Alpha-Synuclein-Antikörper scheitern bei Parkinson

Antikörper gegen Alpha-Synuclein können Morbus Parkinson offenbar nicht aufhalten. In zwei Phase-II-Studien mit zusammen rund 670 Parkinsonkranken im Frühstadium konnten zwei Antikörper die Krankheitsprogression nicht verzögern. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu diesen Studien finden Sie am Ende des Artikels. Die Enttäuschung dürfte groß sein: Auch bei Morbus Parkinson scheint es wenig zu nützen, einen zentralen Marker der Erkrankung zu beseitigen. Obwohl die Aggregation von Alpha-Synuclein auf molekularer Ebene als Hauptursache für die Erkrankung gilt, hatten Antikörper gegen das Protein in zwei Phase-II-Studien keinen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Therapieansätzen gegen Alpha-Synuclein scheint damit ein ähnliches Schicksal zu drohen wie solchen gegen Beta-Amyloid bei Morbus Alzheimer. Noch ist es zwar zu früh, solche Ansätze ganz aufzugeben, dazu muss erst geklärt werden, wie gut die Antikörper Alpha-Synuclein tatsächlich beseitigen konnten, auch stellt sich die Frage nach dem richtigen Zeitpunkt für eine solche Behandlung. Eines ist jedoch klar: Eine krankheitsmodifizierende Therapie gegen Morbus Parkinson wird es so schnell nicht geben. Beide Phase-II-Studien sind jetzt zeitgleich im New England Journal of Medicine erschienen, zuvor wurden die negativen Top-Line-Resultate und ersten Ergebnisse bereits in Börsenmitteilungen und auf Kongressen präsentiert. Die Publikationen ermöglichen nun einen tieferen Einblick in die Therapie mit Alpha-Synuclein-Antikörpern. Kaum Unterschiede nach einem Jahr mit Prasinezumab Der von Roche entwickelte Antikörper Prasinezumab wurde in der Studie PASADENA mit insgesamt 316 Teilnehmenden geprüft. Prasinezumab bindet an das C-terminale Ende von Alpha-Synuclein. In einem Mausmodell ließ sich damit die Synucleinaggregation unterbinden und der Nervenzellverlust minimieren. Die Tiere schnitten in Kognitions- und Motoriktests besser ab als solche ohne die Therapie, auch konnte die Behandlung die Astrogliose und Mikrogliose im Gehirn der Versuchstiere rückgängig machen, berichten Forscherinnen und Forscher um Dr. Gennaro Pagano von Roche in Basel. In einer Phase-1-Studie zeigte der Antikörper eine gute Hirngängigkeit und konnte Serumspiegel von Alpha-Synuclein dosisabhängig reduzieren – ein Hinweis darauf, dass der Antikörper tatsächlich das tut, wofür er geschaffen wurde („target engagement“). Für PASADENA wählten die Studienleiter Parkinsonkranke im Frühstadium (Hoehn und Yahr 1 oder 2), die noch keine dopaminergen Medikamente benötigten. Alle wurden einem DAT-SCAN unterzogen und zeigten dabei parkinsontypische Resultate. Das Durchschnittsalter der Teilnehmenden erreichte 60 Jahre, im Schnitt lag die Parkinsondiagnose zehn Monate zurück, 38% bekamen bereits einen MAO-B-Hemmer, zwei Drittel waren Männer. In der ersten Studienphase, die ein Jahr dauerte, erhielten die Parkinsonkranken entweder 1500 oder 4500 mg des Antikörpers oder Placebo intravenös alle vier Wochen infundiert. Als primärer Endpunkt fungierten Veränderungen beim UPDRS-Summenscore (Part I–III, maximal 236 Punkte). Zu Beginn erreichte der Summenscore in allen drei Gruppen rund 31 Punkte. Mit Placebo nahm er im Laufe des ersten Jahres im Schnitt um 9,4 Punkte zu, mit der 1500-mg-Dosis um 7,4 Punkte, mit der höheren Dosis um 8,8 Punkte. Es ergab sich damit weder eine signifikante Differenz zwischen den Verumgruppen und Placebo, noch zeigte sich ein Dosiseffekt. Bei den einzelnen UPDRS-Skalen sah es nicht viel besser aus. Einzig die motorische Evalutation (Part III) deutete auf eine verlangsamte Progression unter Prasinezumab, allerdings nur in der Gruppe mit der niedrigen Dosis. Zudem hielt das Ergebnis hier einer Alphafehlerkorrektur nicht stand und ist damit nicht aussagekräftig, gibt das Team um Pagano zu bedenken. Auch die Dopamintransporter-Bildgebung lieferte für alle Gruppen ähnliche Werte, hier ergaben sich also ebenfalls keine Hinweise auf eine Krankheitsmodifikation. Immerhin wurde die Behandlung gut vertragen. Ernste unerwünschte Wirkungen traten bei acht Personen mit der hohen, sieben mit der niedrigen Dosis und fünf unter Placebo auf. Hauptnebenwirkungen unter Prasinezumab waren Infusionsreaktionen