Akute Schmerzzustände sind ein häufiger Grund für Rettungsdiensteinsätze, weswegen die Analgesie durch alle qualifizierten Rettungskräfte möglich sein und beherrscht werden muss.
Ziel der Arbeit
Ziel dieser Arbeit war es, den Einfluss der Strukturqualität auf die Durchführung einer medikamentösen Analgesie durch Notfallsanitäter zu beschreiben.
Methode
In einer explorativen grafischen Datenanalyse wurden rettungsdienstliche Routinedaten auf organisatorisch-strukturelle Einflüsse hinsichtlich Häufigkeit, Indikationen, Erfolg und Notarztnachforderung bei der Analgesie durch Notfallsanitäter untersucht.
Ergebnis
Im Untersuchungszeitraum 01.01.2018 bis 31.12.2023 konnten insgesamt 1640 Patienten eingeschlossen werden. Das Durchschnittsalter der Patienten betrug 56 ± 23 Jahre (6 bis 101 Jahre). Führende Indikationen waren Traumata (51,5 %), abdominelle Beschwerden (25,1 %) und sonstige Erkrankungen (11,7 %). Den größten negativen Einfluss auf die Analgesiehäufigkeit hatte ein temporär fehlender Versicherungsschutz mit einem Rückgang von −66,4 % und einem Anstieg von Notarztnachforderungen von 23,2 % auf 71,6 %. Den größten positiven Einfluss hatte die Einführung der Vorabdelegation und Anpassungen entsprechend den Betäubungsmittelgesetzesänderungen mit einem Anstieg um +138,6 % und einem Abfall der Notarztnachforderungen auf 4,7 %. Der Indikator „erfolgreiche Analgesie“ stieg von 56,4 % auf 86,9 %.
Diskussion
Die Analyse der Routinedaten zeigt, dass organisatorische und strukturelle Faktoren wie gesetzliche Vorgaben, interne Richtlinien, haftungsrechtliche Aspekte und verfügbares Equipment die Häufigkeit der Analgesie beeinflussen. Diese Faktoren wirken sich auch auf die Notwendigkeit einer Notarztnachforderung aus und sind daher für das Gesamtsystem bedeutsam.
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Hinweise
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Hinweis des Verlags
Der Verlag bleibt in Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutsadressen neutral.
Hintergrund und Fragestellung
Akute Schmerzzustände sind ein sehr häufiger Grund für die Alarmierung des Rettungsdiensts [13]. Daher ist die Anwendung analgetischer Maßnahmen, welche von der Lagerung des Patienten über die Kühlung bis hin zur medikamentösen Analgesie reichen, von entscheidender Bedeutung in der Notfallmedizin. Patientinnen und Patienten messen die Qualität der Versorgung unter anderem auch am Erfolg und der Dauer bis zum Einsetzen einer Analgesie [17]. Die Zufriedenheit von Patientinnen und Patienten hinsichtlich der Durchführung und Effektivität der Analgesie ist gleichermaßen bedeutend, wenngleich es Differenzen in der Schmerzeinschätzung zwischen Patienten und Rettungskräften geben kann [12, 13]. Die Gründe hierfür sind vielfältig und liegen sowohl beim Patienten als auch beim Fachpersonal [11]. Beim Einsatz von Analgetika sind die pharmakologischen Eigenschaften wie ein schneller Wirkungseintritt, eine gute Steuerbarkeit und ein gutes Sicherheitsprofil mit wenigen Nebenwirkungen aus Sicht der Patienten und des Fachpersonals dabei besonders wichtig [12, 17].
Die Bedeutung einer differenzierten Betrachtung der Thematik unterstreicht die aktuelle Version der S3-Leitlinie zur Polytrauma- und Schwerverletztenversorgung, die der Analgesie ein eigenes Kapitel widmet [4]. Auch ist die Analgesie ein Qualitätsindikator in der notfallmedizinischen Qualitätssicherung [23].
