Behandlung von Migränepatienten ist oft fehlerhaft

An Leitlinien mangelt es der Migränetherapie nicht – aber womöglich an Medizinern, die sich daran halten. Jeder dritte Patient hierzulande wird zunächst nicht gemäß den Empfehlungen behandelt. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie und die Deutsche Migräne- und Kopfschmerzgesellschaft haben im vergangenen Jahr eine S1-Leitlinie zur „Therapie der Migräneattacke und Prophylaxe der Migräne“ vorgelegt. Wie die Autoren um Prof. Hans-Christoph Diener betonen, ist die Leitlinie „evidenzbasiert, berücksichtigt die klinischen Erfahrungen der Leitlinienautoren“ und versteht sich als Fortentwicklung nationaler und internationaler Vorgänger-Leitlinien. Genannt werden insgesamt sechs an der Zahl, darunter neben der deutschen Leitlinie von 2012 auch jene der European Federation of Neurological Societies von 2009 und die Empfehlungen der American Academy of Neurology und der American Headache Society von 2012. Evidenzbasierte Hinweise zum medizinischen Umgang mit Migränepatienten gibt es also seit geraumer Zeit. Ein Forscherteam des Instituts für Systemische Neurowissenschaften an der Universitätsklinik Hamburg-Eppendorf, angeführt von Christian Ziegeler, hat sich einmal angesehen, wie gut die in solchen Leitlinien formulierten Vorgehensweisen in der Praxis befolgt werden. Anlass dafür dürften nicht zuletzt die Erfahrungen gewesen sein, welche Ziegeler und Kollegen als Mediziner eines spezialisierten Kopfschmerzzentrums, in einer Einrichtung der Maximalversorgung mithin, gemacht haben. In aller Kürze beschreiben sie die Lage so: „Das Management von Migränepatienten ist oft mangelhaft.“ Vergebliche Bildgebung Ziegeler und sein Team griffen für ihre Analyse auf die Angaben von 1935 Patienten zurück. Im Jahr, bevor die Patienten Hilfe in der Spezialklinik suchten, hatten 89,5% wegen ihrer Migräne einen Allgemeinarzt, 74,9% einen Neurologen und 47,4% einen Orthopäden aufgesucht. Rund jeder zweite Patient war zu einer Schädel-CT geschickt worden, ebenso viele mussten sich einer MRT unterziehen, ohne dass dies auch nur in einem Fall die Diagnose geändert hätte. Gemessen an dem, was die Leitlinien zur Migräne besagen, waren 34,2% der Patienten falsch behandelt worden. Beispielsweise hatten 60,8% der mehr als 1000 Patienten, die keine Präventionsmedikation erhalten hatten, im Schnitt mindestens drei Migräneattacken im Monat – womit eine klare Präventionsindikation bestand. Diese Patienten hatten in den drei Monaten vor der Konsultation der Spezialisten im Durchschnitt fünf Arbeits- oder Schultage versäumt. Und einmal angesetzt, verlief die medikamentöse Prävention in 71,2% der Fälle erfolgreich – jedenfalls bei jenen Patienten, für die Follow-up-Daten vorlagen. Die Hamburger Kopfschmerzspezialisten fordern deshalb, die Therapieleitlinien stärker im klinischen Alltag zu verankern. Außerdem sollte das Thema Kopfschmerzen in der medizinischen Ausbildung besser berücksichtigt werden. Die Frage allerdings, weshalb die behandelnden Ärzte sich nicht an die Empfehlungen zur Migränetherapie halten, können auch Ziegeler und Mitarbeiter nicht beantworten. Die einschlägigen Entscheidungsprozesse sollten deshalb in künftigen Studien untersucht werden. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie leitliniengerecht ist die Therapie von Migränepatienten in Deutschland? Antwort: Ausweislich der Daten eines spezialisierten Zentrums hapert es mit der Migränetherapie, und zwar erheblich: Mehr als jeder dritte Patient wird falsch behandelt. Bedeutung: Die Leitlinien müssen besser in den klinischen Alltag integriert werden. Einschränkung: Der Follow-up der Patienten war unvollständig.

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