Anforderungen an den idealen Labormarker
Ein für das Management einer CED idealer Labormarker sollte vielen Ansprüchen genügen. In der initialen Diagnostik sollte ein Marker zwischen CED, anderen gastrointestinalen Erkrankungen, aber auch den CED-Subentitäten unterscheiden helfen, also möglichst spezifisch sein. Zudem sollte er zur Erfassung der Schwere der Erkrankung
per se, der Krankheitsaktivität und zur Prognose eines Schubs herangezogen werden können, ebenso wie zum Monitoring von Krankheitsverlauf und Therapieansprechen. Des Weiteren sollte der zugrunde liegende Labortest minimalinvasiv, einfach anzuwenden und validiert sein sowie und ein rasches Ergebnis bei möglichst geringen Kosten erbringen [
1].
Inwiefern konventionelle Basistests ebenso wie neue, im klinischen Alltag noch kaum eingesetzte Marker dieser Erwartung gerecht werden könnten, wird im Folgenden bezüglich der Wertigkeit bei initialer Diagnostik, CED-Differenzierung und Verlaufskontrolle zusammengefasst. Die genetische Diagnostik, u. a. zur Charakterisierung der „very early onset inflammatory bowel diseases“ (VEOIBD; [
2]) ist ebenso wenig Gegenstand dieser Arbeit wie Methoden des Drugmonitoring, die J. Däbritz im vorliegenden Heft erläutert.
Die Diagnosekriterien für pädiatrische CED wurden 2014 in revidierter Form von der „Paediatric IBD Porto Group“ der European Society for Paediatric Gastroenterology, Hepatology and Nutrition (ESPGHAN, [
3]) publiziert. Diese führen in einem speziellen Algorithmus zahlreiche Laborparameter zur initialen Diagnostik auf. Hierzu zählen serologische Inflammationsmarker, die in unspezifische (gesamtes Blutbild, Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit [BSG], C‑reaktives Protein [CRP], Gesamteiweiß, Albumin und Eisenstoffwechselparameter) und spezifischere („anti-
saccharomyces cerevisiae antibodies“ [ASCA] und perinukleäre „antineutrophil cytoplasmic antibodies“ [pANCA], atypische ANCA [X-ANCA] etc.) unterteilt werden können. Ebenso sind der fäkale Inflammationsmarker Calprotectin und mikrobiologische Analysen des Stuhls Bestandteile des Algorithmus.
Serologische Marker
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit
Die Bestimmung des BSG-Einstunden-Werts ist bei Morbus Crohn (MC) im Kindes- und Jungendalter zur Erfassung der Krankheitsaktivität wichtig. Diese ist nicht nur Teil des Pediatric Crohnʼs Disease Activity Index (PCDAI), einem seit 1991 weltweit angewandten Index zum Monitoring der Erkrankung, sondern auch des erst kürzlich publizierten „weighted PCDAI“ [
4]. Im PCDAI entspricht ein BSG-Einstunden-Wert <20 mm/h 0 Punkten, ein Wert von >50 mm/h aber 15 Punkten und wirkt sich damit wesentlich auf den Aktivitätsindex insgesamt aus.
C-reaktives Protein
Der sich rasch ändernde Wert des „Akute-Phase-Proteins“ CRP korreliert recht gut mit der intestinalen Inflammation (CRP ~10–40 mg/l bei milder Inflammation vs. ~50–200 mg/l bei schwerer aktiver Erkrankung). Individuelle Unterschiede des CRP-Ausgangswertes sind aufgrund von CRP-Genpolymorphismen möglich. Dessen ungeachtet ist das je nach CED-Subentität unterschiedliche CRP-„Verhalten“ erwähnenswert – mit wesentlich stärkerer CRP-Reaktion bei MC im Vergleich zur Colitis ulcerosa (CU). So erklärt sich u. a., weshalb der „dynamischere“, bei einem Schub rascher ansteigende und durch eine Anämie weniger beeinflusste CRP-Wert bei CED-Patienten für die Einschätzung der Krankheitsaktivität als nützlicher gilt als die BSG [
1]. Dies war auch kürzlich Gegenstand einer retrospektiven Einzelkohortenstudie mit 135 an CED erkrankten Kindern: Beide Laborparameter wurden mit klinisch, endoskopisch-histologisch und radiologisch nachgewiesener Krankheitsaktivität korreliert, sowohl zu Beginn als auch während des 5‑jährigen Follow-up (Tab.