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Wie in der rettungsdienstlichen Qualitätssicherung etabliert, erscheint eine differenzierte Betrachtung hinsichtlich Strukturqualität, Prozessqualität und Ergebnisqualität sinnvoll, welche in Kombination den höchsten Mehrwert für Patienten, das System und dessen Beschäftigte generiert [1]. Während vielfach die Aufmerksamkeit auf den Prozessen und dem Ergebnis liegt, bildet die Struktur die Basis dafür. Neben gesetzlichen und strukturellen Rahmenbedingungen findet sich hier beispielsweise die personelle und technische Ausstattung wie auch Qualifikation.
Zielsetzungen
Ziel dieser Arbeit war es, organisatorisch-strukturelle Einflüsse bzw. externe Faktoren im Sinne der Strukturqualität auf die medikamentöse Analgesie durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter (NotSan) zu identifizieren.
Methoden
Studiendesign
Diese retrospektive Beobachtungsstudie basiert auf routinemäßig erhobenen Rettungsdienstdaten, deren Dokumentation seit 2018 in Baden-Württemberg für die Rettungswagen digital erfolgt.
Das Manuskript folgt dem RECORD-Statement (Reporting of Studies Conducted using Observational Routinely-collected Health Data; [2]).
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Setting
Die Datenerhebung erfolgt im Rahmen der Qualitätssicherung im Rettungsdienst des Deutschen Roten Kreuzes, Kreisverband Reutlingen. Dieser delegiert bereits seit vielen Jahren Maßnahmen wie zum Beispiel Analgesie an Rettungsfachpersonal im Rahmen einer Vorabdelegation in entsprechendem Kompetenzsystem [10, 20]. Dazu gehören neben der Einbettung in das organisationsinterne Qualitätsmanagement entsprechende Schulungen, Standardarbeitsanweisungen (SOP) und jährliche personalisierte Kompetenzchecks als ein Teil der medizinischen Qualitätssicherung [21]. Als externe Qualitätssicherung dient die landesweite Stelle zur trägerübergreifenden Qualitätssicherung im Rettungsdienst Baden-Württemberg (SQR-BW). Diese etabliert landesweite Qualitätsindikatoren und führt kontinuierliche Analysen aller notfallmedizinischen Einsätze durch, wobei eine Differenzierung und ein Benchmarking nach Rettungsdienstbereichen erfolgte. Da die Trägerschaft des Rettungsdiensts in Baden-Württemberg bei den Hilfsorganisationen liegt, ergibt sich keine Amtshaftung wie in anderen Bundesländern, sondern die Rettungsdienste müssen ihre Mitarbeitenden selbst versichern.
Studienteilnehmer und Auswahlkriterien
Eingeschlossen wurden alle im Untersuchungszeitraum 01.01.2018 bis 31.12.2023 rettungsdienstlich behandelten Patienten, welche nach vorliegender Einsatzdokumentation ein Analgetikum durch NotSan erhalten hatten. Analgetika, welche im Rahmen der Vorabdelegation zur Verfügung standen, waren Ketamin i.v., Esketamin i.v., Paracetamol i.v. und Morphin i.v. Analgetika, welche z. B. vor Ort von einem Notarzt oder einer Notärztin (NA) delegiert wurden, waren zum Beispiel Metamizol und Fentanyl.
Variablen
Die vorliegende Analyse berücksichtigt Alter, Geschlecht und Schmerzparameter (mittels numerischer Rating-Skala [NRS]) zu Beginn der prähospitalen Versorgung sowie am Ende der Versorgung bzw. bei Übergabe an den Notarzt. Nebendiagnosen und unerwünschte Ereignisse wurden erfasst, sofern sie dokumentiert waren. Eine erfolgreiche Analgesie wurde entsprechend den Vorgaben der SQR-BW definiert als Schmerzerstbefund von mindestens 5 (NRS) und Übergabebefund <5 bzw. NRS mindestens 2 Punkte niedriger als Erstbefund, alternativ Dokumentation einer Notfallnarkose oder Analgosedierung.