sowie Kopf- und Rückenschmerzen. Nach dem Ende der ersten Phase wurde die Behandlung in den jeweiligen Prasinezumab-Gruppen für ein weiteres Jahr fortgesetzt, Personen aus der Placebogruppe bekamen nun entweder die hohe oder die niedrige Antikörperdosis (delayed start design). Nach insgesamt zwei Jahren hatte sich der UPDRS-Gesamtscore in den Gruppen mit frühem Therapiebeginn im Schnitt um 15,5 Punkte verschlechtert, bei späterem Beginn um 17,3 Punkte. Auch diese Differenz war statistisch nicht signifikant. Für die motorische Evaluation deutete sich ebenfalls ein leichter Vorteil bei frühem Therapiebeginn an, doch dieser war ebenfalls statistisch nicht belastbar. Derzeit läuft noch die Phase-2b-Studie PADOVA mit Prasinezumab bei 575 Personen, die bereits eine symptomatische Therapie gegen Morbus Parkinson benötigen. Ergebnisse werden für 2023 erwartet. Therapie mit Cinpanemab vorzeitig abgebrochen Die Studie SPARK von Biogen mit Cinpanemab wies ein ähnliches Design auf. Der Antikörper bindet allerdings an das N-terminale Ende von aggregiertem Alpha-Synuclein. Präklinische Studien und eine Phase-1-Untersuchung legten ebenfalls ein Target Engagement sowie eine klinische Wirksamkeit nahe. Teilgenommen haben 357 Erkrankte im mittleren Alter von rund 60 Jahren mit einer sechs bis sieben Monate zurückliegenden Parkinsondiagnose sowie einem UPDRS-Gesamtscore von 32 Punkten. Behandelt wurde placebokontrolliert alle vier Wochen über ein Jahr hinweg, hier mit drei unterschiedliche Dosierungen, gefolgt von einer zweiten Phase, in der die Teilnehmenden aus der Placebogruppe dosisverblindet den Antikörper bekamen. Nach dem ersten Jahr zeigten sich beim UPDRS-Gesamtscore noch weniger Unterschiede als in PASADENA: plus 10,8 Punkte mit Placebo, plus 10,5 Punkte mit der 250-mg-Dosis, plus 11,3 Punkte mit 1250 mg sowie plus 10,9 Punkte mit 3500 mg. Nach insgesamt 72 Wochen gab es zudem keine signifikanten Unterschiede zwischen Personen mit frühem und spätem Therapiebeginn, ebenso wenig deutete sich ein Nutzen der Behandlung bei der Dopamintransporter-Bildgebung an. Die Studie wurde daraufhin vorzeitig beendet. Empfehlung der Redaktion Morbus Parkinson – Themenseite Wie Sie Frühzeichen der Parkinson-Erkrankung erkennen und welche Therapieoptionen es gibt, lesen Sie auf dieser Themenseite. Hier finden Sie Übersichten, News, Interviews und kommentierte Studienreferate. Was könnten die Gründe für das Scheitern sein? Das SPARK-Team um Dr. Anthony Lang von der Universität in Toronto, Kanada, hält es für möglich, dass die Therapie bei symptomatischen Parkinsonkranken bereits zu spät kommt und vielleicht früher ansetzten müsste. In einem Editorial weist Dr. Alan Whone von der Universität in Bristol, Großbritannien, darauf hin, dass ein Target Engagement der Antikörper noch nicht klar belegt sei, da es bisher keinen Radioliganden zur Darstellung von Alpha-Synuclein-Aggregaten gebe. Möglicherweise saugen die Antikörper nicht genug Alpha-Synuclein ab. Die am schwersten zu verdauende Erklärung wäre freilich, dass aggregiertes Alpha-Synuclein nur ein Marker für die Erkrankung ist und den Tod der Nervenzellen nicht direkt verursacht. „Die nun vorliegenden Daten sind relativ ernüchternd: Bei einer Ursache-Wirkungskette zwischen Alpha-Synuclein und Parkinsonprogression hätten die Ergebnisse zumindest im Trend positiv ausfallen müssen“, so der Marburger Parkinsonexperte Professor Lars Timmerman in einer Stellungnahme der Deutschen Gesellschaft für Neurologie (DGN). Er verwies auf weitere Ansätze mit „Small Molecules“ und RNA-Therapeutika, die sich allerdings ebenfalls gegen die Alpha-Synuclein-Aggregation richten. Ob es damit besser klappt, bleibt abzuwarten. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was nützt eine Antikörpertherapie gegen Alpha-Synuclein bei Personen mit Morbus Parkinson im frühen Krankheitsstadium? Antwort: Eine bis zu zwei Jahre dauernde Behandlung kann nach den Resultaten von zwei Phase-II-Studien den Krankheitsverlauf nicht bremsen. Bedeutung: Die Therapie mit monoklonalen Antikörpern gegen Alpha-Synuclein ist bei frühem Morbus Parkinson unwirksam. Einschränkung: Vielleicht sind ein anderes Timing und eine längere Behandlung nötig.

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