Serummarker für MS-Aktivität

Der Nachweis von Neurofilament-Bestandteilen im Serum kann die MS-Aktivität und den Therapieerfolg gut charakterisieren. Damit rückt ein Serummarker für den MS-Verlauf in greifbare Nähe. Die MRT-Bildgebung macht zwar ZNS-Läsionen bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) gut sichtbar, allerdings ist sie im Vergleich zu einer Blutuntersuchung recht teuer und aufwändig. Zudem lässt sich aus den Bildern nur indirekt auf die ZNS-Schädigung schließen. Wie stark Nervenzellen unter den Attacken des Immunsystems leiden, kann offenbar über einen anderen Marker besser abgebildet werden: die leichte Kette des Neurofilament-Proteins (Neurofilament Light Chain, NFL). Neurofilament ist ein Zytoskelettprotein, das ausschließlich in Nervenzellen produziert wird. Über den Nachweis von Neurofilament-Bestandteilen wie NFL im Liquor und Serum lässt sich der neuroaxonale Schaden quantitativ bestimmen. Der Charme liegt darin, dass sich das Protein auch im Serum nachweisen lässt. Zwar ist NFL nicht spezifisch für MS, sondern wird bei allen neurodegenerativen Prozessen frei, das Protein kann aber als Marker für die Krankheitsaktivität bei MS herangezogen werden. Darauf deuten zwei Studien, die auf dem europäischen Neurologenkongress in Amsterdam vorgestellt worden sind. Normalwerte nach Eskalationstherapie In der einen Studie hat ein Team um Dr. Lenka Novakova von der Universität in Göteborg, Schweden, die NFL-Werte sowohl im Serum als auch im Liquor von 286 MS-Patienten sowie 42 gesunden Personen bestimmt. Etwa die Hälfte der MS-Patienten lieferte sowohl vor als auch nach Beginn einer MS-Therapie Blutproben. Die Forscher verwendeten einen kommerziell erhältlichen Test für die Liquoranalyse sowie einen selbst entwickelten, hochempfindlichen „Single Molecule Array Assay (SIMOA)“ für den Serumnachweis. Unbehandelte MS-Patienten hatten Serum-NFL-Werte vom im Mittel rund 50 ng/l, ein Jahr nach Therapiebeginn waren sie auf etwa 30 ng/l gefallen. Bei Patienten mit einer Eskalationstherapie lagen sie sogar im Bereich von 15–20 ng/l und damit auf dem Niveau der gesunden Teilnehmer. Die NFL-Serum-Konzentration war umso höher, je mehr Gadolinium-anreichernde Läsionen die Patienten aufwiesen. Auch korrelierten die Werte gut mit den NFL-Liquor-Konzentrationen – sowohl vor als auch nach Therapiebeginn. Die NFL-Werte ließen sich daher ebenso gut im Serum wie im Liquor bestimmen, schlussfolgern die Neurologen um Novakova. Zudem könne die Methode nicht nur den axonalen Schaden bei MS quantifizieren, sondern auch die Auswirkungen einer krankheitsmodifizierenden Therapie besser darstellen. Rückgang um 40% unter Fingolimod-Therapie Bestätigt wird dies von einer Auswertung der Phase-III-Studien TRANSFORMS und FREEDOMS mit dem Wirkstoff Fingolimod. Die Resultate hat Privatdozent Jens Kuhle vom Universitätsspital in Basel, Schweiz, auf dem Kongress vorgestellt. In FREEDOMS wurde Fingolimod gegen Placebo verglichen, dabei bestimmten die Studienärzte bei 162 Patienten auch regelmäßig die NFL-Werte im Serum mittels SIMOA. Zu Beginn lagen die Konzentrationen bei etwa 30 ng/l. Mit dem Immunmodulator waren die Serum-NFL-Werte bereits nach sechs Monaten auf rund 20 ng/l gefallen und blieben dann bis zum Studienende nach zwei Jahren konstant niedrig, unter Placebo schwankten sie hingegen nur leicht um den Ausgangswert. Ein ähnliches Bild ergab sich bei 220 Patienten mit NFL-Messung in TRANSFORMS: Dort maßen die Ärzte in der Fingolimod-Gruppe zu Beginn ebenfalls Konzentrationen von 30 ng/l. Sechs Monate nach Therapiebeginn waren die Werte auf im Mittel 18,5 ng/l gefallen, zwölf Monate später auf 17,9 ng/l – ein Rückgang um 40%. Die Kontrollgruppe hatte in dieser Studie Interferon beta-1a erhalten. Damit fielen die NFL-Werte zwar ebenfalls, jedoch weniger stark: Nach sechs Monaten waren sie von 26,0 auf 22,1 und nach zwölf Monaten auf 21,1 ng/l gesunken – eine Differenz von lediglich 19%. Bei einer Gruppe von gesunden Probanden hatten die Ärzte einen NFL-Serumwert von 16,4 bestimmt. Die NFL-Werte unter Fingolimod kamen damit in die Nähe derer von gesunden Personen, so Kuhle. Wie sich zeigte, sanken die NFL-Werte unter Fingolimod bei praktisch allen Patienten, besonders deutlich war der Rückgang jedoch bei solchen, die im MRT eine hohe Krankheitsaktivität mit vielen Gadolinium-positiven Läsionen aufgewiesen hatten. NFL sei daher ein empfindlicher Biomarker für neuroaxonale Schäden und das Therapieansprechen, sagte auch Kuhle. Möglicherweise lässt sich über die NFL-Messung sogar der Krankheitsverlauf vorhersagen. Entsprechende Untersuchungen seien derzeit in Gang. basierend auf: 3rd Congress of the European Academy of Neurology, Amsterdam, 24.–27.6.2017. - Oral Session: MS and related Disorders 2. - Plenary Symposium 4: Highlight and late breaking news session

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