Datenquelle
Alle Daten wurden prähospital mittels der Applikation „NaProt“, später „docYou“ in der jeweils aktuellen Version (Pulsation IT, Berlin, Deutschland) zur digitalen Einsatzdokumentation erfasst. Die Grundlage der Datenverarbeitung ist u. a. Art. 6 Abs. 1 lit. c bis e DSGVO i. V. m. § 31 und § 32 Abs. 1 Rettungsdienstgesetz (RDG) Baden-Württemberg. Als Datensatz kommt der vorgegebene MIND 3.1 bzw. MIND 4.0 zum Einsatz, d. h., auch die Diagnosen sind entsprechend MIND 4.0 geschlüsselt. Die Datensätze wurden für die vorliegende Analyse anonymisiert.
Analyseverfahren
Für das explorative Verfahren wurde sowohl induktiv als auch deduktiv vorgegangen. Zunächst wurde eine Datenanalyse durchgeführt und dabei Merkmale wie Häufigkeiten der medikamentösen Analgesie, erfolgreiche Analgesie, NA-Nachforderung zur Analgesie, Diagnosen und die verwendeten Analgetika betrachtet.
Im Anschluss wurden die Daten mit vermuteten strukturellen Einflussfaktoren grafisch verglichen, wie z. B. Gesetzesänderungen, Änderungen von SOP, Wechsel in der Medikamentenbevorratung etc.
Statistik
Deskriptive Statistiken wurden für metrische Skalen mit Mittelwert ± Standardabweichung angegeben. Häufigkeiten werden mit absoluten und relativen Zahlen angegeben. Die statistischen Analysen wurden mit SPSS Statistics 28 (IBM, Armonk, NY, USA) durchgeführt.
Ergebnis
Basiskollektiv
Im Untersuchungszeitraum 01.01.2018 bis 31.12.2023 konnten insgesamt 1644 Patienten in die Analyse eingeschlossen werden. Das Durchschnittsalter betrug 56 ± 23 Jahre (6 bis 101 Jahre). Der Anteil von Patientinnen lag bei 54,2 % (n = 891), 45,6 % (n = 749) waren männlich, zu 0,2 % lag keine Information vor.
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Häufigkeit der medikamentösen Analgesie
Die Anzahl der durch NotSan durchgeführten medikamentösen Analgesien zeigt über die Jahre starke Schwankungen. Dabei ist über den Untersuchungszeitraum im Jahresvergleich ein maximaler Rückgang von 66,4 % zu verzeichnen sowie ein maximaler Zuwachs um 138,6 % (Tab. 1).
Tab. 1
Anzahl der Einsätze mit Medikamentenanwendung durch NotSan sowie der anteiligen Applikation von Analgetika im Untersuchungszeitraum 2018 bis 2023
2018
2019
2020
2021
2022
2023
Gesamt Medikamentenapplikationen durch NotSan, n
451
207
225
322
601
1282
Analgesie, n (%)
241 (53,4)
81 (39,1)
91 (40,4)
134 (41,6)
324 (53,9)
773 (60,3)
Abb. 1 visualisiert die Anzahl der Einsätze mit Analgesie und zeigt in der grafischen Analyse vier besondere Merkmale. Zu erkennen ist:
Rückgang der Analgesie in Q3/Q4 2018: Zu diesem Zeitpunkt wurde die Delegation medikamentöser Maßnahmen im untersuchten Rettungsdienst ausgesetzt, da die Haftpflichtversicherung aufgrund unklarer Rechtslage keine eigenständig medikamentösen Maßnahmen (mehr?) versicherte.
Wechsel in der Medikamentenvorhaltung Q3/Q4 2021: Hier wurde Ketamin durch Esketamin ersetzt.
Zunahme der Analgesie ab Q2/2022: Zu diesem Zeitpunkt erfolgte die Einführung der Vorabdelegation für NotSan in Baden-Württemberg ab Juli 2022 und gleichzeitig die zusätzliche Vorhaltung von Paracetamol i.v.
