Was CAG-Repeats über die Huntingtonprogression verraten

Je öfter die Sequenz CAG im Huntingtin-Gen wiederholt wird, umso schneller schreitet die Neurodegeneration voran. Das lässt sich über motorisch-kognitive Tests und Bildgebung schon präsymptomatisch erfassen – eine Voraussetzung für Therapiestudien. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Inzwischen gibt es kausal wirksame Ansätze zur Huntington-Therapie, etwa Antisense-Oligonukleotide oder Therapeutika mit Interferenz-RNA. Diese müssten jedoch schon im präsymptomatischen Stadium verabreicht werden, damit sich der Ausbruch der Krankheit verhindern oder verzögern ließe. Um zu wissen, wie gut die Mittel wirken, wäre es wichtig, den natürlichen Verlauf in allen Stadien zu kennen – auch den präsymptomatischen. Bekanntlich hängt das Erkrankungsalter davon ab, wie häufig die Nukleotidsequenz CAG im Huntingtin-Gen wiederholt wird. Ob dies auch auf die Progressionsgeschwindigkeit zutrifft, ist bislang weniger klar, vor allem zur Progression nach dem Krankheitsbeginn gibt es widersprüchliche Angaben. Ein individuell sehr unterschiedlicher Verlauf würde jedoch die Interpretation von Studienergebnisse zu krankheitsmodifizierenden Therapien erschweren. Aus diesem Grund hat ein internationales Forscherteam um Douglas Langbehn von der Universität in Iowa City eine Art Landkarte des natürlichen Verlaufs in Abhängigkeit vom Alter und der CAG-Repeat-Länge erstellt – und zwar über die gesamte Lebensspanne hinweg. Danach beginnt die Erkrankung bei häufigen Repeats nicht nur früher, sie verläuft auch deutlich schneller. Neurodegeneration bereits mit 15 Jahren Für ihre Analyse werteten die Forscher Testresultate und Bildgebungsdaten zweier Verlaufsstudien aus. Sie berücksichtigten 290 Personen mit einer Huntingtin-Mutation, etwa die Hälfte davon war bereits im frühen Huntington-Stadium erkrankt, die übrigen zeigten noch nicht die typischen Symptome. Die Forscher nahmen zudem 153 Personen ohne die Mutation als Kontrollgruppe auf. Alle Teilnehmer wurden bis zu sechs Jahre (im Mittel 3,7 Jahre) hinweg regelmäßig per Bildgebung sowie über motorische, kognitive und neuropsychiatrische Test untersucht. Aus den Ergebnissen zeichneten die Forscher normierte altersabhängige Verlaufskurven. Danach nimmt sowohl die motorische als auch die kognitive Leistung mit der Zeit exponentiell ab, und zwar über das gesamte Altersspektrum der erwachsenen Teilnehmer mit einer Huntingtin-Mutation. Die Kurven verlaufen jedoch umso steiler, je mehr CAG-Repeats die Betroffenen aufweisen. Bei solchen mit 50 Repeats beginnt der Abbau bereits Mitte der 20er-Jahre und erreicht rund vier Standardabweichungen nach 15 Jahren, solche mit 40 Repeats werden erst mit etwa 50 Jahren auffällig und zeigen eine Differenz beim motorisch-kognitiven Summenscore von rund einer Standardabweichung über 20 Jahre – die Progression verläuft hier also wesentlich langsamer. Aus der Volumetrie ergeben sich drei unterschiedliche Muster: Das Volumen der weißen Substanz und der Ventrikel nimmt ebenfalls exponentiell mit dem Alter ab – in ähnlicher Weise wie die motorisch-kognitive Leistung. Auch hier verlaufen die Kurven bei vielen Repeats deutlich steiler, so beträgt die Differenz rund vier Standardabweichungen in 15 Jahren bei 50 Repeats, immerhin zweieinhalb Standardabweichungen über 30 Jahre lassen sich bei 40 Repeats feststellen. Betroffene mit 40 Repeats zeigen danach schon wesentlich früher (ab 40 Jahren) Abweichungen als beim motorkognitiven Summenscore. Ein eher linearer Volumenverlust wurde im Nucleus caudatus und Putamen beobachtet, auch hier gehen mehr Repeats mit einem früheren und schnelleren Verlust einher. Deutlich flacher verlaufen die Kurven beim Verlust der grauen Substanz. Zwar bedingen auch hier mehr Repeats eine schnellere Progression, insgesamt sind die Unterschiede unter den Mutationsträgern aber gering. Nach diesen Resultaten beginnt der motorisch-kognitive Abbau bei 50 Repeats bereits mit 18 Jahren, Volumenänderungen der weißen Substanz und der Ventrikel lassen sich schon mit 15 Jahren nachweisen. Mit 40 Repeats werden entsprechende Veränderungen erst im Alter von jeweils 42 und 33 Jahren sichtbar. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hängt der natürliche Verlauf von Morbus Huntington mit der Zahl der CAG-Repeats zusammen? Antwort: Je mehr Repeats, um so früher beginnt die Neurodegeneration, und umso schneller verläuft sie. Bedeutung: Es lässt sich je nach Zahl der CAG-Repeats eine individuelle Verlaufsprognose ableiten. Neurodegenerative Veränderungen sind schon präsymptomatisch nachweisbar. Einschränkung: Relativ kurze Beobachtungsdauer.

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