Keine Neuroprotektion durch L-Dopa

Eine frühe L-Dopa-Behandlung kann die Krankheitsprogression bei Parkinson nicht verzögern. Allerdings hat ein früher Beginn auch keine Nachteile – motorische Komplikationen treten damit nicht häufiger auf, so das Resultat einer Therapiestudie. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Über den richtigen Zeitpunkt einer L-Dopa-Behandlung bei Morbus Parkinson wird seit Jahren diskutiert. Lange galt das Dogma, eine L-Dopa-Therapie so lange wie möglich hinauszuzögern, um Wirkfluktuationen und Dyskinesien zu vermeiden. Dahinter stand die Vorstellung, dass vor allem hoch dosiertes L-Dopa die Neurodegeneration beschleunigt. Auf der anderen Seite wurden auch neuroprotektive Eigenschaften diskutiert. So ergab die vor rund 14 Jahren publizierte Studie ELLDOPA* positive Effekte bei einem Therapiebeginn in einem frühen Krankheitsstadium: Nach 40 Wochen Behandlung ging es Patienten mit der höchsten L-Dopa-Dosis deutlich besser als solchen mit einer Placebobehandlung – ihr UPDRS-Wert war noch zwei Wochen nach dem Stopp der Behandlung signifikant höher. Das spricht zumindest dafür, dass L-Dopa eher neuroprotektiv als neurotoxisch sein könnte. Allerdings wurde unter L-Dopa per Bildgebung auch eine Reduktion der Dopamin-Transporter-Dichte im Striatum beobachtet, was für einen Verlust dopaminerger Nervenzellen spricht. Beide Beobachtungen passen schlecht zusammen. Entweder L-Dopa ist neuroprotektiv und wirkt parallel auf den Transporter, oder aber es ist neurotoxisch und die besseren UPDRS-Werte in ELLDOPA waren nur ein Nachhall der erfolgreichen symptomatischen Therapie. Kaum Änderungen beim UPDRS-Wert Forscher um Dr. Constant Verschuur von der Uniklinik in Amsterdam haben diese Frage mit einer aktuellen Studie nun weitgehend beantwortet. Sie kommen zu einem Schluss, den viele Experten mittlerweile erwartet hatten: L-Dopa ermöglicht eine rein symptomatische Behandlung, diese hat weder im Guten noch im Schlechten einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf. Das ist durchaus eine gute Nachricht: Ärzte können Parkinsonkranken das noch immer wirksamste Medikament ohne besondere Risiken geben, sobald sie es brauchen. Die Studie mit der Bezeichnung LEAP erfolgte im sogenannten Delayed-Start-Design: Von den 445 Patienten erhielt rund die Hälfte L-Dopa/Carbidopa (100/25 mg dreimal täglich) über 80 Wochen hinweg, die übrigen bekamen erst 40 Wochen Placebo und dann 40 Wochen das Medikament. Alle Patienten waren noch in einem frühen Krankheitsstadium und hatten bislang keine Anti-Parkinson-Medikamente bekommen. Kamen sie mit der Studienmedikation nicht zurecht, konnten sie offen auf L-Dopa eingestellt werden. Dies traf auf 24 Patienten in der Early-Start-Gruppe und auf 87 in der Gruppe mit verzögerter L-Dopa-Behandlung zu. Nach 80 Wochen konnten die Forscher um Verschuur keine signifikante Differenz beim UPDRS-Gesamtwert nachweisen. Dieser hatte sich ausgehend von 28 Punkten in der Gruppe mit sofortiger L-Dopa-Therapie um 1,0 Punkte, in der Gruppe mit späterem Beginn um 2,0 Punkte verbessert. „Keine zusätzlichen Risiken“ Wie erwartet, fuhren die Patienten mit L-Dopa in den ersten 40 Wochen besser als die mit Placebo – der UPDRS-Wert sank um 3,1 Punkte, unter Placebo stieg er um 2,0 Punkte. Dies hatte jedoch keine Auswirkungen auf den Therapieerfolg in der zweiten Studienhälfte: Hier zeigten unter L-Dopa dann Patienten in beiden Gruppen ähnliche Werte, egal ob sie schon von Beginn der Studie an oder erst später mit der Arznei behandelt worden waren. Berücksichtigten die Forscher nur Patienten, die sie bis zum Studienende verblindet behandeln konnten, ergaben sich ebenfalls keine signifikanten Unterschiede, ebenso wenig bei der Rate von Wirkfluktuationen und Dyskinesien. Schauten sich die Forscher Lebensqualität, Behinderungsgrad und kognitive Leistung an, fanden sie wiederum keine signifikanten und zumeist nicht einmal numerische Unterschiede. Übelkeit wurde zu Beginn etwas häufiger in der Gruppe mit früher L-Dopa-Therapie beobachtet, später in der mit verzögerter Therapie, ansonsten differierten auch die unerwünschten Wirkungen nicht wesentlich. „Die Resultate legen nahe, dass L-Dopa im Studienzeitraum keine krankheitsmodifizierende Wirkung zeigte“, schreiben die Forscher aus Amsterdam. Sie wollen jedoch nicht ausschließen, dass solche Effekte bei einer längeren Therapiedauer oder einem späteren Therapiebeginn auftreten können. In der Tat war die Studie vielleicht etwas zu kurz, um krankheitsmodifizierende Effekte nachzuweisen, andererseits dürften diese nicht allzu ausgeprägt sein, sonst hätte sich zumindest ein Signal in eine Richtung ergeben. Für Mitautor Professor Günther Deuschl von der Universität Kiel hat das Ergebnis auch positive Seiten: „Die frühzeitige Therapie mit L-Dopa war in dieser randomisierten Studie nicht mit zusätzlichen Risiken behaftet“, wird der Parkinsonexperte in einer DGN-Mitteilung zitiert. Befürchtungen zu neurotoxischen Effekten hätten sich damit nicht bestätigt. *Abkürzungen: ELLDOPA: Earlier versus Later Levodopa Therapy in Parkinson Disease LEAP: Levodopa in Early Parkinson’s Disease UPDRS: Unified Parkinson’s Disease Rating Scale (0–176 Punkte) Das Wichtigste in Kürze Frage: Ist eine Behandlung mit L-Dopa bei Parkinson neuroprotektiv? Antwort: Eine frühe L-Dopa-Therapie kann den Krankheitsverlauf weder bremsen noch beschleunigen. Bedeutung: L-Dopa wirkt offenbar nur symptomatisch und nicht krankheitsmodifizierend. Einschränkung: Relativ kurze Studiendauer.

Springer Medizin

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