MS-Therapie: Oraler Immunmodulator übersteht Phase II

Das Mittel soll ähnlich wirken wie Fingolimod, aber ohne Bradykardie-Risiko: In einer Phase-II-Studie war Amiselimod zumindest Placebo überlegen – und kardiale Nebenwirkungen blieben aus. Mit Fingolimod wurde vor fünf Jahren erstmals ein Immunmodulator in Tablettenform zur MS-Therapie zugelassen. Der Modulator am Rezeptor für Sphingosin-1-Phosphat (S1P) hemmt die Wanderung von Lymphozyten aus den lymphoiden Organen ins Blut und senkt damit auch die Zahl der autoreaktiven Zellen. In Studien bei schubförmiger MS war die Substanz sowohl Placebo als auch Interferon beta-1a überlegen. Allerdings kann es zu einem transienten Abfall der Herzfrequenz kommen, weshalb diese nach Einnahme einer ersten Dosis für einige Stunden überwacht werden muss. Mit Amiselimod sollte diese Problem nicht auftreten. Die Substanz moduliert zwar ebenfalls den S1P-Rezeptor, hat jedoch zu den einzelnen Rezeptorvarianten eine andere Affinität als Fingolimod. Dies könnte eine bessere kardiale Verträglichkeit bei vergleichbarer Wirksamkeit ermöglichen. Darauf deuten zumindest Labor- und Tierexperimente sowie eine Phase-I-Studie, wie Neurologen um Professor Ludwig Kappos von der Uniklinik in Basel berichten. Ob die Substanz bei MS-Patienten halten könnte, was sie verspricht, haben die Forscher um Kappos nun in der vierarmigen Phase-II-Studie MOMENTUM untersucht. 415 MS-Patienten bekamen entweder den neuen S1P-Rezeptormodulator (0,1 oder 0,2 oder 0,4 mg einmal täglich) oder Placebo für 24 Wochen. Die MS-Kranken waren im Schnitt 37 Jahre alt, im Median seit drei Jahren erkrankt und hatten einen EDSS-Wert von etwas weniger als drei Punkten. Alle hatten mindestens einen MS-Schub im Jahr vor dem Studienbeginn, jedoch nicht mehr. Primärer Endpunkt war die Zahl neuer Gadolinium-anreichernder Läsionen (Gd+) im Studienverlauf. Gd+-Läsionen um 77 % reduziert Im Median stellten die Studienärzte in den Wochen 8–24 in der Placebogruppe 1,6 Gd+-Läsionen fest, 2,0 waren es in der Gruppe mit 0,1 mg/d und keine in den Gruppen mit der höheren Dosierung. Ein deutlicher Dosiseffekt ergab sich bei der Betrachtung der Durchschnittswerte: Hier lag die Zahl mit Placebo bei 8,3 Gd+-Läsionen, mit 0,1 mg/d Amiselimod bei 5,5, mit 0,2 mg/d bei 2,3 und mit der höchsten Dosierung bei 1,7. In den beiden höheren Dosierungen waren die Unterschiede im Vergleich zu Placebo statistisch signifikant, mit der höchsten Dosis war die Zahl der Läsionen um 77 % geringer als mit Placebo. Mit Placebo zeigten in Woche 24 insgesamt 63 % der Patienten keine Gd+-Läsionen, ähnlich hoch war der Anteil mit der niedrigsten Amiselimod-Dosis (69 %), deutlich höher aber mit 0,2 mg/d (85 %) und 0,4 mg/d (91 %). Die Effektivität der neuen Substanz liegt damit in einem vergleichbaren Bereich wie bei anderen S1P-Rezeptormodulatoren. Dosisabhängig war auch die Zahl der neuen oder sich vergrößernden T2-Läsionen geringer als mit Placebo, und die graue Substanz schrumpfte mit den beiden höheren Dosierungen des neuen Medikaments signifikant weniger als unter dem Scheinmedikament. Bei der annualisierten Schubrate zeigte sich nur in der höchsten Dosierung ein signifikanter Unterschied zu Placebo (0,10 versus 0,44), hier war wohl auch die Studiendauer zu kurz für ein aussagekräftiges Ergebnis. Keine relevanten kardialen Probleme Nebenwirkungen traten in allen vier Therapiegruppen ähnlich häufig auf, das traf auch für Infekte und kardiale Probleme zu. Lediglich Kopfschmerzen und Schnupfen wurden in den Amiselimod-Gruppen etwas öfter beklagt als mit Placebo. Bei zwei Patienten (2 %) mit 0,4 mg der Substanz musste die Behandlung aufgrund eines Leukozytenmangels abgebrochen werden, auch wurde dosisabhängig ein Anstieg der Leberwerte beobachtet, die Werte blieben aber bei den allermeisten Patienten im Referenzbereich. Im EKG fanden die Ärzte ebenfalls keine klinisch relevanten Veränderungen. Um hierbei sicher zu gehen, wird man jedoch erst die Resultate größerer Phase-III-Studien abwarten müssen. Sollte sich die gute Herzverträglichkeit bestätigen, wäre Amiselimod wohl der erste S1P-Rezeptor-Modulator ohne kardiale Risiken. So hatten in Studien neben Fingolimod auch die bisher nicht zugelassenen Wirkstoffe Ponesimod, Siponimod und Ceralifimod Hinweise auf eine Bradykardie geliefert.

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