Zunahme der Anwendung von Morphin ab Q2/Q3 2023: Zu diesem Zeitpunkt wurde die Vorabdelegation von Betäubungsmitteln (im vorliegenden Fall Morphin) ab August 2023 umgesetzt, nach der Anpassung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG), der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BtMVV) und des Notfallsanitätergesetzes (NotSanG).
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Indikationen zur medikamentösen Analgesie
Führende Gründe für eine medikamentöse Analgesie im gesamten Untersuchungszeitraum waren Traumata (51,5 %), gefolgt von abdominellen Beschwerden mit 25,1 % und sonstigen Erkrankungen mit 11,7 %, wovon wiederum 77,1 % (n = 165) auf Lumbalgien entfallen (Abb. 2).
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Eingesetzte Analgetika
Über den gesamten Zeitraum wurde Esketamin in 39,7 % (n = 652), Ketamin in 17,8 % (n = 293), Paracetamol in 15,6 % (n = 257), Morphin in 13,0 % (n = 214) sowie Fentanyl in 5,9 % (n = 97) der Einsätze appliziert. Eine Subgruppenanalyse aus dem Jahr 2023 zeigt eine Übersicht über die verwendeten Analgetika Esketamin, Morphin und Paracetamol jeweils ein halbes Jahr vor (1. Halbjahr 2023) und nach der Einführung von Morphin (2. Halbjahr 2023; Abb. 3). In diesem Zeitraum zeigt sich für Esketamin ein Zuwachs von 2,0 %, für Paracetamol von 40,5 % und für Morphin ein Zuwachs von 1083,3 %.
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Analgesieerfolg
Über alle Einsätze wurden die Schmerzen von initial NRS 7 ± 2 auf NRS 3 ± 2 gesenkt. Entsprechend den Qualitätsindikatoren der SQR-BW für eine erfolgreiche Analgesie wurde über die Jahre eine Steigerung von 56,4 % in 2018 auf 86,9 % in 2023 erreicht (Abb. 4).
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Notarztnachforderungen
Die Notarztnachforderungen zur Analgesie lagen zwar über den gesamten Untersuchungszeitraum bei 28,1 %, jedoch zeigt sich im chronologischen Verlauf ein Ausgangswert in 2018 von 23,2 %, was bis zum Maximum in 2021 mit 71,6 % einer Zunahme von +208,6 % entspricht. Seit 2021 fallen die Nachforderungen in 2023 auf 4,7 %, was einem Rückgang von −93,4 % entspricht (Abb. 5).
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Diskussion
Die grafische Analyse der Routinedaten zeigt korrespondierende organisatorisch-strukturelle Faktoren mit Einfluss auf die Analgesie und verdeutlicht, dass diese eine entscheidende Rolle für eine sichere und erfolgreiche medikamentöse Analgesie durch Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter spielen. Die Häufigkeit der Analgesie unterliegt damit den organisatorisch-strukturellen Rahmenbedingungen wie gesetzlichen und organisationsinternen Vorgaben, haftungsrechtlichen Aspekten und verfügbaren Medikamenten, hat im vorliegenden Fall Einfluss auf die Häufigkeit der Notarztnachforderung und ist somit systemrelevant.
Häufigkeit der Analgesie
Der wohl aussagekräftigste Indikator dafür ist sicherlich die Reduktion der Analgesien während der Phase der fehlenden Haftpflichtversicherung bei invasiv-medikamentösen Maßnahmen sowie die starke Zunahme, sobald die Rahmenbedingungen definiert und belastbar waren. Wie im Abschnitt „Setting“ beschrieben, war die Ursache für die Reduktion der Analgesien der Entzug des Versicherungsschutzes für pharmakologische und invasive Maßnahmen Ende 2018 aufgrund unklarer juristischer Einschätzungen. Infolgedessen waren nur noch Maßnahmen im Rahmen des rechtfertigenden Notstands mit nachträglicher Notarztanforderung möglich. Dies führte zu einem signifikanten Rückgang der Analgesieanwendungen und gleichzeitig zu einem starken Anstieg der Notarztanforderungen in der Schmerztherapie zwischen 2018 und 2021.
