Kompensationsstrategien für Gangstörungen: Welche wirkt am besten?

Mit einer Reihe von Kompensationsstrategien kann es Parkinsonkranken gelingen, wieder in Gang zu kommen – selbst bei ausgeprägten Störungen des Gangmusters. Eine Studiengruppe aus den Niederlanden hat fünf solcher Strategien miteinander verglichen. Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. Auf die typischen Gangstörungen bei Morbus Parkinson wie kleine Schritte, Schlurfen und verminderte Mitbewegung der Arme und im fortgeschritten Stadium Einfrieren der Bewegung (Freezing) und Trippelgang hat die dopaminerge Medikation nur mäßigen Einfluss. Zur Gangrehabilitation gehören daher Kompensationsstrategien wie Zählen beim Gehen oder die Zuhilfenahme von Markierungen auf dem Boden. Solche Strategien sind mit Ausnahme der externen Stimulation – z. B. durch rhythmische akustische Signale – aber kaum systematisch untersucht. Eine Studiengruppe aus den Niederlanden hat daher fünf solcher Strategien unter „Laborbedingungen“ miteinander verglichen. Die Ergebnisse machen vor allem eines deutlich: Die Effekte der Strategien sind von Person zu Person sehr unterschiedlich, das eine Verfahren, das bei allen gut funktioniert, gibt es nicht. Verglichen wurden folgende fünf Strategien: Externe Stimulation (in der Studie: durch ein Metronom), interne Stimulation (rhythmisches Zählen), Beobachten und Nachahmen von Bewegung (einer gehenden Person), intensive Vorstellung einer gehenden Person und Annehmen eines neuen Gangmusters (mit stark schwingenden Armen). Um den Einfluss auf den Gang beurteilen zu können, sollten die 101 Studienteilnehmer (51 Frauen) jeweils drei Minuten lang gehen, zunächst ohne und dann unter Zuhilfenahme je einer Kompensationsstrategie. Die 3D-Bewegungsanalyse ergab, dass der Effekt auf die Gangparameter bei jeder Technik interindividuell stark variierte. Mit allen Strategien gelang es den Patienten, die Gehgeschwindigkeit zu erhöhen, meistens durch längere Schritte. Die Variabilität der Schrittzeit wurde ebenfalls durch die meisten Strategien positiv beeinflusst, sprich reduziert; nur das Beobachten von Bewegung führte zu einer Zunahme der Gangvariabilität. Vier Techniken im Patientenurteil vorn Von den Patienten selbst wurde die Wirksamkeit der Strategien allgemein als hoch bewertet – ausgenommen erneut das Beobachten von Bewegung, dieser Strategie wurde am häufigsten eine Wirkung abgesprochen, sie wurde außerdem als am wenigsten praktikabel empfunden. Am besten schnitten im Patientenurteil die Veränderung des Gangmusters und die interne Signalgebung ab. Empfehlung der Redaktion Morbus Parkinson – Themenseite Wie Sie Frühzeichen der Parkinson-Erkrankung erkennen und welche Therapieoptionen es gibt, lesen Sie auf dieser Themenseite. Hier finden Sie Übersichten, News, Interviews und kommentierte Studienreferate. Der stärkste Prädiktor für die Wirksamkeit von Kompensationstechniken war, wenig überraschend, eine anfangs hohe Gangvariabilität – bei den Betroffenen bestand eben am meisten Raum für Verbesserungen. Unabhängig davon erzielten aber auch Patienten mit bestimmten günstigen Voraussetzungen große Verbesserungen, z. B. mit niedrigeren Werten im MDS-UPDRS-Score Teil 3 (Motorik), mit besserem Ergebnis im Timed-Up-and-Go-Test oder ohne Einfrieren der Bewegung. Ein höherer MoCA-Score, also ein besseres kognitives Abschneiden, war außerdem speziell mit einer höheren Wirksamkeit der externen Signalgebung verknüpft. "Verschiedene Strategien ausprobieren!" Laut dem Studienteam um Anouk Tosserams vom Radboud University Medical Centre in Nimwegen „stützen die Ergebnisse die Verwendung von Kompensationsstrategien für die Gangrehabilitation bei Parkinsonkranken, aber sie unterstreichen auch die Notwendigkeit eines personalisierten Ansatzes“. Es sei daher geboten, unterschiedliche Verfahren auszuprobieren und das für den einzelnen Patienten oder die einzelne Patientin mit Blick auf Wirksamkeit und Brauchbarkeit optimale Verfahren zu identifizieren. So könne durchaus die gleiche Strategie bei derselben Person je nach Situation unterschiedlich erfolgreich sein. Tosserams et al. heben außerdem hervor, dass auch Parkinsonkranke mit erheblichen Gangstörungen noch von Kompensationstechniken profitieren könnten – solange ein gewisses Niveau an kognitiven und funktionalen Reserven vorhanden sei. Das Wichtigste in Kürze Frage: Was lässt sich bei Parkinsonkranken mit Gangstörungen mit fünf verschiedenen Kompensationsstrategien erreichen? Antwort: Die Effekte der Strategien sind von Person zu Person sehr unterschiedlich, das eine Verfahren, das bei allen gut funktioniert, gibt es nicht. Bedeutung: Der Einsatz von Kompensationsstrategien lohnt sich, aber es ist notwendig, für jeden Einzelnen die optimale Technik herauszufinden. Einschränkung: Studie unter „Laborbedingungen“.

Springer Medizin

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