MS-Patienten brechen Rituximab-Therapie nur selten ab

Rituximab ist als kostengünstige Off-label-Therapie in vielen Ländern verbreitet – und kommt bei den Patienten offenbar gut an: Die Abbruchraten sind nach schwedischen Registerdaten deutlich geringer als mit den meisten zugelassenen MS-Wirkstoffen. Hinweis: Das Wichtigste in Kürze zu dieser Studie finden Sie am Ende des Artikels. In den vergangenen Jahren sind zahlreiche neue MS-Mittel auf den Markt gekommen. An den Jahrestherapiekosten für MS-Patienten hat sich jedoch wenig geändert – diese liegen noch immer im Bereich von 15–20.000 Euro, für die hochwirksamen Mittel teilweise deutlich höher. Dagegen ist eine B-Zell-depletierende Behandlung mit Rituximab recht günstig: 500 mg sind bereits ab rund 1600 Euro als Biosimilar zu haben. Bei einer Infusion mit 500–1000 mg alle sechs Monate entstehen Jahrestherapiekosten zwischen 3000 und 6000 Euro. Kleinere kontrollierte Studien legen zwar eine recht gute Wirksamkeit des chimären Antikörpers gegen MS nahe, allerdings gab es nie ein größeres Studienprogramm für eine MS-Zulassung. Stattdessen wurden vollständig humanisierte Antikörper wie Ocrelizumab und Ofatumumab speziell zur MS-Therapie entwickelt. In Schweden erfreut sich die Off-label-Behandlung mit Rituximab jedoch einer recht großen Beliebtheit – sowohl bei MS-Experten als auch Patienten. Darauf deuten Registerdaten, die jetzt ein Team um Dr. Mathias Granqvist vom Karolinska-Institut veröffentlicht hat. Abbruchrate von 3% pro Jahr Die Forscher analysierten Angaben zu sämtlichen MS-Kranken, die zwischen 2012 und 2015 in den Regionen Stockholm und Västerbotten erstmals auf eine krankheitsmodifizierende Behandlung eingestellt worden waren. Primär interessierten sie sich dabei für die Abbruchraten. Diese sind bei den injizierbaren MS-Mitteln recht hoch. Die Wissenschaftler um Granqvist zitieren Studien, nach denen weniger als die Hälfte der Patienten eine Therapie über zwei Jahre mit injizierbaren Präparaten durchhält. Die Forscher wollten schauen, wie gut sich Rituximab im Vergleich schlägt. Das Ergebnis ist überraschend: Mit dem off-label verabreichten Antikörper waren die Abbruchraten mit Abstand am geringsten. Die Forscher fanden Angaben zu knapp 500 erstmals eingestellten Patienten mit schubförmiger MS. Fast die Hälfte (44%) erhielt initial Interferone oder Glatirameracetat, 17% bekamen Dimethylfumarat (DMF), 10% Natalizumab, 3% Fingolimod und immerhin knapp ein Viertel (24%) Rituximab. Patienten mit Rituximab hatten im Schnitt etwas stärkere Behinderungen als solche mit injizierbaren Mitteln, aber einen ähnlichen EDSS-Wert wie MS-Kranke unter Fingolimod und DMF. Patienten mit Natalizumab waren im Schnitt etwas jünger und hatten vor der Therapie mehr Schübe als solche unter Rituximab. Die schwedischen Ärzte sahen Rituximab folglich vor allem für Patienten vor, die einen mittelschweren Verlauf zeigten. Empfehlung der Redaktion 2018 | OriginalPaper | Buchkapitel Multiple Sklerose und andere autoimmune ZNS-Erkrankungen Autoimmunerkrankungen des zentralen Nervensystems (ZNS) stellen eines der sich am schnellsten entwickelnden Gebiete in der Neurologie dar. Die Entdeckung neuer Autoantikörper hat zur Beschreibung neuer Krankheitsentitäten und zu einer … Die Abbruchraten – egal ob durch mangelnde Wirksamkeit, Nebenwirkungen oder Schwangerschaft bedingt – unterschieden sich recht deutlich. Nach einem Jahr hatte rund ein Drittel der Patienten mit injizierbaren MS-Mitteln die Behandlung abgebrochen, nach zwei Jahren waren es sogar zwei Drittel. Von den Patienten mit Natalizumab und DMF hielten drei Viertel das erste Jahr durch, immerhin etwa die Hälfte zwei Jahre. Für Fingolimod deutete sich eine ähnliche Kurve wie für die injizierbaren Mittel an, aufgrund der geringen Patientenzahlen ist diese jedoch kaum aussagekräftig. Dagegen hatten von den 120 Patienten mit Rituximab nur fünf die Therapie in den ersten beiden Jahren beendet. Insgesamt betrug die jährliche Abbruchrate unter injizierbaren Mitteln 53%, unter DMF 32%, bei Fingolimod 38% und Natalizumab 29%, unter Rituximab jedoch nur 3%. Therapieende vor allem wegen Schwangerschaft Vier der Rituximab-Patienten beendeten die Therapie aufgrund einer Schwangerschaft, einer aufgrund erneuter Krankheitsaktivität. Dagegen standen bei den übrigen Therapien Nebenwirkungen und eine unzureichende Wirkung als Gründe für den Abbruch im Vordergrund; die Natalizumab-Therapie wurde bei einem Drittel der Patienten aufgrund eines positiven JCV-Tests beendet. Unter Berücksichtigung der Krankheitsschwere und anderer Faktoren gab es keine signifikanten Unterschiede bei der Schubrate zwischen einer Therapie mit Rituximab, DMF, Fingolimod und Natalizumab. Kontrastverstärkende MRT-Läsionen traten unter Rituximab jedoch signifikant seltener auf als unter DMF und injizierbaren Mitteln. Bei den Nebenwirkungen zeigten sich keine größeren Differenzen, leichtere Beschwerden traten jedoch unter DMF und injizierbaren Mitteln etwas häufiger auf. Was lässt sich aus der Analyse nun schließen? Da es sich lediglich um eine Registeranalyse mit recht geringer Patientenzahl und kurzer Beobachtungsdauer handelt, ist Vorsicht geboten. Rituximab hat als MS-Therapeutikum in Deutschland zudem keine Chance – Erstattungsfragen wären hier im Gegensatz zu Schweden bei einer Off-label-Therapie ein großes Problem. Sollten jedoch die neuen vollhumanisierten Antikörper mit vergleichbarem Wirkprinzip ein ähnlich gutes Nutzen-Risiko-Profil aufweisen wie Rituximab nach diesen Registerdaten, könnten diese für viele Patienten eine Bereicherung sein. Mehr wird man wohl in ein bis zwei Jahren wissen, wenn auch Praxisdaten zu dem soeben zugelassenen Anti-CD20-Antikörper Ocrelizumab vorliegen. Das Wichtigste in Kürze Frage: Wie hoch ist die Abbruchrate unter Rituximab im Vergleich zu zugelassenen MS-Mitteln? Antwort: Eine Rituximab-Therapie wird deutlich seltener abgebrochen. Bedeutung: Hinweis auf günstiges Nutzen-Risiko-Profil von Anti-CD20-Antikörpern. Einschränkung: Nur Registeranalyse, weniger Patienten, kurze Nachbeobachtungsdauer

Springer Medizin

MS-Patienten brechen Rituximab-Therapie nur selten ab

Passend zum Thema

Services in der MS-Therapie für Neurolog*innen und Betroffene

Springer Medizin

Bitte loggen Sie sich ein, um Zugang zu diesem Inhalt zu erhalten

Passend zum Thema

Services in der MS-Therapie für Neurolog*innen und Betroffene