1). Bei Diagnosestellung eines MC waren BSG- und CRP-Werte jeweils signifikant höher als bei CU (BSG: 72 vs. 48 %,
p = 0,022; CRP: 85 vs. 46 %,
p = 0,001). In den Follow-up-Untersuchungen der MC-Patienten fand sich eine signifikante Korrelation der BSG-Werte mit der klinischen, endoskopischen und histologischen Aktivität, nicht aber mit den radiographischen Befunden. Die CRP-Werte korrelierten signifikant mit der klinischen Aktivität. Für die Verlaufskontrolle bei CU erwiesen sich aber beide Parameter als wenig nützlich [
5].
Ob es eine „Hierarchie“ in der Wertigkeit von u. a. BSG und CRP hinsichtlich ihrer Aussagekraft beim initialen „work-up“ noch
vor der Endoskopie gibt, wurde prospektiv bei 256 pädiatrischen CED-Patienten (MC: 151; CU: 95; CED-unklassifiziert [CED-U]: 10) untersucht: Es hatten 56,4 % und 53,4 % der Patienten zu hohe BSG- bzw. CRP-Werte. Auch in dieser Studie waren diese Werte bei MC- signifikant höher als bei CU-Patienten, bei denen wiederum signifikant häufiger normale BSG- und CRP-Befunde erhoben wurden (CU 34 %; MC 15,8 %;
p = 0,0035). Insgesamt waren die serologischen Inflammationsmarker bei 15 % der diagnostizierten CED-Patienten unauffällig [
6].
Tab. 1Korrelation pathologisch erhöhter BSG- bzw. CRP-Werte mit klinischen, endoskopischen, histologischen und radiologischen Befunden. (Modifiziert nach Alper et al. [
5])
Abnormer BSG-Wert | Klinisch | 25 | 54 | 0,042* |
Endoskopisch | 36 | 82 | 0,005* |
Histologisch | 35 | 91 | <0,001* |
Radiologisch | 83 | 64 | 0,23 |
Abnormer CRP-Wert | Klinisch | 29 | 64 | 0,014* |
Endoskopisch | 50 | 80 | 0,066 |
Histologisch | 56 | 72 | 0,33 |
Radiologisch | 88 | 75 | 0,62 |
„Antineutrophil cytoplasmic antibodies“/„anti-saccharomyces cerevisiae antibodies“
Der positive Ausfall der ANCA- bzw. ASCA-Reaktion ist ein CED-Charakteristikum, dessen Wertigkeit für die Differenzierung der 3 CED-Subentitäten (MC, CU, CED-U) bisher am umfangreichsten von Birimberg-Schwartz et al. [
7] untersucht wurde: In einer retrospektiven multizentrischen Longitudinalstudie mit 406 pädiatrischen Patientinnen und Patienten aus 23 Zentren ging es v. a. um die Abgrenzung der CED‑U von MC und CU. Hierzu wurden übereinstimmend große Kohorten analysiert (29 % mit MC-Colitis, 35 % mit CU, 36 % mit CED-U).
Der „dynamischere“ CRP-Wert ist zur Einschätzung der CED-Krankheitsaktivität nützlicher als die BSG
Bei CED‑U wurde die Konstellation pANCA−/ASCA− am häufigsten gefunden, während das Seroprofil pANCA−/ASCA+ eine gute Differenzierung von MC-Colitis vs. CED‑U erlaubte (Spezifität 83 %; positiver prädiktiver Wert 96 %). Im Gegensatz dazu war das Seroprofil pANCA+/ASCA− für die Differenzierung der CED-Subentitäten nicht so aussagekräftig, korrelierte aber bei Diagnose einer CU signifikant mit der Schwere der Erkrankung (p = 0,033), ebenso wie das Profil ASCA+/ASCA+ mit besonders ausgeprägter Krankheitsaktivität bei MC-Colitis.
Zusammenfassend erscheint derzeit der Nutzen dieser Seroprofile für die Vorhersage des weiteren Krankheitsverlaufs bei CED mit Prädilektion im Colon noch nicht überzeugend und sollte nicht als einziges Diagnostikum zur Differenzierung von CED‑U vs. MC-Colitis und CU herangezogen werden.
Fäkales Calprotectin
Calprotectin, ein Protein der Multigenfamilie S‑100, dient dem Nachweis neutrophiler Granulozyten in entzündetem intestinalem Gewebe, und zwar mithilfe einer Stuhlprobe. Der Test auf fäkales Calprotectin (FC) ist nichtinvasiv und bezüglich einer gastrointestinalen Inflammation sehr sensitiv, aber nicht so spezifisch (0,98; 95 %-KI 0,95–0,99 bzw. 0,68; 95 %-KI 0,5–0,86). Große Vorteile stellen die Stabilität bei Raumtemperatur über mehrere Tage, die Resistenz gegenüber der Degradierung und die geringen Nachweiskosten dar [
8].