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Die Einführung der Vorabdelegation sowie die damit verbundene haftungsrechtliche Absicherung führten zu einer Zunahme der Analgesieanwendungen. Durch die Änderung von BtMG, BtMVV und NotSanG und die damit verbundene Delegation von Morphin ab August 2023 erhielten die Notfallsanitäter ein erweitertes Analgesieportfolio, was objektiv zu einer häufigeren Analgesieanwendung führte. Diese Erweiterung konnte, wie bei allen Anwendern, eine bedarfsgerechtere und spezifischere Schmerztherapie ermöglichen. Die Anwendung von Opioiden war bis dato nicht möglich bzw. wurde sehr unterschiedlich bewertet. Bereits 2005 wurden jedoch in Mittelhessen im Rahmen eines Callback-Systems sehr gute Erfahrungen mit der Morphinapplikation durch Rettungsassistenten gemacht [9, 14]. Im Laufe der Zeit folgten zahlreiche weitere rettungsdienstliche Projekte zur opioidbasierten Analgesie durch Notfallsanitäter [6, 8, 11, 18, 19, 24‐26].
Indikation zur Analgesie
Die Indikationen zur Analgesie sind wenig überraschend und korrelieren mit vergleichbaren Erhebungen [8, 10, 26]. Auch das in Abb. 3 veränderte Nutzungsverhalten mit dem neuen Analgetikum Morphin ist nicht überraschend. Hier spielen sicherlich das Interesse, aber auch Vorsicht gegenüber dem neu freigegebenen Analgetikum eine große Rolle – gemäß der Empfehlung: „Das dem Anwender vertrauteste Opioid oder Ketamin soll zur Analgesie angewendet werden“ [11].
Qualität der Analgesie
Die in Abb. 4 dargestellte Zunahme erfolgreicher Analgesien gemäß den SQR-BW-Kriterien lässt sich nicht ausschließlich auf Strukturänderungen zurückführen. Dennoch scheinen strukturelle Rahmenbedingungen eine wesentliche Grundlage für die erfolgreiche Anwendung zu bilden, insbesondere wenn Qualifizierungsmaßnahmen und Schulungen des Personals in diese integriert sind [21]. Neben den strukturell-technischen Voraussetzungen ist für eine erfolgreiche Umsetzung vor allem eine hohe Prozessqualität entscheidend, insbesondere im Hinblick auf die Adhärenz zu Vorgaben und die Patientensicherheit. Der Indikator für eine erfolgreiche Analgesie ist somit bedeutsamer als die bloße Häufigkeit ihrer Anwendung.
Bedeutung der Ergebnisse
Die von Søreide et al. formulierte „formula for survival in resuscitation“ („medical science×educational efficiency×local implementation=survival“) lässt sich auch auf andere Behandlungserfolge übertragen und beschreibt notwendige Aspekte zur Sicherung und Steuerung der Qualität, wie die im Qualitätsmanagement bekannte Aufteilung nach Struktur‑, Prozess- und Ergebnisqualität [1, 22]. Die Strukturqualität bildet die Grundlage dafür, Maßnahmen erfolgreich umzusetzen, wie die vorliegende Studie zeigt. Evidenzbasiertes Wissen („medical [and educational] science“) trägt maßgeblich zur Ergebnisqualität bei und gewährleistet die Sicherheit der Maßnahmen hinsichtlich der Prozessqualität. Diese bezieht sich sowohl auf die medizinische Durchführung als auch auf die Effektivität der Schulungen („educational efficiency“). Trotz bundes- und länderspezifischer Regelungen sind jedoch die lokalen Möglichkeiten und Ressourcen entscheidend („local implementation“), um eine erfolgreiche Umsetzung sicherzustellen. Dies soll nicht nur den einzelnen Patienten zugutekommen, sondern würde aus einer Public-Health-Perspektive auch eine effiziente Nutzung der Rettungsmittel fördern. Dadurch könnten hochqualifizierte Notärzte gezielter für indizierte Einsätze eingesetzt werden [5, 6, 16].
