Parkinson: Die Zukunft gehört krankheitsmodifizierenden Arzneien

Die nächste Generation von Parkinsonmedikamenten soll den Krankheitsverlauf bremsen. Ansätze dazu gibt es viele, klinische Erfolge sind bis jetzt jedoch rar. Das könnte sich mit individueller ausgerichteten Studien ändern. Zehn verschiedene Dopaminagonisten, diverse L-Dopa-Formulierungen, drei verschiedene MAO-B-Hemmer, drei COMT-Hemmer, zwei NMDA-Antagonisten – für die Parkinsontherapie steht Ärzten heute eine große Palette von Arzneien zur Verfügung. Hinzu kommen invasive Verfahren wie die Pumpentherapie oder die tiefe Hirnstimulation. „Damit können wir den Patienten eine sehr gute Lebensqualität für lange Zeit bewahren“, erläuterte Professor Günter Höglinger von der Medizinischen Hochschule Hannover. Die Auswahl erfolgt nach der im Vordergrund stehenden klinischen Symptomatik wie Akinese, Tremor oder kognitive Einschränkungen. Für eine erfolgreiche Krankheitsmodifikation müssten jedoch die Ursachen individuell angegangen werden, sagte Höglinger auf der Tagung „Parkinson und Bewegungsstörungen – Highlights Digital“. Genomweite Assoziationsstudien deuten vor allem auf Parkinson-begünstigende Genvarianten in den Genen für Alpha-Synuclein und Tau-Protein. „Wir gehen auf Basis solcher Befunde davon aus, dass die Verklumpung von Alpha-Synuclein und Tau nicht nur ein Epiphänomen darstellt, sondern ursächlich für den Krankheitsverlauf ist“, erläuterte der Neurologe. Antisense-Therapien bei MSA Die genetischen Daten deuten aber auch auf andere Ursachen, etwa lysosomale und mitochondriale Defizite, was Optionen für individuell wirksame krankheitsmodifizierende Therapien eröffnet. Einige davon werden bereits in ersten Studien geprüft. Höglinger verwies auf eine Phase-1-Studie mit dem Antisense-Oligonukleotid (ASO) BIIB101, das die Produktion von Alpha-Synuclein unterbinden soll. Teilnehmer sind 34 Patienten mit Multisystematrophie (MSA). MSA wird oft als Modellerkrankung für das Parkinsonspektrum betrachtet: Da die Erkrankung rasch voranschreitet, sollten sich krankheitsmodifizierende Therapieeffekte recht schnell zeigen. Ansätze mit ASO werden auch gegen Tau-Protein und die bei Parkinson relevante Serin/Threoninkinase LRRK2 entwickelt. Eine weitere Option sind Splice-Modulatoren, welche bei der Prozessierung der Tau-Vorläufer-mRNA solche Isoformen begünstigen, die nicht leicht verklumpen. Hier sei man noch in der präklinischen Phase, sagte Höglinger. Möglich sind auch Therapien, welche Phosphorylierung und Acetylierung nach der Translation blockieren und auf diese Weise die Aggregation hemmen. Empfehlung der Redaktion Morbus Parkinson – Themenseite Wie Sie Frühzeichen der Parkinson-Erkrankung erkennen und welche Therapieoptionen es gibt, lesen Sie auf dieser Themenseite. Hier finden Sie Übersichten, News, Interviews und kommentierte Studienreferate. Der Neurologe verwies auf die PROMESA-Studie mit dem Grüntee-Wirkstoff EGCG, der die Alpha-Synuclein-Aggregation bei MSA-Patienten hemmen soll. Die Krankheitsprogression wurde damit tendenziell, aber nicht signifikant verlangsamt, immerhin fanden die Forscher eine signifikant gebremste Hirnatrophie. Die Studie sei insgesamt kein Erfolg gewesen, aber ein Hinweis, dass sich der eingeschlagene Weg lohnen könne, so Höglinger. Vielleicht haben die Forscher mit dem Aggregationsmodulator anle138b mehr Erfolg: Nach einer ersten erfolgreichen Sicherheitsuntersuchung bei gesunden Freiwilligen werden derzeit Studien mit MSA- und Parkinsonpatienten geplant. Überladene Lysosomen im Fokus Einen anderen Weg gehen Therapien, welche den zellulären Abbau verklumpter Proteine fördern, etwa über Lysosomen oder das Ubiquitin-Proteasom-System. Höglinger verwies auf eine Studie mit Venglustat, einem ZNS-gängigen Hemmstoff der Glucosylceramid-Synthase (GCS). Eine solche Therapie ist vor allem für Patienten mit einer Variante im Glucocerebrosidase-Gen (GBA) relevant. Die Variante lässt sich bei 5–10% der Patienten mit sporadischem Morbus Parkinson nachweisen. GCS-Hemmer sollen die Überladung von Lysosomen mit Glucosylceramid verhindern, in der Hoffnung, dass sie dann mehr Alpha-Synuclein abbauen. An der Studie MOVES-PD nahmen 240 Patienten teil, die Glucosylceramid-Konzentration ließ sich dosisabhängig um bis zu 74% senken, klinische Effekte werden gerade analysiert. Nicht funktioniert haben bislang Versuche, extrazelluläres Tau-Protein mit monoklonalen Antikörpern abzufangen. Eine Phase-2-Studie mit dem Antikörper Tilavonemab ergab bei Patienten mit progressiver supranukleärer Blickparese, einer Tau-Modellerkrankung, keine klinisch relevanten Unterschiede zu Placebo, obwohl die Tau-Werte im Liquor signifikant zurückgingen. Mit Bepranemab (UCB0107) wird in Phase 1 ein vergleichbarer Ansatz verfolgt. Der Antikörper bindet an einen anderen Tau-Abschnitt als Tilavonemab und soll das Protein besser eliminieren. Wenig Glück hatten Forscher auch mit dem Antikörper Prasinezumab gegen Alpha-Synuclein bei Parkinsonpatienten. In der Phase-2-Studie PASADENA konnte die Arznei den UPDRS-Gesamtscore nicht stärker verbessern als Placebo, aber immerhin zeigten die Patienten damit eine etwas bessere Motorik. Ein Problem bei Antikörpern ist die schlechte Hirngängigkeit. Höglinger sieht trotz aller Rückschläge einen Paradigmenwechsel bei der Therapie: Statt an den Symptomen orientiere man sich nun an den im Vordergrund stehenden Pathomechanismen. Im Idealfall gelinge es bei einzelnen Patienten Probleme mit den Lysosomen, den Mitochondrien oder der Aggregation von Tau und Alpha-Synuclein nachzuweisen und dann solche Patienten gezielt in Studien mit Arzneien gegen die jeweiligen Defizite zu behandeln. „Die Krankheitsmodifikation erfordert molekulare Therapien, und die benötigen eine molekulare Diagnostik“, so der Experte. Quelle: Parkinson und Bewegungsstörungen – Highlights Digital. 4.–5. März 2021. Plenarsitzung 04: Parkinsontherapie – die Zukunft beginnt jetzt. Günter Höglinger: Individualisierung krankheitsmodifizierender Therapien.

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