnte der neue Antikörper eine Option für Migränekranke sein, die von den bisherigen Therapien wenig profitieren. Denn anders als die bislang etablierten Antikörper gegen das „Calcitonin Gene-Related Peptide“ (CGRP) richtet sich Lu AG09222 gegen ein anderes Target, das „Pituitary Adenylate Cyclase–Activating Polypeptide“ (PACAP). PACAP wird seit einiger Zeit als lohnendes Ziel in der Migränetherapie betrachtet. Der PACAP-Rezeptor ist im peripheren und zentralen Nervensystem weit verbreitet, eine Infusion des gefäßerweiternden Peptids löst migräneartige Anfälle aus, die sich mit Triptanen unterbinden lassen. Antikörper gegen den PACAP-Rezeptor zeigten bislang jedoch nur geringe Effekte. Mit Lu AG09222, das sich gegen den Liganden richtet, können Neurologinnen und Neurologen um Dr. Messoud Ashina vom Kopfschmerzzentrum an der Universität Kopenhagen nun einen ersten Erfolg verbuchen. An ihrer Studie mit der Bezeichnung HOPE haben 237 Erwachsene teilgenommen, bei denen zuvor schon zwei prophylaktische Versuche gescheitert waren. Der Frauenanteil betrug rund 90%, das mittlere Alter 43 Jahre, fast alle stammten aus Europa, zwei Drittel hatten eine chronische Migräne, im Mittel wurden die Betroffenen von 17 Migränetagen pro Monat heimgesucht. Knapp über die Hälfte hatte zwei Therapieversuche zur Prophylaxe hinter sich, die übrigen drei oder mehr. 97 Erkrankte erhielten eine einmalige Infusion von 750 mg des Antikörpers, ähnlich viele Placebo und nur halb so viele eine reduzierte Dosis mit 100 mg (2:2:1-Design). Weniger Akutmedikamente nötig Primärer Endpunkt war die Zahl der Migränetage in den ersten vier Wochen nach der Infusion, ausschließlich bezogen auf die hohe Dosis und Placebo. Mit der hohen Dosis des Antikörpers ging die Zahl im Schnitt um 6,2 Tage, mit Placebo um 4,2 Tage zurück. Die Differenz von 2,0 Tagen war statistisch signifikant. 32% mit der hohen Dosis sowie 27% unter Placebo konnten die Zahl der monatlichen Migränetage um mindestens 50% reduzieren. Die Zahl der monatlichen Migräneattacken ging mit der hohen Dosis im Mittel um 4,7 und mit Placebo um 3,1 Attacken zurück. Auch diese Differenz von 1,7 Attacken war statistisch signifikant. Die Zahl der Tage mit Migräne-Akutmedikation sank unter dem Antikörper um 5,7 und unter Placebo um 3,4, woraus sich eine Differenz von 1,7 Tagen ergibt. Mit dem Antikörper kam es etwas häufiger zu Erkältungen, Coronaerkrankungen und Fatigue als unter Placebo. Als einziges ernstes Ereignis trat bei einer Person rund einen Monat nach der Infusion ein zervikozephales Syndrom auf, dieses wurde jedoch nicht mit der Behandlung in Verbindung gebracht. „Diese Ergebnisse bestätigen, dass die Hemmung der PACAP-Signalübertragung einen neuen und potenziell wirksamen Mechanismus zur Migräneprävention darstellt“, so das Fazit von Ashina und Mitarbeitenden. Der Antikörper wird von Lundbeck entwickelt. Das Unternehmen hat inzwischen die Phase-2b-Studie PROCEED mit knapp 500 Migränekranken initiiert. Dabei soll die optimale Dosis für eine Phase-3-Studie ermittelt werden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Kann eine Blockade des gefäßerweiternden Peptids PACAP durch einen Antikörper die Zahl der monatlichen Migränetage reduzieren? Antwort: In einer Phase-2-Studie sank unter dem Antikörper Lu AG09222 die Zahl der monatlichen Migränetage von rund 17 auf 11, mit Placebo von 17 auf 13. Bedeutung: Mit dem PACAP-Blocker ließ sich die Zahl der monatlichen Migränetage im Vergleich zu Placebo signifikant stärker senken. Einschränkung: Nur eine Dosis getestet. Länger dauernde Studien mit größeren Teilnehmerzahlen nötig.

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