Viel Neurofilament im Blut, hohes Demenzrisiko

Je höher die Serumwerte für Neurofilament, umso stärker bauen ältere Menschen in den folgenden Jahren geistig ab. Der Biomarker eignet sich offenbar recht gut als Prognose- und Verlaufsmarker. Wie rasch eine Alzheimerdemenz voranschreitet, lässt sich natürlich ganz gut über Kognitionstests erkennen. Für die Forschung, die Medikamentenentwicklung und auch für die Prognose und genaue Diagnose bei ersten kognitiven Defiziten wären jedoch präzisere Marker wünschenswert. Diese gibt es mit der PET- und MRT-Bildgebung sowie der Liquordiagnostik auf Beta-Amyloid (Aß) und Tau-Protein zwar längst, allerdings sind solche Verfahren entweder teuer oder recht invasiv und somit kaum alltagstauglich. Besser wäre daher eine Verlaufskontrolle über einen simplen Bluttest. Dafür scheint niedermolekulares Neurofilament (NFL) gut geeignet zu sein, wie Forscher um Dr. Niklas Mattsson von der Universität in Malmö in Schweden berichten. Amyloidwerte korrelieren mit NFL Für ihre Analyse verwendeten die Forscher Blutproben, die von knapp 1600 Teilnehmern der Studie ADNI (Alzheimer’s Disease Neuroimaging Initiative) jährlich entnommen wurden. Die ersten Proben stammten aus dem Jahr 2005, die letzten aus 2016 – damit konnten die Forscher Zeitreihen bis zu elf Jahren erstellen. Im Schnitt analysierten sie rund drei Serumproben pro Teilnehmer. Die ADNI-Probanden waren zu Beginn im Mittel 73 Jahre alt, etwa die Hälfte hatte erste kognitive Beeinträchtigungen (MCI), rund ein Viertel war kognitiv unauffällig und die übrigen hatten eine meist leichte Alzheimerdemenz (MMST-Wert noch über 20 Punkte). Die Gehirne der Teilnehmer wurden regelmäßig per MRT auf Volumen- und per FDG-PET auf Stoffwechseländerungen untersucht, bei einem Teil bestimmten die Forscher zudem die Konzentrationen von Aß-Fragmenten und Tau-Protein im Liquor, schließlich erfolgten auch regelmäßige Kognitionstests. Zu Beginn waren die NFL-Werte erwartungsgemäß bei den kognitiv gesunden Probanden am niedrigsten (im Mittel 32 ng/l), etwas höher lagen sie bei den MCI-Patienten (38 ng/l), noch höher bei Alzheimerpatienten (46 ng/l). Kognitiv normale Teilnehmer mit positivem Aß-Befund im Liquor hatten zu Beginn höhere NFL-Werte als Aß-negative, eine ähnliche Differenzierung ergab sich auch bei den MCI-Patienten, aber nicht bei denen mit Alzheimer. Im zeitlichen Verlauf stiegen die NFL-Werte in allen Gruppen kontinuierlich und weitgehend linear an, der Anstieg verlief bei den Alzheimerkranken aber steiler als bei anfangs kognitiv Gesunden und den Probanden mit MCI. Ein klarer Zusammenhang zeigte sich auch mit dem per Liquor bestimmten Amyloid- und Tau-Status sowie der per Bildgebung definierten Neurodegeneration, wobei vor allem ein positiver Tau-Befund mit einem steilen Anstieg der NFL-Werte in den folgenden Jahren einherging. Erhöhte NFL-Werte sind ein Warnsignal Wurden jeweils die absoluten Werte der einzelnen Liquor-Biomarker verglichen, ergab sich der stärkste Zusammenhang mit Aß42: Eine Standardabweichung vom Mittelwert nach unten ging mit einer um 0,67 ng/l größeren NFL-Steigerung pro Jahr einher. Unter den Bildgebungsdaten waren vor allem ein geringes Hippocampusvolumen sowie ein kleines Volumen des entorhinalen Kortex prädiktiv, unter den Kognitionstests vor allem ein schlechtes Ergebnis beim ADAS-cog. Umgekehrt ging ein deutlicher Anstieg der NFL-Werte bei kognitiv gesunden Probanden und MCI-Patienten mit einer entsprechenden Veränderung fast aller anderen Biomarker und einem deutlichen kognitiven Abbau einher, bei Alzheimerkranken korrelierte ein weiterer Anstieg der NFL-Werte hingegen nur noch mit der kognitiven Leistung. Aus den Daten ergeben sich drei wesentliche Schlussfolgerungen: Erhöhte NFL-Serumwerte bei älteren Menschen ohne Demenz sind ein Warnsignal – meist hat bereits ein neurodegenerativer Prozess begonnen, solche Menschen haben häufig auch auffällige Liquorwerte für Alzheimermarker oder eine Atrophie in wichtigen Hirnarealen. Da NFL nicht alzheimerspezifisch ist, kann allerdings auch eine andere Erkrankung die Ursache dafür sein. NFL-Serumwerte korrelieren sehr gut mit anderen Alzheimerbiomarkern wie Aß und Tau im Liquor oder der MRT-Volumetrie bei kognitiv Gesunden sowie MCI-Patienten. NFL könnte demnach als wenig invasiver Verlaufsmarker dienen und auch den Erfolg künftiger Therapien anzeigen. Solange sich die NFL-Werte bei älteren Menschen ohne Demenz über die Jahre hinweg nur wenig ändern, liegt offenbar keine neurodegenerativer Erkrankung vor.

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