Hohe Luftverschmutzung, hohe Parkinsoninzidenz

In Stadteilen mit der höchsten Luftverschmutzung ist auch das Parkinsonrisiko am höchsten. Die Inzidenz korreliert vor allem mit der Stickoxidkonzentration. Allerdings ergab eine Studie aus Korea nur einen sehr schwachen Zusammenhang. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Die Parkinsoninzidenz nimmt weltweit zu. Dies ist zum großen Teil, aber nicht ausschließlich demografisch bedingt. Als Trigger für die neurodegenerative Erkrankung werden neben dem Alter auch Toxine vermutet, der Zusammenhang mit bestimmten Pestiziden ist recht gut belegt. Nun sind die wenigsten Menschen größeren Pestizidmengen exponiert, daher könnten auch andere Toxine an der steigenden Parkinsoninzidenz beteiligt sein. Potenzielle Kandidaten sind Luftschadstoffe, ihnen sind in den Ballungsräumen der Erde hunderte Millionen Menschen ausgesetzt. Bislang konnte ein Zusammenhang zwischen Parkinsoninzidenz und Luftqualität jedoch nicht klar belegt werden, epidemiologische Studien lieferten sehr widersprüchliche Resultate. Einige Untersuchungen konnten aber schon bei Autopsien recht junger Menschen aus stark belasteten Gebieten eine beachtliche Alpha-Synuclein-Pathologie im Bulbus olfactorius nachweisen, was zumindest einen Anfangsverdacht begründet. Eine aktuelle Analyse von Neurologen um Dr. Sungyang Jo von der Ulsan-Universität in Seoul gibt einem solchen Verdacht neue Nahrung: Ihren Erkenntnissen zufolge ist die Parkinsoninzidenz vor allem bei starker Stickoxidbelastung deutlich erhöht, und zwar um über 40%. Für ihre Untersuchung werteten die Neurologen um Jo Angaben aus der nationalen Krankenversicherung zu knapp 79.000 Einwohnern der Metropole Seoul aus. Berücksichtigt wurden Personen über 40 Jahren, die zwischen den Jahren 2002 und 2006 in der Großstadt lebten. Die Ärzte um Jo schauten zum einen, wie viele von ihnen bis 2015 neu an Parkinson erkrankten, zum anderen, wie hoch die Luftschadstoffbelastung am Wohnort war. Dazu verwendeten sie Angaben von insgesamt 25 Messstationen, diese erfassten Werte für Feinstaub (PM2,5 und PM10), Ozon, Stickstoffdioxid (NO2), Schwefeldioxid und Kohlenmonoxid. Die Spezialisten berechneten daraus jeweils eine Mittelwertbelastung für den Expositionszeitraum von 2002–2006. Zum Startzeitpunkt der Analyse waren die berücksichtigten Einwohner im Schnitt 54 Jahre alt, 24% wiesen eine Hypertonie, 13% einen Diabetes, 14% eine Dyslipidämie auf. Nach im Mittel neun Jahren hatten 338 Menschen erstmals eine Parkinsondiagnose bekommen. Zusammenhang nur für NO2-Exposition Die Feinstaubkonzentrationen sind in Seoul im Beobachtungszeitraum bis 2009 stetig gesunken und dann konstant geblieben, die Ozonwerte haben dagegen kontinuierlich zugenommen, bei den anderen Luftschadstoffen gab es keinen klaren Trend, sie blieben weitgehend konstant. Empfehlung der Redaktion Morbus Parkinson – Themenseite Wie Sie Frühzeichen der Parkinson-Erkrankung erkennen und welche Therapieoptionen es gibt, lesen Sie auf dieser Themenseite. Hier finden Sie Übersichten, News, Interviews und kommentierte Studienreferate. Berücksichtigten die Neurologen Alter, Geschlecht, Begleiterkrankungen und – sofern verfügbar – auch Lebensstilfaktoren wie Rauchen und körperliche Aktivität, dann war die Parkinsoninzidenz bei Einwohnern im Quartil mit der höchsten NO2-Exposition um 41% höher als bei solchen im Quartil mit der niedrigsten; die Differenz war aber nur knapp signifikant (p = 0,045). Erhöhte Feinstaubwerte (PM10) gingen mit einer um bis zu 50% erhöhten Parkinsoninzidenz einher, allerdings war die Differenz zwischen den Quartilen hier nicht signifikant. Für die anderen Schadstoffe ergab sich tendenziell ein inverser Zusammenhang: Je höher die Werte, umso geringer die Inzidenz, jedoch war die Statistik auch hier nicht belastbar. Streng genommen ist selbst das Resultat zu NO2 nicht signifikant – die Studienautoren haben keine Alphafehlerkorrektur vorgenommen. Da Vergleiche für sechs Schadstoffe aus einer einzelnen Stichprobe gezogen wurden, hätte das Signifikanzniveau entsprechend reduziert werden müssen. Möglicherweise handelt es sich bei NO2 also nur um einen Zufallsbefund. Zudem kommt NO2 nicht isoliert in der Luft vor, sondern ist ein Marker für viele andere Luftschadstoffe, die ebenfalls toxisch sind und an der Parkinsonpathologie beteiligt sein könnten. Schließlich ist die Korrelation der tatsächlichen Schadstoffbelastung mit den Messstationswerten sehr schwach. Entscheidend ist der Abstand zu einer Quelle wie einer stark befahrenen Straße; innerhalb von wenigen hundert Metern kann die Belastung stark variieren. Auch wurde in der Studie nicht berücksichtigt, wo sich die Menschen tagsüber aufhielten. Die Belastung am Arbeitsort dürfte ebenfalls relevant sein. Letztlich sind wohl feinkörnigere Expositionsbestimmungen nötig, um den Einfluss von Luftschadstoffen auf das Parkinsonrisiko zu bestimmen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Haben Luftschadstoffe einen Einfluss auf das Parkinsonrisiko? Antwort: In einer Studie aus Seoul war die Parkinsoninzidenz in Stadteilen mit der höchsten NO2-Belastung um über 40% erhöht. Bedeutung: Möglicherweise fördern Luftschadstoffe wie Stickoxide eine Parkinsonerkrankung. Einschränkung: Ergebnisse nach Alphafehlerkorrektur nicht mehr signifikant, recht grobkörnige Expositionsbestimmung.

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