So kann postuliert werden, dass klare „Spielregeln“ die Versorgung verbessern. Ob und wieweit sich hier die Delegation mit ihren Vorteilen, aber auch möglichen Limitationen bewährt oder wieweit hier Notfallsanitäter auf § 2a NotSanG zurückgreifen, muss Gegenstand weiterer Forschung sein. Begrenzte Befugnisse bei bestehender Kompetenz von Notfallsanitätern können patientenseitig ggf. zu einer verzögerten Versorgung führen. Solche Situationen, in der Pflege als „moral distress“ beschrieben und gut untersucht [7, 15], erzeugen aufseiten des medizinischen Personals emotionalen Druck, insbesondere angesichts schmerzgeplagter Patienten, denen nur eingeschränkt geholfen werden kann. Dabei wären analgetische Maßnahmen oft einfach umzusetzen, zeigen rasch Wirkung und gehen mit einer geringen Komplikationsrate einher.
Zukünftig wäre von Interesse, wie sich eine daran angepasste Alarmierung der Leitstellen zu Schmerzzuständen auswirken würde. Die Analyse von strukturellen Eigenschaften könnte perspektivisch ausgebaut werden, denn hier ergeben sich durchaus vorteilhafte Konzepte [3].
Ein zukünftiges Forschungsfeld ist auch, bei welchen Indikationen die Nachforderung des Notarztes ausreicht und bei welchen Indikationen die sofortige Einbindung notärztlicher Expertise erforderlich ist – telemedizinisch oder real.
Fazit für die Praxis
Schmerzen sind häufig mit nicht vital bedrohlichen Zuständen assoziiert, beeinträchtigen jedoch die körperliche und mentale Integrität von Notfallpatienten erheblich.
Die Analgesie zählt zu den wichtigsten prähospitalen Maßnahmen für Patientinnen und Patienten. Für die Umsetzung eines differenzierten Analgesiekonzepts sind stabile strukturelle Rahmenbedingungen sowie erweiterte Befugnisse für Notfallsanitäter von entscheidender Bedeutung.
In Kombination mit hoher Prozessqualität und zielführender Qualitätssicherung ergeben sich Vorteile in Form einer schnellen und sicheren Versorgung für den einzelnen Patienten sowie einer effizienten Ressourcennutzung im Rettungsdienst, was der Gesamtbevölkerung einen deutlichen Mehrwert bietet.
Einhaltung ethischer Richtlinien
Interessenkonflikt
D. Häske, B. Hochgreve, W. Dorau, F. Eppler, I. Kretzschmar, J.-P. Stock, B. Schempf und N. Heinemann geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Alle beschriebenen Untersuchungen am Menschen oder an menschlichem Gewebe wurden mit Zustimmung der zuständigen Ethikkommission, im Einklang mit nationalem Recht sowie gemäß der Deklaration von Helsinki von 1975 (in der aktuellen, überarbeiteten Fassung) durchgeführt. Dieses Forschungsprojekt wurde von der Ethikkommission der Medizinischen Fakultät der Eberhard Karls Universität und des Universitätsklinikums Tübingen geprüft und am 19.03.2024 als unbedenklich eingestuft (Nummer 095/2024BO2). Die Studie wurde im Deutschen Register für klinische Studien mit der DRKS-ID DRKS00033980 registriert. Die grundsätzliche Datenverarbeitung ist gemäß §49 und §50 RDG BW gestattet, u. a. zur Qualitätssicherung. Die Informationspflicht tritt im Einsatz zurück, wenn das Wohl der Patientinnen und Patienten gefährdet ist (§49 RDG BW). Die aktuelle EU‑DSGVO definiert, dass die Rechtmäßigkeit der Verarbeitung gegeben ist, wenn die „Einwilligung der betroffenen Person“ oder wie in diesem Fall die „Erfüllung einer rechtlichen Verpflichtung“ (Art. 6 DSGVO Abs. 1c) gegeben ist, sowie die „Erfüllung eines Vertrags“, in diesem Fall des Behandlungsvertrags mit dem Rettungsdienst (Art. 6 DSGVO Abs. 1b).
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