Einmal Biologika – immer Biologika?

Setzt man bei Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen die Biologika ab, so kommt es nur bei etwa der Hälfte zu einem Rezidiv. Bei Wiederansetzen der Therapie bleibt die Wirksamkeit erhalten. Hintergrund TNF-α-Blocker haben die Therapie chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen revolutioniert. Allerdings ist diese Form der Therapie nicht ohne Risiko hinsichtlich unerwünschter Arzneimittelwirkungen und zudem sehr kostspielig. Es ist nicht klar, ob Patienten diese Therapie wirklich lebenslang benötigen oder ob man ein Absetzen riskieren kann. Zudem besteht die Sorge, ob die Wirksamkeit nach Therapieunterbrechung und Wiederansetzen erhalten bleibt. Diese Frage wurde nun in einer großen Studie aus Spanien geklärt. Patienten und Methoden In einer multizentrischen Beobachtungsstudie praktisch aller Ambulanzen für chronisch-entzündliche Darmerkrankungen in Spanien hat man Patienten mit Morbus Crohn und Colitis ulcerosa erfasst, bei denen unter Infliximab bzw. Adalimumab eine Remission erzielt werden konnte und deren Therapie danach unterbrochen wurde. Die Gründe der Therapieunterbrechung waren vielfältig und beinhalteten ein elektives Absetzen nach gemeinsamer Entscheidung durch den Arzt und den Patienten, das Auftreten unerwünschter Wirkungen und das Absetzen im Rahmen einer frühen Kombinationstherapie mit Thiopurinen als top-down-Strategie. Es wurden nur solche Patienten in die Studie eingeschlossen, die nach dem Absetzen der Biologika mindestens sechs Monate lang nachuntersucht werden konnten. Im Zeitraum von 30 Tagen vor dem Absetzen sollten die Patienten eine Kontrolle mittels Endoskopie oder MRT bekommen haben. Als Remission war beim Morbus Crohn-Patienten ein Harvey-Bradshaw-Index Score von ≤ 4 Punkten, bei der Colitis ulcerosa ein Mayo Score von ≤ 2 Punkten definiert. Als Rezidiv wurden klinische, biochemische, endoskopische oder radiologische Kriterien definiert, die eine therapeutische Intervention (medikamentös oder chirurgisch) erforderten. Ergebnisse Insgesamt erfüllten 1055 Patienten die Einschlusskriterien. Die mediane Zeitdauer des Follow-up betrug 19 Monate (Bereich 6–176 Monate). 74% der Patienten hatten Infliximab erhalten. In 75% der Fälle lag ein elektives Absetzen vor, in 18% wurde die Therapie wegen UAW beendet und bei 7% im Rahmen einer top-down-Strategie. Die Inzidenzraten für ein Rezidiv betrugen beim Morbus Crohn 19% und bei der Colitis ulcerosa 17% pro Patientenjahr. Die mediane Zeit bis zum Rezidiv nach Absetzen der Therapie lag bei elf Monaten, die kumulative Inzidenz eines Rezidivs betrug 24% nach einem Jahr, 38% nach zwei Jahren, 46% nach drei Jahren und 56% nach fünf Jahren Therapieunterbrechung. In einer multivariaten Analyse waren die Variablen, die mit einem höheren Rezidivrisiko einhergingen, eine Behandlung mit Adalimumab im Vergleich zu Infliximab, die elektive Therapieunterbrechung und die Therapiebeendigung wegen UAW. Die Fortsetzung der Therapie mit Thiopurinen nach Absetzen der Biologika und ein höheres Lebensalter waren dagegen mit einem niedrigeren Rezidivrisiko assoziiert. Von 467 Patienten (44%) mit einem Rezidiv wurden 310 (69%) mit demselben TNF-α-Blocker behandelt, 128 (28%) erhielten ein anderes Medikament und 14 (3%) wurden operiert. Von den erneut mit Infliximab behandelten Patienten konnte bei 79% eine klinische Remission erzielt werden, bei Adalimumab waren es 69%. Kommentar von Prof. Dr. Füeßl, München Füeßl × Therapiepause scheint unter bestimmten Voraussetzungen vertretbar Wegen des retrospektiven Charakters ist die Qualität der Studie eingeschränkt, allerdings besticht sie durch eine sehr große Patientenzahl, hohen Dokumentationsgrad und eine lange Nachbeobachtungszeit. Nach dem Absetzen des Biologikums ist bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen bei fast der Hälfte der Patienten mit einem Rezidiv zu rechnen. Die kumulative Inzidenz eines Rezidivs liegt bei 44% pro Patientenjahr. Das gilt allerdings nicht für ältere Patienten und solche, die zusätzlich mit Azathioprin oder Methotrexat behandelt werden. Bei dieser Konstellation ist das Rezidivrisiko deutlich geringer, sodass man ein Absetzen der Biologikatherapie eher vertreten kann. Für die schwierige und immer individuell zu treffende Entscheidung einer Therapiepause mag sehr tröstlich sein, dass bei fast 80% der Patienten beim Wiederansetzen der Therapie mit demselben Biologikum erneut eine Remission erzielt werden konnte, sofern fortlaufend weiter immunsuppressiv behandelt wurde. Bei den Patienten ohne immunsuppressive Therapie waren es immerhin noch 62%. Es ist also nicht zu befürchten, dass sich die Wirksamkeit der Biologika nach einer Therapiepause so sehr abschwächt, dass einem dieser therapeutische Weg komplett verbaut ist. Ob man eine Rezidivrate von ca. 50% nach dem Absetzen als hoch oder niedrig empfindet erscheint ähnlich der Frage, ob das Glas halb voll oder halb leer ist. Take-home-Message Etwa die Hälfte der Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa erleidet nach dem Absetzen einer Therapie mit Biologika im Verlauf von drei bis fünf Jahren ein Rezidiv. Die Wirksamkeit des Biologikums bleibt nach Wiederansetzen bei den meisten Patienten erhalten.

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