Das FC dient seit Langem der Indikationsstellung für Endoskopien des Gastrointestinaltrakts bei CED-Verdacht [
3]. In einer Metaanalyse wurde untersucht, ob die Hinzufügung der FC-Bestimmung als Einzeltest – auch im Vergleich zu serologischen Markern – in einem symptomorientierten Vorhersagemodell hilfreich zur Differenzierung der CED-Subentitäten und zur Einschätzung des Risikos schwerer Erkrankung sein könnte (Tab.
2). In diese Analyse wurden nur Studien inkludiert, die genügend individuelle Daten zu Kindern mit mäßigem bis schwerem CED-Risiko boten, um die adäquate Validierung des FC anhand endoskopisch-histologischer Diagnostik bzw. klinischem Follow-up zu erlauben. Obwohl auch serologische Parameter (CRP, BSG, Thrombozyten, Hämoglobin, Albumin) für sich genommen und in Ergänzung zu den klinischen Symptomen die Unterscheidung, ob ein Patient eine CED hatte oder nicht, signifikant verbesserten, erwies sich FC als bester Marker: Durch seine zusätzliche Analyse ließ sich die „Area under the curve“ (AUC) der Symptome um 0,26 verbessern und der Evaluierung der klinischen Symptome der relativ größte diagnostische Wert hinzufügen [
9]. Allein durch zusätzliche FC-Bestimmung stieg die Identifizierung jener Patienten, die keine CED hatten, von 33 auf 91 %. Der Anteil jener, die fälschlich als Niedrigrisikopatienten für eine CED eingestuft worden waren, nahm von 16 auf 9 % ab. Vor allem die Gruppe, die zunächst als mit mäßigem CED-Risiko klassifiziert worden war, verringerte sich von 55 auf 6 %.
Tab. 2Diagnostischer Nutzen serologischer und fäkaler Marker als Einzeltest, zusätzlich zu klinischen Symptomen. (Modifiziert nach Holtman [
9])
C‑reaktives Protein | 5 | 0,08 (0,04–0,11) |
Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit | 5 | 0,16 (0,11–0,21) |
Thrombozyten | 4 | 0,13 (0,08–0,19) |
Hämoglobin | 4 | 0,13 (0,08–0,19) |
Albumin | 3 | 0,13 (0,05–0,02) |
Fäkales Calprotectin | 5 | 0,26 (0,21–0,31) |
Zusätzliche FC-Bestimmung erwies sich zur Identifizierung von Patienten, die keine CED haben, als hilfreich
Ob FC auch dem seriellen Monitoring der CED-Aktivität und des Therapieerfolgs dient, wurde anhand von 5, teils prospektiven, pädiatrischen Studien mit 15 bis 76 Patienten mit MC bzw. CU und einer Biologikatherapie untersucht [
10]. Als wichtigstes Ergebnis zeigte sich, dass die FC-Werte nach der Therapie signifikant niedriger waren als vorher, womit das Ansprechen auf die Therapie eindeutig unterstrichen werden konnte. Ob eine FC-Einzelmessung bei klinisch inaktiver CED einen erneuten „relaps“ vermuten lassen könnte, war Gegenstand der Analyse 7 weiterer Studien, mit jeweils 40 bis 100 Patienten: Der Vergleich der FC-Medianwerte von Patienten in Remission mit jenen im Schub, ergab übereinstimmend hohe Sensitivitäten für die Vorhersage eines Rückfalls (~90 %), mit Spezifitäten um 83 % [
10]. Ergänzend stellte eine pädiatrische Studie mit fast 80 Kindern fest, dass Therapieintensivierungen – lediglich aufgrund steigender FC-Werte – generell eine klinische Besserung bewirkten und die Messung nur dieses einen Parameters daher wesentlich war [
11].
Wie sich ein anderer fäkaler Biomarker, Lactoferrin, im Vergleich zu FC beurteilen lässt, ist einem systematischen Review von 19 Studien mit fast 2500 Patienten mit aktiver CED zu entnehmen: Der Vergleich von CRP, FC, Stuhl-Lactoferrin und dem endoskopischen Befund als „Goldstandard“ ergab für das CRP eine Sensitivität von 0,49 bezüglich der endoskopisch aktiven Erkrankung (Spezifität 0,92). Im Gegensatz dazu erwies sich die diagnostische Genauigkeit beider Stuhlmarker als wesentlich besser – so betrug bei FC die Sensitivität 0,88 (Spezifität 0,73), und bezüglich des Stuhl-Lactoferrin zeigten sich ähnlich gute Ergebnisse (Sensitivität 0,82; Spezifität 0,79; [
12]).