18.03.2021 | MKG-Chirurgie | Nestoren der MKG-Chirurgie
Martin Waßmund (1892–1956) – Wegbereiter der MKG-Chirurgie mit politischem Makel
verfasst von:
Prof. Dr. Dr. Dr. Dominik Groß
Erschienen in:
Die MKG-Chirurgie
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Ausgabe 2/2021
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Zusammenfassung
Aus heutiger Sicht steht der Name Martin Waßmund einerseits für wissenschaftliche und institutionelle Pionierleistungen im Fach MKG-Chirurgie (historisch: Kieferchirurgie) und andererseits für die Befürwortung von Zwangssterilisationen im „Dritten Reich“. Was aber steckt genau hinter diesen Zuschreibungen? Worin bestand Waßmunds konkreter Einfluss auf die Entwicklung des Fachs und was kennzeichnete sein Verhältnis zum Nationalsozialismus? Ebendiesen Fragestellungen geht der vorliegende Beitrag nach. Grundlage der Studie sind Primärdokumente aus dem Bundesarchiv Berlin-Lichterfelde und zeitgenössische Publikationen von und über Waßmund. Zudem erfolgte eine umfassende Auswertung der verfügbaren Sekundärliteratur. Die historische Analyse zeigt, dass Waßmund tatsächlich als Wegbereiter des Fachs anzusehen ist – sowohl auf wissenschaftlicher als auch auf institutioneller Ebene: Er führte zahlreiche innovative Operationstechniken und Verfahren in die MKG-Chirurgie ein, etablierte eine der ersten „Kieferkliniken“ im deutschsprachigen Raum und setzte mit der Gründung der DGKG (heute: DGMKG) – einem Gegenentwurf zur AG Kieferchirurgie – ein fachpolitisches und programmatisches Zeichen. Doch in mancher Hinsicht nahm Waßmund auch eine fachliche Außenseiterrolle ein: Seine Bemühungen um eine hauptamtliche Professur blieben ohne Erfolg und auch seine nationalsozialistische Position in der Frage der Zwangssterilisation rief unter Kollegen heftigen Widerspruch hervor. Umso bemerkenswerter ist das historische Faktum, dass Waßmunds moralisch umstrittene Position in dieser Frage nach 1945 tabuisiert wurde. Erst nach der Jahrtausendwende mehrten sich kritische Stimmen, die letztlich in einer Umbenennung des Martin-Waßmund-Preises mündeten.